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Kommentar VorratsdatenspeicherungÜberwachung im Schnelldurchlauf

Kommentar von Svenja Bergt

Die Regierung hat in Windeseile einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ebenso schnell durchs Parlament soll. Bei solcher Eile leidet die Sorgfalt.

Beschleunigte Bewegung ist nicht immer zielführend. Bild: imago/Westend61

D ie Bundesregierung beweist gerade ein ganz besonderes Feingefühl für Timing: Ziemlich genau zwei Jahre nach den ersten Enthüllungen Edward Snowdens will sie einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung durchs Parlament bringen, noch vor der Sommerpause. Zum Jahrestag der Überwachungsdebatte gibt es also – noch etwas mehr Überwachung.

Bereits die Eile sollte misstrauisch machen. Nicht nur weil es um die permanente und anlasslose Überwachung und Speicherung der Kommunikationsdaten von 80 Millionen Menschen geht. Sondern weil Eile in der Regel eines verhindert: Sorgfalt. Doch genau diese wäre in einem Gesetzgebungsverfahren nötig. Etwa um zu verhindern, dass unbedachte Formulierungen ungeahnte Auswirkungen haben, wie erst kürzlich beim Entwurf zum Mautgesetz.

Und um Abgeordneten, Verbänden und Öffentlichkeit Zeit zu geben, das Gesetz zu lesen. Zu verstehen. Und auch die kleinen Fallen zu finden, die die Autoren zwischen Funkzellenabfrage, Speicherfristen und Datenverwendung versteckt haben.

Ein Beispiel? Es soll einen neuen Straftatbestand „Datenhehlerei“ geben, der prinzipiell dazu geeignet wäre, Whistleblower in Unternehmen sowie deren Unterstützer zu kriminalisieren. Auch das eine schöne Hommage an den Jahrestag, aber vielleicht fällt sie ja nur in die Kategorie „Gar nicht so gemeint“.

Kaum praktischer Nutzen

Sich Zeit zu nehmen wäre auch in einem anderen Punkt hilfreich: Denn ob das Vorhaben überhaupt verfassungsgemäß ist, ist nicht so eindeutig, wie es die zuständigen Ministerien gern darstellen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorratsdatenspeicherung, wenn auch in deutlich umfassenderer Form, schließlich schon einmal gekippt.

Weiter ging der Europäische Gerichtshof, der im vergangenen Jahr die entsprechende EU-Richtlinie verwarf. Und dass es keinen Beweis für bahnbrechende Ermittlungserfolge durch die Überwachungsmaßnahme gibt, ja eher Belege dafür, dass Strafverfolger trotz Vorratsdatenspeicherung im Dunkeln tappten, scheint auch noch nicht bei jedem Abgeordneten angekommen zu sein.

Genug Gründe also, sich in Ruhe mit den Plänen auseinanderzusetzen. Und sie lieber einmal mehr gegen die Einschränkung der Grundrechte abzuwägen. Denn diese Einschränkung ist das Einzige, was eine Vorratsdatenspeicherung in jedem Fall bringt.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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9 Kommentare

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  • "Denn diese Einschränkung ist das Einzige, was eine Vorratsdatenspeicherung in jedem Fall bringt."

     

    Dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wird der Parlament (mit einer absoluten Mehrheit) und auch der Bundesrat voraussichtlich zustimmen.

     

    Sollte einer Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht zugestimmt werden, so kann das Bundesverfassungsgericht zur Anpassung des Gesetzes anweisen.

     

    Damit soll gesagt werden, dass bei so einem wichtigen Gesetz die Sorgfalt die höchste Priorität haben sollte.

  • Unfassbar ...

    Und dann wird immer noch die DDR als "Überwachungsstaat" bezeichnet ...

     

    Das war wenigstens noch Handarbeit ...

    Geruchsproben in Honiggläsern ...

     

    Das ist Kinderka**** gegen die Möglichkeiten, die hier geschaffen werden ... (ohne die Dinge die insgesamt in dem System geschehen sind damit verharmlosen zu wollen!!!!)

     

    Und den Rest schaffen "wir" auch noch ...

     

    Abwarten ...

    Jede neue Stufe schafft neue Begehrlichkeiten ...

     

    Das ganze gepaart mit der Mautüberwachung, usw usw usw ...

     

    Mahlzeit.

  • Es geht um die umfassende Durchleuchtung des Bürgers. 1984!

    Heute gehen auch Meldungen über die Abschaffung des Bargeldes durch die Medien. Nein, natürlich noch nicht als konkretes Gesetzesvorhaben, aber der Boden wird vorbereitet.

    Mit dem Bargeld wird auch die Briefpost abgeschafft, alles muss digital-nachvollziehbar erfolgen. Und natürlich ist alles nur zu unserem Besten. So simple (wie falsche) Kausalitätsketten werden aufgestellt: Drogenhandel basiert auf Bargeld -> kein Bargeld= kein Drogenhandel! Wer also weiter Bargeld nutzen will, der ist ein Unterstützer der Drogenmafia!

    Und wer gegen Vorratsdatenspeicherung ist, der unterstützt Internetkriminalität!

     

    Für wie blöd halten DIE UNS denn?

  • In gewissen Kreisen gibt es nur eine Sache, die dort als Skandal empfunden wird, nämlich nicht die Lumperei selbst, sondern alleine der Umstand, wenn so etwas mal wieder auffliegt. Deshalb wird zwangsläufig jede Gesetzesänderung auch nur den Zweck verfolgen (wenn auch gut versteckt), derartiges Auffliegen zu unterbinden und unerbittlich gegen diejenigen vorzugehen, die dennoch petzen.

  • "Die Regierung hat in Windeseile..." Nein! Die Regierung hat nix. Dieses Gesetz, welches unsere Freitheit drastisch einschränkt, nützt der Abmahnindustrie. Wer das jetzt weit hergeholt findet, der sollte sich einfach mal kurz damit auseinadersetzen wer exakt die Nutznießer der VDS sind, wenn es denn gar keine Terrorverdächtige aufspürt?

  • "…Die Regierung hat in Windeseile einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ebenso schnell durchs Parlament soll. Bei solcher Eile leidet die Sorgfalt.…"

     

    Wie schon gesagt - gehts noch?

    Das - Wie - much all weesen!

     

    Aber das - Ob - gehört in den

    Öffentlichen politischen Diskurs!

    Zumal es ja entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung

    und Literatur a longmeter gibt.

     

    Allgemeines Ziel von GroKotz -

    das zeigen TTIP/CETA et al überdeutlich - ist es doch, solche demokratischen Prozesse mit allen Mitteln und Tricks

    zu unterbinden.

     

    Augenwischereien wie hier oder Wirtschaftsgerichte ala Siggi Plopp

    geißeln - thats the job de taz!

  • Hi,

     

    und wenn dass so ist:

    "Und dass es keinen Beweis für bahnbrechende Ermittlungserfolge durch die Überwachungsmaßnahme gibt, ja eher Belege dafür, dass Strafverfolger trotz Vorratsdatenspeicherung im Dunkeln tappten, ..."

     

    Die Polizei/der Staat(-steil) also nix davon hat; könnte es doch auch so sein, dass der Staat nix von dem hat, wovor alle(nich genug? zuviele?) soviel Angst haben/warnen?!

     

    Vielleicht kann das ja mal einer(Jornalist) verständlioch erklären?!

     

    Grüße

  • Noch besser, als "mehr Sorgfalt" für solch ein Gesetz zur VDS aufzuwenden, wäre es allerdings, gar nicht erst ein Gesetz zu machen, was totalitäre Geheimdienspraktiken legitimerte (ganz gleich, mit welchen momentanen Einschränkungen - so etwas läßt sich später leicht ändern).

    • @Albrecht Pohlmann:

      Das wäre doch die automatische Folge von mehr Sorgfalt: Gesetz bringt nichts als Grundrechtseinschränkungen ⇒ Gesetz verwerfen.