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Kommentar gescheiterte OlympiakampagneStinkseriöse Bürger

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

Gegen Olympische Spiele hätten viele Hamburger nichts gehabt, gegen die unüberschaubaren Finanzrisiken dagegen einiges: Der Bürger als finanzpolitisches Korrektiv.

Erfolgreiche Mahnung: Zumindest olympische Schuldenberge bleiben Hamburg erspart Foto: Aleksandra Bakmaz/dpa

I n Hamburg sagt man Nein. Nein zu Olympischen Spielen. Nein aber vor allem zu einer Finanzierung, die allzu viele Fragen offen lässt.

Ironischerweise hat sich die Hamburger Bevölkerung als hanseatischer erwiesen als die Wirtschaft in der Stadt, die ja aus allen Rohren für eine Olympiabewerbung gefeuert hatte. Aber Hanseaten sind historisch sehr konservative Geschäftsleute. Ihre Taschen machen sie auf, wenn ihnen ein Investment als sicher erscheint. Und das tat diese Olympiabewerbung ganz offenbar nicht. Die Hamburger waren nicht bereit, die beträchtlichen Risiken aus ihrem Steuersäckel zu schultern.

Dabei hatte der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ein ums andere Mal beteuert, die Kosten für die Spiele seien scharf gerechnet und mit großzügigen Puffern versehen. Es ist vielleicht ein bisschen ungerecht, dass die Hamburger solchen Behauptungen seit dem Debakel um die Elbphilharmonie eher reserviert begegnen, denn das hatte ja seinerzeit die CDU verbockt, Olaf Scholz hat das Projekt geerbt und – bis auf weiteres – gerettet. Allerdings unter Zuhilfenahme weiterer hunderter Millionen Euro.

Selbst Schuld ist der rot-grüne Senat dagegen an der Situation, dass die HamburgerInnen nun über einen Kostenplan mit einer Unbekannten von mehreren Milliarden Euro abstimmen mussten. Willkürlich hat die Stadt ihren Eigenanteil an den Spielen bei 1,2 Milliarden Euro gedeckelt und schlicht mitgeteilt, den Rest müsse eben der Bund stemmen. Eine entsprechende Zusage oder auch nur ein deutliches Signal aus Berlin war aber zu diesem Zeitpunkt nicht zu kriegen. Es war ein Fehler, das Referendum zu diesem frühen Zeitpunkt abzuhalten, zu dem die versprochene Informationsbasis einfach nicht zu schaffen war. Dass erst während der laufenden Abstimmung das Nachhaltigkeitskonzept veröffentlicht und Einigung mit den Hafenbetrieben erzielt wurde, die dem olympischen Dorf hätten weichen sollen, ist dagegen fast eine Fußnote, die der Glaubwürdigkeit aber sicher nicht zuträglich war.

Dass die Olympia-Fans nun beklagen, die Anschläge in Paris hätten ihnen die Tour vermasselt, klingt wenig überzeugend: Hunderttausende hatten bereits abgestimmt, als die Bomben vor dem Stade de France explodierten. Und dass sie davor explodierten und nicht auf den Rängen, ist eher ein Beleg für effiziente Sicherheitsmaßnahmen als dagegen. Der Terror mag ein paar Menschen eingeschüchtert haben, andere werden sich gesagt haben: jetzt erst recht! Selbst wenn die Anschläge ein paar Prozentpunkte gekostet haben sollten, worauf die zuletzt sinkende Zustimmung in Umfragen hindeuten könnte: Auch ohne sie hätten die Olympier allenfalls einen hauchdünnen Sieg geholt, keinen mit dem man das IOC hätte begeistern können.

Man darf nicht den Fehler machen, die Zustimmung in Umfragen, die zeitweilig bei über 60 Prozent gelegen hatte, mit Abstimmungsabsichten zu verwechseln. Gerade Olympia ist ein Thema, bei dem man leicht auf der emotionalen Ebene Menschen ansprechen kann. Das heißt nicht, dass sie bereit wären, dafür an die Urne zu gehen. Wenn es ihnen dagegen ans Portemonnaie geht, schon eher.

Haben nun die Zukunftsskeptiker gewonnen, wie es der Senat in den vergangenen Wochen dargestellt hat? Die Verzagten, die selbstgenügsamen Fortschrittsverweigerer, die Angstmacher, wie es von privaten Olympia-Unterstützern zu hören ist? Und sind in einer Stadt wie Hamburg gar keine großen Würfe, keine Projekte mehr möglich? Nein, gewonnen haben die, die einen anderen Begriff von gesellschaftlichem Fortschritt haben als den des schneller, höher, stärker. Jene, die nicht alles auf eine Karte setzen und dafür hinterher Jahrzehnte lang zahlen wollten. Jene, die die Stadtentwicklung einer ebenso gründlich diskreditierten wie allmachtsbeanspruchenden Institution wie dem IOC nicht anvertrauen wollten.

Was spricht denn dagegen, nun auch ohne Olympia in aller Ruhe die Firmen der ohnehin schwächelnden Hafenwirtschaft vom Kleinen Grasbrook umzusiedeln – und zwar, wenn ihre Pachtverträge auslaufen und man ihnen nicht wegen des Zeitdrucks üppige Ablösesummen zahlen muss? Und dann, wenn der letzte Umschlagbetrieb umgezogen ist, in 20, 25 Jahren vielleicht, könnte man dort in aller Ruhe einen neuen Innen-Stadtteil konzipieren, mit ordentlicher Bürgerbeteiligung und allem Chichi. Die Erschließung könnte die Stadt aus Grundstücksverkäufen finanzieren, vielleicht sogar die eine oder andere Lehre aus der Erfahrung mit der Hafencity ziehen.

Nicht möglich sind in Hamburg Olympische Spiele, bei denen alle Risiken die Stadt zu tragen hat. Und das ist auch gut so.

Es in Hamburg überhaupt schwer geworden, gegen das Volk zu regieren. Zum zweiten Mal nach dem Rückkauf der Energienetze ist Olaf Scholz in einem Volksentscheid unterlegen, der schwarz-grüne Senat ist vorher sogar über die verlorene Primarschulreform zerbrochen. Neu ist, dass sich die Regierung auch in einem Referendum von oben nicht durchsetzt - obwohl sie den zeitlichen Ablauf und die Abstimmungsunterlagen zu ihrem Vorteil gestalten konnte, obwohl sie eine millionenschwere Kampagne lanciert hat, die von der Wirtschaft nach Kräften flankiert wurde und obwohl die Gegner fast mittellos und heillos zerstritten waren. Man kann sich das Debakel vorstellen, hätte annähernde Chancengleichheit geherrscht.

Das Hamburger Abendblatt beklagt nun schon, durch das „Nein“ zu Olympia werde die Autorität des Senats geschwächt. Bei einem Senat, der bisweilen autoritäre Anwandlungen hat, wäre das vielleicht gar nicht so verkehrt.

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Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
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23 Kommentare

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  • Sach ich doch ->

     

    "…Hörmann sprach von einem „Tiefschlag“, die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) zeigte sich „sehr, sehr enttäuscht“. Er habe für die Niederlage „keine kluge Erklärung“, gestand in der Arena Innen- und Sportsenator Michael Neumann (SPD) offen ein.…"

    Ja Jung - mak de Klüsen op -

    Kannst war seien!¡) -> & Kieel??!

     

    "…In Kiel fiel das Ergebnis deutlich für die Spiele aus. 65,6 Prozent der Abstimmenden votierten dafür…"

     

    Tjä - liggers karo einfach -> denn ->

    "…Im Zentrum der Kritik steht jedoch die Finanzierungsfrage.…" Jau!!

    Kannst doch mit den

    Krückstock an Rüken!!) ->

     

    HH - kaufmännisch-wirtschaftlich

    geprägter Stadtstadt!

    KI - hält die Steuerhand auf - oder!->

    "Aus anderer Leute Leder is leicht Riemen schneiden -" - > ever ->

     

    Hanseaten - De hev jümmers good Reken kunn

    So geit dat. mit H.R.

    Hauptsache -> Jümmers eentwee

    Hannen Wooder im Bidet!

    http://www.taz.de/Olympia-Referendum/!5256070/

  • Es bleiben noch die Schulden der Elbphilharmonie und die Mieten müssen runter.

  • Sehr richtig! Als ob die Hamburger etwas gegen Veränderungen hätten und sich gegen Zukunfts- oder Bauprojekte stemmen würden! Für die IBA waren ja alle. Und für die igs. Und für Hilldegarden sind jetzt auch alle. Für die Stadtbahn war bei Umfragen auch eine erdrückende Mehrheit. Irgendwas vergessen? Busbeschleunigungsprogramm, neue Radwege, IKEA Altona, Verlegung Bhf. Altona, Autobahndeckel. Einfach ein bisschen "Bürgebeiligung mit allem Chichi" und schon läuft das Ding.

    • @AlexA:

      Apropos Stadtbahn! Das Projekt wurde von seiner Majestät Olaf Scholz himself gleich bei seinem Einzug in den Senat beerdigt. Zu dem Zeitpunkt gab es bereits ein abgeschlossenes Planfeststellungsverfahren für die ersten 40 Kilometer. Stattdessen favorisierte er ein Busbeschleunigungsprogramm, das man im Verkehrskonzept einer Stadt wie Hamburg nur als schlechten Witz bezeichnen kann.

      • @Rainer B.:

        Scholz hatte wohl Angst vor Klagen, oder er war wieder zu lange bei der Handelskammer zu Besuch und die haben ihm ihre Angst vor Verlust einer Autospur vorgeweint.

        Ich glaube, dass wenn man die Vorteile einer Stadtbahn, u.a. 20 % der Kosten einer U-Bahn richtig erklärt und bekannt macht, gibt es eine Mehrheit dafür. Es ist wohl aber von der entsprechenden Lobby in HH nicht gewollt und dann macht Herr Scholz es nicht, auch mit dem bekloppten Argument, dann würde die Stadt auf 200 km durchschnitten.

      • @Rainer B.:

        Richtig. Bei Umfragen sagten damals 2/3 der Befragten "Nein" zur Stadtbahn. Seine Majestät der Souverän hat halt immer recht - egal wogegen er gerade so ist. Also gegen alles, was eine Veränderung bedeutet.

        • @AlexA:

          Verwechseln Sie bitte nicht schon wieder Umfragen mit Abstimmungen. Über eine Stadtbahn wurde hier nie abgestimmt.

          "Veränderung" ist nun einmal kein Wert an sich. Dafür muss es auch immer gute Gründe geben. Leider ist es immer noch so, dass Veränderungen ausschließlich von den negativ Betroffenen und praktisch nie von den Nutznießern verlangt werden.

          • @Rainer B.:

            Stimmt. Veränderungen sind kein Wert an sich. Stillstand aber erst recht nicht. Und den erleben wir, wenn Politiker in der repräsentativen Demokratie nicht mehr gestalten wollen sondern alles zur Abstimmung stellen: Stadtteilschulen, Stromnetze, Olympische Spiele... - oder wenn abgestimmt werden würde: Stadtbahnen.

            • @AlexA:

              Nun, Stillstand ist in der repräsentativen Demokratie ja seit Jahrzehnten auch ohne Abstimmungen die Regel und wenn Abstimmungen den Gestaltungswillen von Politikern beeinträchtigen sollten, dann liegt das sicher nicht an den Abstimmungen ansich, sondern daran, dass da Politiker agieren, die sich fremdsteuern lassen.

  • "Es war ein Fehler, das Referendum zu diesem frühen Zeitpunkt abzuhalten."

     

    Einspruch! Es war ein Fehler das Referendum erst jetzt abzuhalten, nachdem schon reichlich Geld für diesen Olympia-Wahn verbrannt wurde. Dieses Geld fehlt jetzt für den sträflich vernachlässigten Breiten- und Schulsport.

    • @Rainer B.:

      Richtig. Meine Reden. Sportförderung findet sinnvoll in der breiten Basis statt zum gesundheitlichen und sozialen Profit von VIELEN.

    • @Rainer B.:

      Kein Wunder. Denn auch in HH fehlt (noch) direkte Kontrolle über öffentliches Wirtschaften, einschliesslich über öffentliche Finanzen. Denn auch in HH haben die Menschen (noch) keine vollen politischen Rechte.

       

      Im weiteren siehe auch:

      – mehr-demokratie.de

      ziemlich gut, auch wenn noch nicht alles, wie u.a.:

      – google.de/search?q=politische+rechte+schweiz

       

      Jeden dritten Monat in allen gemeinsamen Sachen abstimmen können, einschliesslich über öffentliche Finanzen tut gut. Und das ist bloss der Anfang von "Gemeinsames gemeinsam gestalten".

       

      Wobei Gemeinsam alles ist, auch dass man nicht in Kriege zieht.

      • @vjr:

        Technisch schon länger möglich, aber einfach nicht gewollt.

        • @Wu:

          Sage ich doch – (noch) keine vollen politischen Rechte.

  • Sehr guter Kommentar mit Blick nach vorn, ohne das Abstimmungsvolk für blöd zu halten und zu diffamieren, wie es anderswo vorgekaut wird.

    Sollten die Rot-grünen Akteure mal lesen.

  • Interessant, gut recherchiert, gut geschrieben – und dann, plötzlich: "...mit ordentlicher Bürgerbeteiligung und allem Chichi..."

    ...und der Bürgerentscheid selbst – ordentlich oder Chichi? ...Das ist nicht gut so:-(

     

    Beides, die noch nicht so echte Bürgerbeteiligung, und der noch nicht so ganz Bürger-/Volksentscheid sind ja Teile einer echten Beteiligung. Die noch nicht da ist, dafür aber schon in Entwicklung ...Und das ist gut so:-)

  • Nach der krachenden Niederlage der versammelten millionenschweren Propagandakompanie der Hamburger herrschenden Wirtschaftsclique und ihren angeschlossenen Politdarstellern im Rathaus sollte man über Konsequenzen nachdenken. Unserem kleinen König Olaf, der sich inzwischen schon 3 Niederlagen bei Volksabstimmungen in Hamburg eingefangen hat, könnte man die japanische Variante ehrenhaften Verhaltens nach einer solchen Niederlage nahelegen: Harakiri oder umstandsloser Rücktritt! Und auch unsere "grüne" Funktionärskaste im Rathaus, die sich GRÜNE SPIELE herbeifantasierten, die Kritik der Umweltverbände souverän ignorierten und sich im eklatanten Widerspruch zur Masse des GRÜNEN Wahlvolks bewegten, sollten mal ne Auszeit nehmen: Vor allem die zweite Bürgermeisterin Fegebank, die sich -wie ein 15jähriges Mädchen- vor Olympiabegeisterung kaum bremsen konnte, hat sich vollkommen diskreditiert. Ihr wäre mal eine längere Nachdenkpause in frischer Luft zu gönnen. "Que se vayan todos" war die Parole der argentinischen Volksbewegung gegenüber ihren korrupten Politikern: SIE SOLLEN ALLE GEHEN !

    • @Thea:

      Was war denn die dritte Niederlage ?

      Energienetze

      Olympia

      und ?

      • @Senza Parole:

        Ok-du hast Recht. Ich hab die Abstimmung über die 6jährige Primarschule mitgezählt...das war aber zur Zeit von Schwarz-Grün. Sorry.

    • @Thea:

      "Harakiri oder umstandsloser Rücktritt!"

      Oder Entsorgung als SPD-Kanzlerkandidat. Nur dann wird doch endgültig Schluss mit dem großen Elb-Napoleon sein.

      • @Rainer B.:

        Ob sie ihn jetzt noch als Kanzlerkandidat wollen ... ? ;-)

        • @Senza Parole:

          Wie wär's denn im Tandem mit Gabriel?

          Dann hätte man gleich zwei Klappen mit einer Fliege geschlagen.

          • @Rainer B.:

            Wie steht es denn dann mit der Frauenquote? POP Siggi im Röckchen ? Eine bezaubernde Idee !!