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Flüchtlinge aus LampedusaSenat gibt keine Garantien

Der Protest gegen das Bleiberecht für die Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg hält weiter an und der Senat stellt Duldung während des Antragsverfahrens in Aussicht.

Vielleicht wird sein "Einzelschicksal" geprüft: Lampedusa-Flüchtling in Hamburg. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Protest fand im Saale statt. Plakate mit dem Slogan „Humanität heißt Bleiberecht“ hielten die acht Abgeordneten der Linkspartei in der Hamburger Bürgerschaft am Mittwochnachmittag in die Höhe. Grund war die Rede des Innensenators Michael Neumann (SPD) zum Schicksal der Lampedusa-Flüchtlinge, in der er keinerlei Garantien für ein Bleiberecht abgegeben hatte.

Es gebe „das Angebot einer fairen Prüfung der Einzelschicksale“, sagte Neumann.Voraussetzung dafür aber sei unverändert, dass die in der St.-Pauli-Kirche lebenden Flüchtlinge ihre Identität preisgäben. „Wer sich meldet“, sagte Neumann, „ist nicht mehr illegal, verbessert sich rechtlich und erhält einen Aufenthaltsstatus.“ Der Senat prüfe rechtsstaatlich, das Ergebnis aber sei offen. Das war nicht gerade der „grundlegende Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik“, den zuvor die linke Abgeordnete Christiane Schneider vom SPD-Senat gefordert hatte.

Vor dem Rathaus hatten rund 60 Personen für die Lampedusa Flüchtlinge demonstriert und ein Transparent aufgestellt. „Stoppt die rassischen Kontrollen“, wurde skandiert. Polizeieinheiten drängten die Protestler ab und erteilte ihnen unter dem Hinweis auf die Bannmeile einen Platzverweis.

Am Dienstag hatte sich die Bischöfin der evangelischen Nordkirche, Kirsten Fehrs, für Einzelfallprüfungen ausgesprochen. Momentan seien die Flüchtlinge noch sehr verunsichert. „Damit sie sich auf Einzelfallprüfungen einlassen können – wozu meiner Einschätzung nach durchaus Bereitschaft vorhanden ist – müssen sie darauf vertrauen, dass ihre Fälle sorgfältig und genau geprüft werden“, sagte Fehrs.

Das könnten sie auch, versicherten Neumann und auch SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. „Wir wollen Brücken bauen für eine rechtsstaatliche Lösung“, sagte Dressel, und dafür alle politischen Möglichkeiten einsetzen. Dann müssten aber auch die rechtlichen Spielräume genutzt werden, forderte die grüne Abgeordnete Antje Möller: „Ein humanitäres Bleiberecht für diese Gruppe ist möglich“, sagte sie. Es müsse nur politisch gewollt sein.

Der Senat versucht, den Konflikt zu deeskalieren, indem er den Flüchtlingen eine Duldung während des Antrags- und Widerspruchsverfahrens in Aussicht stellt. Das ist rechtlich eigentlich eine Selbstverständlichkeit, in Hamburg aber nicht Praxis. Außerdem hat sich die Stadt als vertrauensbildende Maßnahme mit der Kirche auf eine Feuerpause verständigt. Bis Donnerstag soll es keine weiteren Polizeikontrollen geben.

Mit den Kontrollen, die anhaltende Proteste auslösten, hatte die Stadt seit fast zwei Wochen versucht, die 300 Flüchtlinge aufzuspüren. Aktuell ist es ein Hauptanliegen der Flüchtlinge, dass die Kontrollen aufhören. Man brauche mehr Zeit, um zu schauen, wie es weitergeht, sagt ein Sprecher der Gruppe der taz. Aus Behördenkreisen heißt es, man habe Verständnis für den Beratungsbedarf.

Mit Interesse blicken viele heute am Donnerstag auf die rot-grün dominierte Bezirksversammlung Altona. Die CDU hat einen Antrag gestellt, der Nordkirche das Aufstellen von 35 beheizten Containern „ohne Auflagen“ zu erlauben, damit die Flüchtlinge unbeschadet überwintern können. Der SPD-Senat verlangt von der Kirche, die Namen der Männer der Ausländerbehörde zu melden. Eine Prüfung im Bauausschuss erkannte dafür keine Rechtsgrundlage.

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10 Kommentare

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  • DG
    Der gute Ton

    Wo ist das Problem? Die sogenannten Asylsuchenden haben doch sicherlich Mobiltelefone mit denen sie in ihre Heimatländer anrufen. Ein kurzes Telefonat mit der NSA und man hätte die wahre Identität der Asylsuchenden. War nur so ein Vorschlag.

  • Ich glaube es müsste heißen:

    Der Protest FÜR das Bleiberecht.

    Es kann natürlich auch um eine höher gestufte Aufenthaltsberechtigung gehen, aber hier geht es erst einmal um die Regularisierung auf "irregulärem" Wege eingetroffener Geflüchteter - die gerne ihr Einkommen zum Leben für sich und ihre Familien selbst erarbeiten würden.

    Richtig bezahlte Arbeiten für alle!

    • S
      Steffi
      @nzuli sana:

      Und wo sollen sie arbeiten ohne einen Asylantrag gestellt zu haben und ohne Deutschkenntnisse?

  • D
    D.J.

    Wenn ich mit Wählern der Linkspartei spreche, merke ich mit Erstaunen, dass sie zumeist die No-Border-Utopien dieser Partei ebenso spinnert finden wie die meisten anderen auch. oder aber sie wissen darüber nichts.

    Im Übrigen wissen die Linksparteifunktionäre ebenso, dass Sozialstaat und No Border nicht zusammengehen können. Ich bin daher gewiss, dass sie, falls an der Macht, die Politik nicht oder kaum verändern würden (kleine Fußnote: Die DDR hatte eine unfassbar repressive Ausländerpolitik).

    • J
      J.D.
      @D.J.:

      @D.J.:

      "Ich bin daher gewiss, dass sie, falls an der Macht, die Politik nicht oder kaum verändern würden"

       

      Na, dann ist das doch genau Deine Partei, total wählbar für Dich- sofern Du Recht hast...

  • S
    Steffi

    Natürlich gibt es keine Garantie, bevor nicht alle Fakten auf dem Tisch sind. So laufen die Verfahren bei Asylbewerbern ab.

    • WT
      Warum tue ich mir das eigentlich an?
      @Steffi:

      @Steffi:

       

      Es gibt andere Möglichkeiten, die wurden gerade in der Taz, aber auch an aderer Stelle schon hinreichend erörtert. Genauso wie die Gründe, warum die Flüchtlinge ihre Identität nicht preisgeben wollen.

      Aber wenn man sich wie Du ausschließlich in der Kommentarspalte rumtreibt, bekommt man sowas natürlich nicht mit...

      • S
        Steffi
        @Warum tue ich mir das eigentlich an?:

        Jau, ich treibe mich nur rum.

        Du weisst es genau, ebenso wie Du weisst, welche Möglichkeiten nach Recht und Gesetz für illegale Einwanderer zutreffen.

    • J
      Jakob
      @Steffi:

      Es handelt sich hierbei aber nicht um Asylverfahren, da die meisten der Flüchtlinge schon in Italien Asyl erhalten haben. Es geht hier um ein Bleiberecht aus humanitären Gründen, da sie von den italienischen Behörden vertrieben wurden.

      • S
        Steffi
        @Jakob:

        Woher wollen Sie das denn wissen? Ist es nicht eher vielleicht so, dass Asylanträge gestellt und abgelehnt wurden? Oder dass die Verfahren noch laufen?

        Warum sollten Menschen aus sicheren Staaten hier ein Bleiberecht bekommen? Worauf begründet sich das? Weil sie aus Italen "vertrieben" wurden?

        Italien hat zugesichert, dass die Afrikaner nach Dublin 2 wieder zurückkönnen.