piwik no script img

Volker Beck über Grünen-Aufarbeitung„Meine Begründung war unsäglich“

Ein Gespräch mit dem Grünen Volker Beck über sein Verständnis von Politik und sein früheres Verhältnis zu den Pädophilen in seiner Partei.

Badende Grünwähler im Jahr 1984. Zwei Jahre später ist Volker Beck in die Partei eingetreten Bild: imago/Sven Simon
Nina Apin
Jan Feddersen
Interview von Nina Apin und Jan Feddersen

taz: Herr Beck, können Sie überhaupt noch erinnern, wann Ihre erste Begegnung mit dem grünen Milieu war?

Volker Beck: 1979 war das, bei einem Parteitag der „Grünen Aktion Zukunft“ in Böblingen. Da waren nur lauter Lebensschützer – thematisch furchtbar eng. Nicht das, was die Grünen später werden sollten, ökologisch, sozial, gewaltfrei, emanzipatorisch mit Ansprüchen von Feministinnen, Lesben und Schwulen, Bürgerrechtlern, sondern nur ein paar Ein-Punkte-Bewegungen. Vor lauter Schreck wählte ich 1979 bei der Europawahl die FDP.

FDP? Damals waren Sie 18, ist man in dem Alter nicht politisch radikaler?

Radikales gab’s damals sogar bei der FDP. In meinem Politikleistungskurs war der Chef der baden-württembergischen Jungdemokraten. Ich ging da nie hin, aber was man so hörte, war das intellektuell ansprechend und unangepasst. Die hatten sogar Marx-Lektürekreise! Das war ein ernstzunehmendes Angebot. Zudem gab es für einen Bürgerrechtler in Baden-Württemberg nicht viele linke Gruppen, schon gar nicht auf dem Land.

Wie fanden Sie schließlich in der grünen Bewegung Ihre Heimat?

Durch die unabhängige Friedensbewegung. Die war in meiner Region in zwei Bündnisse gespalten: auf der einen Seite die DKP und auf der anderen drei Stuttgarter Gruppen, zu denen ich gehörte. Wir machten Straßentheater, zogen zum Nato-Doppelbeschluss in Anzug und Krawatte herum und riefen: „Wir holen uns den Kaviar aus Moskau.“ Oder wir machten Die-ins.

dpa
Im Interview: Volker Beck

wurde 1960 in Stuttgart geboren. Seit 1994 sitzt er für die Grünen im Deutschen Bundestag. Er ist Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und menschenrechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen und Mitglied im Parteirat. Er insistiert auf die endgültige Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partner und ist kein Freund einer schwarz-grünen Koalition.

Wir fanden die SS 20 auch nicht friedlicher als die Pershings oder Cruise-Missiles. Wir lehnten die gesamte Logik der Aufrüstungspolitik ab. Das war der wesentliche Unterschied zum DKP-Flügel, der über die Druckerpressen verfügte. Das führte dazu, dass ich 1983 frustriert aufhörte, Politik zu machen. Ich merkte: Die anderen drücken uns in der Friedensbewegung mit ihrer Infrastruktur und mehr Geld ihre Politik auf.

So kamen Sie zu den Grünen?

Ja, ich wollte mich nicht mehr fremdbestimmen lassen. 1986 ging ich zu einem Neuentreff, eine Woche später war ich im Kreisvorstand. So begann meine Aktivität bei den Grünen. In der Abrüstungsfrage war klar, dass man die ganze Logik infrage stellt. Ob der eine den anderen 19- oder 20-mal auslöschen kann, ist doch ein absurder Wettbewerb.

Ins Heute gesprungen: Sind die Grünen nicht grotesk erfolgreich geworden? Konnten Sie das damals ahnen?

Es war damals offensichtlich, wie viele Diskurse und Anliegen das Parteienspektrum, das im Bundestag saß, nicht abgebildet hat. Dass so etwas wie Antiatomkraftpolitik und Energiewende mal mehrheitsfähig wird, war nicht absehbar. Meine ersten grünen Kampagnen waren „Tschernobyl ist überall!“ und der Volkszählungsboykott. „Wir gegen den Rest der Welt“. Diese Kampagnen waren identitätsbildend, das gab mir – und anderen – Kraft.

Für die Sozialdemokratie muss der Aufstieg der Grünen eine Zeit des großen Leidens gewesen sein.

Die SPD hatte einfach nicht begriffen, welche große Frage mit der Ökologie auftauchte. Der sozialdemokratische Impuls war, Wirtschaftswachstum und Verteilung des damit verbundenen Wohlstandszuwachses in gerechter Art und Weise zu organisieren. Dass dieses Wachstumsmodell Grenzen hat, konnten und wollten sie lange nicht begreifen. Sie dachten, ein bisschen Umweltschutz machen, das reicht.

Auf dem proletarischen Fuß war man noch nie besonders stark, oder? Die Grünen waren doch immer schon eine Mittelschichtspartei.

Es gab auch Leute wie Willi Hoss, kritische Leute aus der Gewerkschaftsbewegung. Die Grünen waren immer schon in Mitgliedschaft und Wählermilieus sehr plural. Viele sicher auch aus der Mittelschicht, aber immer mit der Haltung, wenn es mir gut geht, will ich auch, das andere anständig leben können.

Es gibt andere Parteien, die sich als noch pluraler inszenieren – wird es bei den Grünen langsam Zeit für eine neue Erzählung?

Die brauchen wir nicht: Die ökologische Frage ist drängender denn je. Auch wenn viele andere Umweltschutzpolitik machen: Wir machen ökologische Politik. Das ist viel umfassender, da geht es nicht nur um Reparatur, wir gehen das systemisch an. Über Internet und Digitalisierung haben wir übrigens schon diskutiert, bevor es die Piraten gab.

Haben sich die Grünen nicht gegenüber ihrem Anspruch als Antiparteienpartei ganz schön angepasst?

Es ist normal, dass mit dem Erfolg ein gewisses Maß an Integration in das parlamentarische System einhergeht. Wir haben früher so getan, als hätten wir ein zweites Demokratiemodell in der Tasche, nur das hatten wir gar nicht.

Da lagen frühe Grüne wie Rudolf Bahro oder Petra Kelly gar nicht so falsch mit ihren Prognosen: Die Grünen sind zu einer Partei geworden, die weder links noch rechts ist, sondern vorne.

Nein. Wir sind eine linke Partei, die viele Fragen aufgenommen und damit auch linke Politik neu interpretiert hat. Uns geht es nicht nur darum, die Probleme des kapitalistischen Systems durch Umverteilung auszugleichen. Uns geht es um Geschlechtergerechtigkeit und internationale Gerechtigkeit. Um Bildung und die Möglichkeit zur Partizipation durch Aufstieg. Auch ein Winfried Kretschmann, der vom Habitus her konservativ wirkt, macht in dem Sinne linke Politik.

Gerechtigkeit – ist das Ihr Lebensthema?

Was mich immer emotional und fachpolitisch umgetrieben hat, waren soziale Gerechtigkeit und die Bürgerrechtsfrage: Mit der Volkszählungsboykottkampagne 1986 fing das an, danach bin ich relativ schnell in die Schwulenpolitik eingestiegen. Weil es da kaum Leute gab, aber ungeheure Chancen. Die Partei war bereit, was zu machen, wenn es jemanden gab, der das eingefordert hat und konzeptionell entwickelte.

So’n Körnermüller waren Sie nie?

Ach, dieses Klischee. Daran, ob man Müsli zum Frühstück isst oder nicht, entscheidet sich keine ökologische Frage. Ich kriege auch keine Krise, wenn ich mal eine konventionelle Tomate essen muss, und esse gelegentlich Fleisch.

Sie haben in der Schwulen- und Lesbenpolitik Ihre Auffassungen verändert. Wie haben Sie diese inzwischen berühmte Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule, Päderasten und Transsexuelle, die BAG SchwuP, die bis 1987 bestand, wahrgenommen?

Ich war dort ein- oder zweimal als Gast, weil wir als Landesarbeitskreis Schwule Baden-Württemberg bei der Bundespartei beantragt haben, die BAG SchwuP aufzulösen. Solange der noch nicht durch war, wollten wir beobachten, was die da so treiben.

Warum wollten Sie die SchwuP auflösen?

Weil wir weder für die Aufhebung des kompletten Sexualstrafrechts noch für die Abschaffung der Paragrafen 174 und 176 im Strafgesetzbuch waren. Dass der sexuelle Missbrauch von Kleinkindern straffrei sein sollte, wäre uns nie in den Sinn gekommen! Gleichwohl war auch ich in jener Zeit in dem Irrtum gefangen, dass sexueller Missbrauch und manche pädophile Handlungen unterschiedliche Tatbestände seien.

Was wollten Sie damals generell?

Mein primäres Ziel war immer, den Paragraf 175 als Sonderstraftatbestand für Schwule abzuschaffen. Dagegen war das einzige Interesse der Mehrheit in der BAG SchwuP, den Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen zur Seite zu wischen. Doch dieses Ziel teilten wir ganz und gar nicht. 1984 kam die Aidskrise, diese absurde BAG aber interessierte nur ihr Pädo-Anliegen.

In Baden-Württemberg dachte man anders als Landesverbände etwa in NRW, Hamburg oder Berlin. Warum eigentlich?

Schon als ich zu den Grünen kam, waren diese Pädo-Positionen für mich abseitig. Man konnte ja nicht über diese strukturelle Differenz zwischen Erwachsenen und Kindern hinweggehen. Wie die anderen dazu kamen, die vor mir schon Schwulenpolitik machten, weiß ich nicht. Aber es ist mir ja schließlich gelungen, hier in der Grünen Schwulenpolitik für eine klare Zäsur und Abgrenzung gegenüber pädophilen Aktivisten zu sorgen.

Wie kam es, dass Pädo-Forderungen bei der Grünen-Gründung auftauchten?

Es gab ja in den 70ern den sozialistischen Flügel der Schwulenbewegung, der auf die Integration …

das Verschwinden …

… der Homosexuellen setzte, weil er noch andere Ziele im Sinn hatte. Und den feministischen Flügel, der die Sexualfrage zum Hauptwiderspruch erklären wollte, gab es auch. Die Pädo-Positionen waren vielleicht eine Art von Sicherheit für Schwulengruppen, dass man nicht integriert wurde. Die Lehre etwa aus dem nordrhein-westfälischen Grünen-Parteitag 1985 war, dass man mit den Pädos brechen musste.

Für mich war aber schon vorher die inhaltliche Ebene entscheidend: dass man, wenn man eine menschenrechtsorientierte Schwulenpolitik machen will, den Schutz von Kindern vor Missbrauch unterstützen muss. Das war ja nicht nur eine Frage von Realpolitik.

Wenn Sie damals so klar in Ihrer Ablehnung pro-pädophiler Positionen waren – wie kommt es, dass Sie noch 1987 einen Aufsatz für Angelo Leopardis Buch „Der pädosexuelle Komplex“ beisteuerten? Im Beitrag „Das Strafrecht ändern? Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexualpolitik“ plädierten Sie für eine Entkriminalisierung der Pädosexualität.

Man trat an mich so heran, dass das ein Diskussionsbuch sei. Wie einseitig das werden würde, wusste ich vorher nicht. Außerdem habe ich mich in meinem Beitrag – auch in seiner verfälschten Version – klar gegen die Forderung nach Abschaffung der Paragrafen 174 und 176 geäußert. Ich hielt nur deren Reform für möglich.

Selbst in der vom Herausgeber verfälschten Version stehen nur zwei Vorschläge zu Paragraf 176 StGB: eine Strafabsehensklausel, also die Möglichkeit für das Gericht, im Einzelfall bei geringfügigem Unrecht der Tat von einer Strafe abzusehen. Und ich habe die Frage nach einer Evaluierung der Schutzaltersgrenze gestellt. In Europa gab es damals verschiedene Altersgrenzen, von 12 bis 18 Jahren. Die Frage war falsch, und wie ich das damals begründet habe, war unsäglich und ein großer Fehler.

Was bewog Sie zum Umdenken?

Ich habe mich mit den Berichten von Organisationen wie „Wildwasser“ und „Zartbitter“ auseinandergesetzt, die Opfer von sexuellem Missbrauch beraten hatten. Die Berichte handelten von Missbrauchsopfern, die traumatisiert waren, auch wenn die Täter behauptet hatten, alles sei gewaltfrei und ohne Abhängigkeitsverhältnisse gewesen. Zuvor hatte man in einschlägigen Studien – etwa bei der Diskussion über die Ergebnisse der BKA-Studie von Baurmann – gemeint, dass es gewaltfreie Situationen geben kann, bei denen das Kind keinen Schaden nimmt.

Auch die Sexualwissenschaft hat das so rezipiert. Mir ist damals klar geworden, dass das nicht stimmt. Und dass man sagen muss: Im Zweifel für den Schutz. Und nicht, wie sonst im Strafrecht üblich, im Zweifel für die Freiheit. Da lag der zentrale Denkfehler, dem ich vor 26 Jahren, als ich den Aufsatz schrieb, aufsaß.

Was waren Ihre Konsequenzen aus dieser Erkenntnis?

1989 beschloss der kleine Parteitag der Grünen auf meinen Antrag, dass die Forderung nach Streichung des Sexualstrafrechts oder der Paragrafen 174 und 176, wie sie in Teilen der Schwulenbewegung diskutiert wurde, für die Grünen inakzeptabel ist. Damit war die Beschlusslage der Grünen klar, mit pädophilenfreundlichen Positionen hatten wir endgültig gebrochen. Dafür bekamen wir in der taz einen über die Rübe. Weil wir den „Zusammenhang mit den anderen Perversen, den Pädophilen“ aufgekündigt hätten.

Noch 1994 erntete der Schwulenverband, bei dem ich damals im Vorstand war, da Kritik: Wir sorgten mit dafür, dass die International Lesbian and Gay Association alle Organisationen, die Pädo-Gruppen haben, rausschmiss. Man kritisierte unsere vermeintliche Anpassung an den rechten Mainstream – und überging die Frage, um die es eigentlich ging: Ist der Schutz von Kindern vor Missbrauch durch Erwachsene nicht eine Menschenrechtsfrage?

In noch einem Punkt haben Sie radikal umgedacht: Früher waren Sie gegen die „bürgerliche“ Homo-Ehe. Jetzt gelten Sie als Vater der Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Woher der Sinneswandel?

Der Medizinjournalist Hans Halter, ansonsten ein Propagandist des bayerischen Maßnahmenkatalogs, forderte die Schwulenehe im Spiegel. Deshalb war ich erstmal dagegen. Denn dieser Katalog aus der CSU war für uns die Ankündigung, es könnte für uns Schwule wieder zurückgehen ins Jahr 1933. Da war von Lagern die Rede, von Erfassung. Im Hinblick auf die Homo-Ehe hat mir die Entscheidung des Folketings in Dänemark die Augen geöffnet.

Inwiefern?

Dass Ehe für Homosexuelle überhaupt eine denkbare Frage ist. Damals waren wir ja eine Antirepressionsbewegung. Wir kämpften gegen Rosa Listen, den Paragrafen 175 StGB und gegen den Aidsmaßnahmenkatalog der CSU. Wir waren keine Emanzipationsbewegung in dem Sinne, dass wir gleichberechtigte Bürger sein wollten. Die bürgerliche Ehe lehnten wir ab, weil das unserer Identität widersprach. Es war ein gedanklicher Emanzipationsschritt, zu sagen, wir trauen uns zu, mit dieser Möglichkeit so umzugehen, dass wir sie für uns nutzen, ohne uns anzupassen – oder sie eben nicht nutzen.

In Dänemark ging ja der Impuls von Schwulen und Lesben aus.

Ja, denen wurde nichts übergestülpt. Diesen Wunsch auch zuzulassen war ein Erkenntnisprozess. Inzwischen finde ich am schönsten den Gang zum Standesamt von Leuten, die mal gegen die Verpartnerung gekämpft haben.

Wenn Sie heute sehen, wie Homosexuelle in Russland per Gesetz verfolgt werden und welche Gewalt nach der Einführung der Homo-Ehe in Frankreich herrscht – bekommen Sie da den Eindruck: Das hört nie auf mit Homophobie?

Wenn man sich so lange mit Gleichberechtigung beschäftigt, weiß man, wie zäh das Ganze ist. In Russland war man gesellschaftlich noch nie weiter. Eher schockt mich, was wir im vergangenen Jahr von Unionspolitikern hörten: Ressentiments, von „bevölkerungspolitischen Blindgängern“ war die Rede – ich dachte, das hätten wir überwunden, zumindest im demokratischen Mainstream.

Meine Überzeugung war immer: Wenn man die Gleichberechtigung rechtspolitisch nicht verankert, kann es auch wieder rückwärts gehen mit der Liberalität. Wer Ungleichheit akzeptiert, hat auch kein Argument gegen Gewalt und Ausgrenzung. Deshalb insistiere ich so auf der Öffnung der Ehe. Weil das amtliche Siegel signalisiert: Schwule, Lesben und Heteros sind Bürger und Bürgerinnen auf gleicher Augenhöhe.

Macht Sie das bisher Erreichte glücklich?

Ja. Was wurden wir aus der Bewegung verdroschen, von wegen: Jetzt machen wir die gleichen Pflichten, aber die Rechte fehlen … Ich hatte immer den Plan im Hinterkopf, entweder kriegen wir unsere Rechte parlamentarisch oder vor Gericht Stück für Stück. Die Verfassungsgerichtsurteile, die man erstritten hat – mehr kann sich ein Politiker nicht wünschen, wenn er merkt, dass er was verändert durch seine Argumentation.

Wäre Ihr politisches Lebenswerk vollendet mit einer schwarz-grünen Koalition und einer Integration gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in Artikel 6 des Grundgesetzes, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt?

Der Pädophilen-Vorwurf

1988 schrieb Volker Beck einen Aufsatz in dem Buch „Der pädosexuelle Komplex“. Darin sprach er vom „Kampf für die zumindest teilweise Entkriminalisierung der Pädosexualität“. Beck wurde dafür scharf kritisiert, unter anderem forderte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt seinen Rücktritt als Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion.

Beck hatte sich schon vor Jahren von seinen damaligen Aussagen distanziert und sprach von einem Irrtum, den er später korrigiert habe. Zugleich führte Beck stets an, dass der Herausgeber des Sammelbandes seinen Aufsatz gegen seinen Willen redigierte, um ihn „pädophilenfreundlicher“ zu machen. Sein Originalmanuskript von damals sei leider nicht mehr auffindbar.

taz am Wochenende

Mit der TV-Debatte am Sonntag beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Ulrich Schulte und Anja Maier stellen ein Paar vor, das ungleicher nicht sein könnte. Den Kandidaten-Check lesen Sie in der taz.am wochenende vom 31. August/1. September 2013 . Darin außerdem: Was ist konservativ? Auf der Suche nach einer politischen Strömung, die zum Rinnsal geworden ist. Und: Soll man anonyme Kommentare im Netz verbieten? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Das wird nicht passieren. Die Idee von Schwarz-Grün fantasiert eine Union, die es nicht gibt.

Das hätte man zur Homofrage auch sagen können vor 30 Jahren.

Die Union hat zu dieser Frage keinen einzigen Schritt aus eigenem Antrieb gemacht, alles war von Karlsruhe vorgeschrieben. Jene Journalisten, die Schwarz-Grün wollen, sollen sagen, was da ginge. Steuerpolitik – Schnittmenge null. Auch in gesellschaftspolitischen Fragen ist da nichts möglich – etwa bei der Streichung des Verbots der doppelten Staatsbürgerschaft. Bei der letzten Debatte im Bundestag gab es richtig türkenfeindliche Beiträge von Unionspolitikern. Mich lockt gar nichts an Schwarz-Grün. Da mag die Kanzlerin noch so prinzipienlos sein.

Vermissen Sie eigentlich schon den CSU-Politiker Norbert Geis – einen erbitterten Gegner der schwulen Gleichberechtigung?

Norbert Geis gehört eigentlich das Bundesverdienstkreuz verliehen für seine Verdienste um die Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Um das Jahr 1992 war die Debatte so neu, dass die Leute sagten, keine Ahnung, was der Beck da so will. Aber dass der Geis unrecht hat, da bin ich mir sicher. Es hat uns geholfen mit seinen schrillen Parolen, die Lebensrealitäten einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollten.

Ich habe immer versucht, Empathiebündnisse dafür zu schmieden, dass es mehr gibt als die Ehe: Alleinerziehende, nichteheliche Familien, Schwule, Lesben. Das hat uns irgendwann auch hegemonial gemacht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

30 Kommentare

 / 
  • Das ist völliger Quatsch.

    Der Artikel des Christian Füller entsprach viel eher den Qualitätsstandarts eines kritischen Journalismus, als dieses weichgespülte Interview.

    Daß es vor der Wahl aus dem Parteiorgan der Grünen rausgekegelt wurde ist zu durchsichtig, aber passt zu dem grünen Parteiorgan taz.

    Womöglich könnte ein Grün-kritischer Beitrag dieser Partei ja schaden, und schlimm, schlimm, sogar Wählerstimmen kosten...

  • A
    Arne

    Meine Güte, widerlicher geht es ja kaum noch. Ich bin ja schon immer skeptisch, wenn Menschen vorgestellt werden, bei denen nicht das kleinste Wort zu ihrem Lebensweg vor der Politik steht und man erst bei Wiki nachgucken muss, um zu erfahren, dass es sich um irgendwen "Berufsschwules" handeln muss, der über den Minderheitenfaktor in die Politik kam und dort blieb.

    Man hätte Beck so schön fragen können, wieso er meint, dass man auf serbische und afghanische Kinder auch mal Bomben werfen darf, während DEUTSCHE Kinder natürlich geschützt gehören. Welcher Rassismus spricht aus diesem Menschen? Und wer bei dem Schutz von Kindern vor Übergriffen nicht den Machtfaktor berücksichtigt, der hat eh nix kapiert. Z.B. die Macht, die Herr Beck hatte und ausnutzte, dass heute viel mehr Kinder als vor seiner Regierungsbeteiligung in den Ghettos leben dank seinem HartzIV-Gesetz. Heute leben selbst alleinerziehdne Mütter, die einen normalen Beruf erlernt haben (im Gegensatz zu Herrn Beck) in Deutschland in Quatieren, wo sie sofort in Kontakt kommen mit Menschen, die sie als Freiwild für Pädos betrachten.

    Widerlich diese Inkonsequenz und widerlich diese schleimige Fragerei, die alle kritischen Punkte ausspart.

    Beck gehört mit Westerwelle, von Beust und Wowereit zu der Gruppe, die in der Öffentlichkeit immer mehr Verständnis für antischwule Positionen hervorrufen.

    Naja, aber wenigstens ein gutes hat das Interview. Meine Skepsis, ob ich beim Linkspartei wählen bleibe, ist geringer geworden.

  • Rechtzeitig vor der Wahl bekommt Beck in der taz, der Hauspostille der Grünen, die Gelegenheit die Unschuld vom Lande zu mimen.

    Dem steht nur leider seine mangelhafte Glaubwürdigkeit im Wege.

     

    Daß kritische Berichterstattung durchaus möglich ist, zeigt der Focus mit dem Kommentar von Wolfsohn:

     

    „Wie grün-rote Medien die Debatte um Kindesmissbrauch bei den Grünen weichspülen“:

     

    http://www.focus.de/politik/gastkolumnen/wolffsohn/focus-online-gastkommentar-wie-gruen-rote-medien-die-debatte-um-kindesmissbrauch-bei-den-gruenen-weichspuelen_aid_1058775.html

    • A
      Andi
      @Rosa:

      Ha! "Kritische Berichterstattung" im Focus. Du meinst wohl eher Grünen- und Linkenbashing aus Prinzip.

  • G
    Gast

    Die Grünen sind nicht vorn. Sie sind überholt. Bemerkenswert ist, dass Beck als Sprecher für Menschenrechte nicht den Rücktritt von Cohn-Bendit fordert. Woraus man bei Nichtgrünen eine Hetzjagd gemacht hätte wird hier weich gespült.

     

    Die Grünen sind bei sich selbst und ihren Phantasien sehr liberal und geben sich einen Freibrief, der ihnen Schuldunfähigkeit zusichert.

     

    Ansonsten stellen sie alle unter Generalverdacht, rassistisch oder fremdenfeindlich zu sein. Sie haben so ihr eigenes Ermächtigungsgesetz geschaffen.

  • M
    Melete

    Gerne hätte man auch erfahren, wie sich Beck als einer der Initiatoren (und ständiger Verteidiger) des Prostitutionsgesetzes zu den Entwicklungen äußert, die durch dieses Gesetz in Gang gekommen sind.

     

    Muss Beck sich später vielleicht zu seinen (heute noch vehement verteidigten) Positionen hierzu ähnlich äußern wie zu seiner damaligen Haltung zum Kindesmissbrauch?

     

    Mit diesem Gesetz hat man denjenigen, die an der Prostitution anderer verdienen, den roten Teppich ausgelegt. Die Lage der Prostituierten selber hat sich verschlechtert, die Preise für den Verkauf des eigenen Körpers sinken permanent. Der Schutz durch den Staat wird geringer, weil man den Behörden Kontrollrechte genommen hat. Wer aus Osteuropa kommt, wegen Suchtproblemen Beschaffungsdruck hat, von Zuhälterkartellen eingeschüchtert wird, der ist letztlich auch durch eine "strukturelle Differenz" nicht unbedingt in der Lage, sich hier als freier selbstbestimmter Mensch zu behaupten. Dass sich Beck bei Diskussionen gerne auf die offiziellen Zahlen der rechtsgültigen Gerichtsurteile wegen Zwangsprostitution zurückzieht, spricht anhand der großen Dunkelziffer ja schon Bände. Zumal Zuhälter durch die Legalisierung eine wesentlich bessere rechtliche Position haben als früher, weil sie jetzt einen Teil ihrer Tätigkeit legal in aller Öffentlichkeit ausüben können. Um den hochkriminellen Anteil unter der Decke zu halten, dafür hat man Milieu genug kriminelle Energie und man hat Opfer, die sich kaum wehren können.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Melete:

      Eine repressive Drogenpolitik soll also eine repressive Sexualpolitik legitimieren?

  • J
    joey

    Kommentar wurde gelöscht. Bitte vermeiden Sie Beleidigungen.

  • M
    Malte

    "Es war damals offensichtlich, wie viele Diskurse und Anliegen das Parteienspektrum, das im Bundestag saß, nicht abgebildet hat."

     

    Ein äusserst interessanter Satz. Der hatte damals, bei Schmidt's SPD, der FDP und der Kohl/Strauss Union sicher ebenso seine Berechtigung, wie er heute seine Berechtigung bei Linken, Grünen, SPD, FDP und Merkel's Union hat.

  • B
    bonker

    Beck der sich offensiv zum Freundeskreis der Proktologie bekennt, betrachtet sich als Avangarde - die Zukunft ist grün und schwul - auf ins Regenbogenland.

  • O
    Ole-Lakshmi

    Füllers Gang nach Canossa

     

    Naja, auch er braucht Aufträge.

  • S
    Schnarch

    Genau, nette Inszenierung zur Wahl.

    Die Grünen sind nur noch zum Gähnen.

    Sie leben wie der Rest der Gesellschaft auf Kosten der Jungen.

    Da kommt nichts Neues mehr.

     

    Das neue kommt nicht von irgendeiner Partei sondern von Selbstdenkern.

     

    Good-bye, Grüne. Viel Spaß im Altersheim.

  • Man kann sich schon fragen, was geschlechtsreifen Jugendlichen mehr schadet, wenn sie sich in Ältere verleiben. Wenn es tatsächlich zu sexuellen Handlungen kommt oder die paranoide Reaktion der Umwelt? Vielleicht auch beides gleichermaßen?

    • RN
      Ruhe nach dem Sturm
      @vulkansturm:

      Sehr treffend, diese Wortschöpfung "verleiben" - trifft gewissermaßen den Nagel auf den Kopf. Freudschen Verschreibern wohnt oft ein hohes kreatives Potential inne.

  • L
    Lothar

    Ich habe auch schon mehrmals die Grünen gewählt: Früher aus Überzeugung, aus Sympathie und aus Umweltbewusstsein.

     

    Erst als meine Tochter nach einem Stipendium suchte, sah ich bei den Grünen, wie gnadenlos elitär sich jene darstellen und nichts für Normale mit außergewöhnlichem Abi tun.

     

    Zudem kann ich es nicht mehr hören von einem Vorzeige-Menschen wie Herrn Özdemir, dass Multilkulti immer noch machbar ist und so viele hier weiter aufgenommen werden können.

     

    Und immer wieder die Forderungen Minderheiten ganz besonders zu erwähnen oder zu betrachten:

    MInderheiten sind deshalb solche, da sie nur aus wenigen bestehen.

     

    Und dann diese Abgründige an Phädophilfreiheit und Phädophiltheoretikern...es ist unerträglich, wenn man Menschen kennt, die als Kinder/Jugendliche missbraucht wurden und bis heute darunter leiden.

     

    Und genau wie in allen anderen Parteien immer die gleichen langweiligen Menschen und Thesen.

     

    Die Grünen sind schon lange nur noch ein Haufen Elitärer und sehnen sich so danach, wieder Mehrheitsbeschaffter zu werden.

     

    Inakzeptabel!

    Einfach genug und unten durch!

  • B
    Biertrinker

    Beck, Beck's, Bier...

     

    Nach 6 Flaschen fange ich Beck zu trinken...

     

    Bleibe aber lieber bei der AfD.

  • UD
    UND DU?!

    Ach, der Schwabe Volker Beck, da muß ich gleich auf Stand By gehen...

     

    Tut mit so Leid...

     

    Die Grünen sind für UNS nicht mehr wählbar!

     

    UND DU!?

  • N
    Nachdenker

    "Wir sind eine linke Partei" Das kann man unterstreichen. Schließlich fanden sich mit Joscha Schmierer Pol Pot-Fans bei den Grünen ein. Die Anzahl der Anhänger Maos (80 Mio Tote) ist sicher auch überdurchschnittlich, zumal Fritz Kuhn ja auch heute noch die Mao-Bibel schwenkt. Bock´s Pädo-Position läßt sich in "Der Pädo-Sexuelle Komplex" nachlesen. Da hat Herr Beck offenbar ein Gedächnisproblem.

  • P
    Persilschein

    Na endlich ist der Persilschein da. Pünklich zur Wahl. Homestory inklusive. Jetzt werde ich AfD wählen. Die grünen haben dann mehr zeit sich mit den Opfern ihrer Politik zu beschäftigen. Becks Lügen kann man online nachlesen, da wo Journalismus wenigstens versucht wird.

    • H
      Hantilles
      @Persilschein:

      Mit den Opfern welcher Politik?

       

      Sie meinen Menschen die unter Hartz4 noch immer leiden?

       

      Kritik darf hart und polemisch, aber zu versuchen, sexuellen Missbrauch einer ganzen Partei anzuhängen, da wird mir dann doch schlecht.

  • Ich mag Herrn Beck ansich überhaupt nicht, aber das Interview ist ok, man könnte auch sagen - geschickt. Wenn er sich jetzt noch einsetzen würde für die Opfer, wäre es perfekt (aber das ist dann wohl doch das Thema Empathie, das Herr Füller meinte).

    • N
      Nachdenker
      @Claudia Cometh:

      Wieso sollte er? Haben die Grünen nicht gehöhnt, es habe sich noch kein Opfer gemeldet?

  • HH
    H. Hirschberg

    Wie jetzt, ihr lasst euren Autor Christian Füller zu dem Thema nichts Kritisches über die Grünen schreiben (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/gruene-und-paedophile-taz-chefin-in-erklaerungsnot-12544077.html), gebt aber dem Grünen Volker Beck, dessen Rolle damals, als die Grünen Straffreiheit für Pädos forderten, mindestens fragwürdig ist, so viel Platz zur Selbstdarstellung?

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @H. Hirschberg:

      Der Artikel des Christian Füller entsprach, im Gegensatz zu diesem Interview, nicht dem Qualitätsstandard der taz.

  • GW
    grüne Wahrheit

    "Man konnte ja nicht über diese strukturelle Differenz zwischen Erwachsenen und Kindern hinweggehen."

     

    WAS IST DAS FÜR EINE SPRACHE? wer solche holzkasperlesätze absondert, dem glaube ich auch sonst nix.

    • @grüne Wahrheit:

      Es ist die Sprache eines gebildeten Menschen.

      • @Fawkrin:

        Schön wärs. Es ist vielmehr ein pseudo- intellektuelles Geschwafel eines Selbstverliebten.

        Genau wie in der Überschrift. Statt zu sagen:

         

        „Meine Begründung war total dumm“, versucht er mit „unsäglich“ zu relativieren.

  • B
    bonker

    "Die Grünen sind eine Partei geworden,die weder links noch rechts steht, sondern vorne."

    Gerade wenn man vorne steht, muß man darauf achten , was von hinten kommt.

    • @bonker:

      Schon Helmut Kohl sagte, es komme nur darauf an was hinten raus kommt.

      • @Fawkrin:

        Wieder nix kapiert? Bonker meinte, was von hinten reinkommt...