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Kommentar Olympia-Votum in HamburgFeuer aus, Flamme auch

Kommentar von Johannes Kopp

Hamburg hat gegen die Sommerspiele 2024 gestimmt. Das zeigt, in welcher Glaubwürdigkeitskrise der olympische Sport steckt.

Bestürzung unter den Olympia-Befürwortern am Sonntag in Hamburg Foto: dpa

S portlich fair gaben sich die Verlierer. Als eine demokratische Entscheidung, die ohne Wenn und Aber akzeptiert werden müsse, bezeichnete etwa Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), das bindende Votum der Hamburger vom Sonntag, sich nicht für die Sommerspiele 2024 zu bewerben.

Mit Demokratie hatte das Abstimmungsverfahren allerdings nur wenig zu tun. Zu ungleich war das Kräfteverhältnis zwischen den von Politik, Wirtschaft und Medien unterstützten Olympiabefürwortern und der ohne institutionelle Hilfe agierenden Gegnerschaft.

Möglicherweise hat aber auch genau dieser bevormundend wirkende Wahlkampf die Gräben des Misstrauens weiter vertieft. Auch in München, als es um die Bewerbung für die Winterspiele 2022 ging, gewannen am Ende die deutlich schlechter aufgestellten Olympiagegner. Die Sympathien lagen am Ende auf Seiten des vermeintlichen Underdogs. In der Welt des Sports kennt man dieses Phänomen eigentlich nur zu gut.

Wie ideologisch überhöht die Debatte um das weltweit größte Sportereignis geführt wird, konnte man den ersten Reaktionen entnehmen. Von einer „Wahnsinnschance“, einer „Jahrhundertchance“, einer „tollen Entwicklungschance“ sprachen die enttäuschen Olympiabefürworter, um die sich die Hamburger gebracht hätten.

Hörmann resümierte: „Unserem Land entgeht damit leider die Chance auf das weltweit größte Fest – eines der letzten großen ´Lagerfeuer` wird nur über den Bildschirm aus anderen Ländern wahrzunehmen sein.“

Misstrauen gegenüber dem IOC

Derartige wirklichkeitsfremde Lagerfeuerromantik verdeutlicht einmal mehr, in welcher Glaubwürdigkeitskrise der olympische Sport steckt. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben vielen Menschen das Misstrauen gelehrt, wenn mit der Ausrichtung olympischer Spiele rosige Zukunftsversprechen verknüpft werden. Gewonnen hat meist nur der IOC.

Mit der Reformagenda 2020, die das Internationale Olympische Komitee auf den Weg gebracht hat, wollten die Sportfunktionäre auf diese Entwicklung eigentlich reagieren. Mit der Betonung von Nachhaltigkeit, Transparenz und Kosteneffizienz beabsichtigte man, der wachsenden Verdrossenheit über die zügellose Kommerzialisierung von Olympia entgegenzuwirken. Die Hamburger Bewerbung war als Verkörperung dieses Reformpakets angepriesen worden.

Insofern war das Referendum auch eine lokale Abstimmung über die Agenda 2020. Die Hamburger trauten den Bekundungen des IOC nicht über den Weg. Zu offenkundig war in vielen Bereichen der kosmetische Charakter der Änderungsvorschläge. Am Grundprinzip – die Risiken trägt der Gastgeber, der IOC fährt garantierte Gewinne ein – wollten die Profiteure nicht wirklich rühren.

Die Flüchtlingsproblematik und die Terroranschläge von Paris verringerten womöglich obendrein bei vielen die Bereitschaft, für die Investition von Milliarden für ein Sportereignis zu stimmen. Immerhin hatten sich in einer im März veröffentlichten Forsa-Umfrage noch 64 Prozent für die Sommerspiele ausgesprochen. Am Sonntag waren es lediglich 48,4 Prozent.

Der kausale Zusammenhang zwischen der politischen Großwetterlage und dem Hamburger Votum sollte aber auch nicht allzu hoch eingeschätzt werden. In München stimmten die vorab durchgeführten Umfrageergebnisse die Olympiafreunde auch stets hoffnungsfroh. Als es jedoch darauf ankam, ließen sich die Gegner wesentlich leichter mobilisieren als die Befürworter.

Ergebnis sportlicher Monokultur in Deutschland

Es wäre aber auch irreführend, das Hamburger Abstimmungsergebnis allein als Ausdruck einer allgemeinen Enttäuschung mit dem verruchten Sportsystem zu werten – als eine Folge der Dopingskandale in der Leichtathletik und der Korruptionsskandale im Weltfußballverband und im Deutschen Fußball-Bund. Viele Interpreten legen diese Schlussfolgerung in ihren ersten Analysen nahe.

Hätte man jedoch die Bürger darüber entscheiden lassen, ob sich Deutschland für die Ausrichtung der Fußballeuropameisterschaft 2024 bewerben soll, die positiven Ergebnisse wären wohl in jeder Stadt nahezu unabhängig von den zu leistenden Kosten überwältigend gewesen. Das Olympiavotum von Hamburg ist auch ein Ergebnis, das aus der sportlichen Monokultur in diesem Land erwachsen ist. An dieser Beschränktheit wird sich in den nächsten Jahren erst einmal nicht viel ändern. Das kann man auch bedauern.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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11 Kommentare

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  • Es ist eine gute Nachricht - für Hamburg, für Schland, für die Menschen.

  • Aus der erhofften Feierlaune bei Sekt und kleinen netten Genusshäppchen, machte sich gestern in Hamburg, der erhofften Gastgeberstadt für spätere Sommerspiele, statt der Freude, lediglich Frust und Enttäuschung bei den vornehmlich „geladenen „Hoffenden“ aus, die bereit in die aufwendigen Planungen rund sechs Mill. € versickern ließen!

     

    Der Sport und die Politik haben aus verschiedenen allseits bekannten Gründen das angestrebte Ziel nicht erreicht, dass die Hafenstadt Hamburg, bekannt auch als „Tor zur Welt“, gemeinsam mit Kiel und Markleeberg ein erhoffter Gastgeberkandidat für eine eventuelle Sommerolympiade 2024 wird. Das Pendel des Bürgerentscheides entschied sich bereits nach dem gescheiterten Münchener Versuch zum zweiten Male erneut knapp für eine Ablehnung, was natürlich auch gleichzeitig ein Misstrauen und eine gewisse Abscheu gegen den Sport und seiner DOSB- oder steinreichen IOC-Führung bedeutete. Die gesunden und behinderten Aktiven, die „sauber“ in unzähligen Trainingsstunden den Traum des „Welttreffens“ praktisch vor ihrer Haustüre anstrebten, haben diesen damit bereits ausgeträumt!

     

    Vielleicht haben aber auch die schwerfällig angelaufenen und sich zu überteuerten „Langzeitobjekten“ entwickelten allseitig bekannten deutschen Bautenj dazu beigetragen, dass zu wenig Hoffnungen und Vertrauen in den finanziell zu erwartenden unbekannten Bauboom gesteckt wurden.......

     

    Die Flamme erlosch, ehe sie begann zu leuchten!

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    "Hätte man jedoch die Bürger darüber entscheiden lassen, ob sich Deutschland für die Ausrichtung der Fußballeuropameisterschaft 2024 bewerben soll, die positiven Ergebnisse wären wohl in jeder Stadt nahezu unabhängig von den zu leistenden Kosten überwältigend gewesen."

    Ich vermute mal ganz stark, dass die Kosten für eine Fußballeuropameisterschaft auch wesentlich geringer sind, als für die Olympischen Spiele.

  • Es gibt auch Bürger Hamburgs, die sich mit den Konzepten beschäftigt haben und nicht nur Angst haben vor Anschlägen, Korruption etc., wie es die "Verlierer" jetzt wahrmachen wollen.

    Wer sich mal z.B. das Mobilitätskonzept anschaut, wird sehen, dass HH so weitermacht wie bisher ( niedrigster ÖPNV Anteil beim Modal Split aller deutschen Großstädte, da schwerpunktmäßig auf das Auto gesetzt wird). Wie sollen mich z.B. Umbau von zwei Umstiegsbahnhöfen, temporär !! verlängerte Bahnsteige, neue Anzeigetafeln, Anmietung von Bussen während !! der Olympiade und keine Fertigstellung eines einzigen KM Schiene überzeugen ? Alle Bahnprojekte ( S4 + S 21) sind unabhängig von Olympia geplant. 8000 Wohnungen auf dem Olympiagelände allein können nicht überzeugen, bei Kosten von 11,2 Milliarden Euro. Das die Besucher die entstehenden Kosten wieder reinspielen, ist ein Wunschdenken von interessierter Lobby ( Handelskammer und Konsorten).

    Ich finde die Hamburg haben eine weise Entscheidung getroffen.

  • „Mit Demokratie hatte das Abstimmungsverfahren allerdings nur wenig zu tun“.

    Vielleicht aus „verwöhnter“ mitteleuropäischer Sicht.

    Aus brasilianischer Sicht ist es aber genau das:

    a) Im Gegensatz zu uns dürfen die die zahlen (mit ihrem Leben, weils hernach am Gesundheitsposten, im Spital, bei Dammschutzmassnahmen, bei der Ernährung u.s.w. fehlt) mitreden/entscheiden;

    b) Im Gegensatz zu uns gibt es in Deutschland/in der Hansestadt Öffentliche Bildung nicht nur in baulicher (potemkin’scher) Form und (Regierungs-) Lügenstatistiken, sondern eine mit erkennbarer Wissensförderungssubstanz – und so war diese kluge Volksentscheidung überhaupt erst möglich;

    • @Ardaga:

      Kann man so sehen, ändert aber nichts daran, dass die Möglichkeiten der Befürworter und Gegner sehr ungleich waren. Man darf in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass allein zur Herstellung dieses Ungleichgewichts ja bereits erhebliche Geldbeträge ausgegeben wurden, die ja auch von den Bürgern, die jetzt gegen Olympia gestimmt haben, mitbezahlt werden müssen. Demokratisch wäre es gewesen, erst grundsätzlich über eine Olympiabewerbung abzustimmen und dann ggf. dafür Geld auszugeben, oder eben nicht.

      • @Rainer B.:

        Siehe auch Volksabstimmung zu S21: Gegen die sechs mal so teure Werbemaschinerie des S21-Konsortiums konnte die rein privat und ehrenamtlich finanzierte Kampagne der S21-Gegner einfach nicht genug anstinken. Um so schöner, dass es in HH jetzt mal geklappt hat. Wird aber wohl die letzte Olympiabewerbung im Schland gewesen sein, über die der Lümmel Volk entscheiden durfte.

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Senator Neumann muss deswegen ja nicht gleich zu Hause "weiter vor sich hin vegetieren". Er kann doch auch mal eben nach Los Angeles, oder sonstwo zur Olympiade jetten. Es ist schließlich nicht so, dass die Hamburger nur zu faul ist, wegen einer Olympiade mal ihre Stadt zu verlassen - oder?

          • @Rainer B.:

            Nun, ich könnte letzteres keinem verdenken. Ich persönlich jedenfalls würde für Olympia nicht mal mein Sofa verlassen - geschweige denn, die Glotze einschalten!

  • Auch wenn ich der Idee der "Monosportkultur" durchaus zustimme, hinkt der Vergleich mit der EM, da eine spezifische Stadt nicht über eine Bewerbung entscheidet. Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass die Hamburger Entscheidung eher wenig mit Sport im allgemeinen zu tun hat, mehr mit der Situation in der Stadt selbst.

  • ...warum das (im o.g. Satz) irreführend sein soll erschließt sich mir nicht...

     

    Ich bin überzeugt, daß nach dem ganzen Mist um die Vergabe der WM 2006 in Deutschland höchstwahrscheinlich auch eine - als Beispiel genannte - Ausreichtung einer Fußball-EM in 2024 gescheitert wäre.

     

    Jedenfalls - Herzlichen Glückwunsch an all die Hamburger die mit "Nein" gestimmt haben.