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Gernot Erler über die Krim-Krise„Russland isoliert sich selbst“

Der Kreml hat die Reaktion des Westens auf sein Vorgehen in der Ukraine unterschätzt, sagt der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler.

Gernot Erler: „Wenn wir deeskalieren wollen, müssen wir jedoch wissen, was Russland will.“ Der Ball liegt auf Putins Seite. Bild: dpa
Klaus-Helge Donath
Interview von Klaus-Helge Donath

taz: Herr Erler, Sie gehörten bislang zu den Dolmetschern Russlands in Deutschland. Ist das solide Fundament der bilateralen Beziehungen in eine Schieflage geraten?

Gernot Erler: Beide Seiten haben über Jahrzehnte wechselseitige Abhängigkeiten aufgebaut, die auf Vertrauen basierten. Da gibt es viel zu verlieren. Wir wollen Russland nicht isolieren, es muss aber verstehen, dass es sich mit seinem Vorgehen selbst isoliert. Wir können nicht mehr mit jemandem Politik treiben wie bisher, der im 21. Jahrhundert mit Gewalt Grenzen verschiebt und gegen Völkerrecht verstößt.

Wurde die Reaktion des Westens auf die Krimkrise in Moskau unterschätzt?

Ich habe den Eindruck, dass der EU keine gemeinsame Position zugetraut wurde. Vielleicht noch bei den ersten beiden Sanktionsstufen. Spätestens bei den wirtschaftlichen Sanktionen würde diese Gemeinsamkeit jedoch auseinanderbrechen. Sie bedeuten schließlich, Selbstbeschädigung. Ich habe den Gesprächspartnern klarzumachen versucht, dass sie einer Fehleinschätzung aufsitzen. Auch die deutsche Wirtschaft ist bereit, wenn es um die Wahrung internationalen Rechts geht, eigene Interessen zurückzustellen. Mag das auch schmerzhaft sein. Das in aller Deutlichkeit zu vermitteln, war mein politisches Ziel.

Hatten Sie den Eindruck, dass Ihre offiziellen Gesprächspartner sich ihres Weges in die Selbstisolation bewusst sind?

Nein, im Moment ist überhaupt kein Gefühl dafür vorhanden. Die ersten Maßnahmen und Sanktionen sind als Botschaft noch nicht angekommen. All das versinkt in einem nationalen Überschwang gegenüber der „heiligen Krim“ und in anderen pathetischen Floskeln. Unter diesem Dach werden die Risiken der russischen Politik nicht realistisch eingeschätzt.

Folgt der Einmarsch in der Ukraine nicht auch innenpolitischen Motiven Russlands?

Was ich jetzt sage, hat mit meinem Mandat nichts zu tun. Für Russland ist der Maidan eine Provokation, weil er für einen erfolgreichen Regimewechsel von unten steht. Wir erinnern uns noch, wie betroffen Russland auf die farbigen Revolutionen in Georgien, der Ukraine 2004 und Kirgisien reagierte. Dass das jetzt beim Nachbarn wieder passiert, hat den damaligen Schock verschärft. Die Versuche sind offensichtlich, dass Russland den Erfolg eines Regimewechsels auf jeden Fall verhindern will. Der Ukraine wird gezeigt, dass das Vorhaben zu keinem glücklichen Ende führt. Die erste Reaktion war die Krim, aber es geht weiter. Überdies wird das von einer Polemik in den Medien flankiert, die einseitig mit Übertreibungen arbeitet, um den Wechsel zu blockieren. Ein anderes Motiv ist die Eurasische Union, für die Moskau die Ukraine offenhalten will.

dpa
Im Interview: Gernot Erler

69, ist Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-russische Zusammenarbeit. In dieser Woche reiste der SPD-Politiker zu zweitägigen Gesprächen nach Moskau - der erste Russlandbesuch eines deutschen Regierungsmitglieds seit Beginn der Krimkrise.

Schließen Sie eine militärische Lösung aus?

Ich bin optimistisch, dass es zu keiner militärischen Lösung kommt. Wenn wir deeskalieren wollen, müssen wir jedoch wissen, was Russland will. Wird es davon Abstand nehmen, anderswo ein Krim-Szenario zu entfalten? Ein kleiner Erfolg ist, dass die Verteidigungsminister der beiden Länder Kontakt aufgenommen haben.

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10 Kommentare

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  • "Die ersten Maßnahmen und Sanktionen sind als Botschaft noch nicht angekommen."

     

    Richtig. Wir haben noch nicht ganz verstanden, was diese Sanktionen bedeuten: Sanctions on Russia's Energy Sector: Shale Gas 'Fracking' Will Invade Europe? http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140328090 Fracking. Was bisher vor allem in den USA und Kanada groß hetrieben wird, wird auch in Europa vorangetrieben mit dem Argument, man müsse unabhängig vom russischen Gas werden. Und dank TTIP werden wir Exxon & Co. Schadensersatz zahlen, wenn wir sie nicht die Umwelt versauen lassen.

     

    "Auch die deutsche Wirtschaft ist bereit, wenn es um die Wahrung internationalen Rechts geht, eigene Interessen zurückzustellen."

     

    Klar. Just, als Obama in Brüssel die Geschichtsschreibung revidierte, waren sie in Moskau: German Industry Goes To See Uncle Putin http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140327000 - In welcher Welt lebt der Mann? Wenn er will, dass die Industrie etwas tut, muss er mit Profiten locken.

     

    "Die Versuche sind offensichtlich, dass Russland den Erfolg eines Regimewechsels auf jeden Fall verhindern will. Der Ukraine wird gezeigt, dass das Vorhaben zu keinem glücklichen Ende führt."

     

    Dafür sorgen IMF und EU mit ihrem Spardiktat. Dem hat das demokratisch legitimierte Parlament von Banderastan heute zugestimmt - im zweiten Anlauf.

     

    "Überdies wird das von einer Polemik in den Medien flankiert, die einseitig mit Übertreibungen arbeitet, um den Wechsel zu blockieren."

     

    Er meint sicher die bösen Medien, die über Faschisten in Banderastan berichten. Die taz interviewt lieber naive Schlagersternchen. Andere berichten tatsächlich, daß die Polizeiaufgaben in Banderastan von den bewaffneten Faschisten von Pravy Sector und C14 übernaommen worden seien: Swede Patrols Ukraine's Streets with Right-wing Paramilitaries http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140328000 - das kann natürlich nur russische Propaganda sein. :D

     

    [bTW: Vorheriger Post war unbeabsichtigt, sorry]

  • Mir wird schlecht, wenn ich Politiker reden höre, die in Serbien "mit Gewalt Grenzen verschiebt und gegen Völkerrecht verstößt" bzw verschoben hat und gegen das Völkerrecht verstoßen hat.

     

    Ansonsten sinnloses Palaver. Die deutsche Wirtschaft weiß, warum Gauweiler der bestverdienende Abgeordnete ist und der weiß, warum er gegen jegliche Auslandseinsätze und Kriegstreiberei ist. Das deutsche Kapital hat sich eh schon lange in russische Betriebe eingekauft und macht den Handel dann eben ohne Beteiligung der deutschen Betriebe. Leiden werden unter wirtschaftlichen Sanktionen nur die Arbeitnehmer hier.

     

    Immerhin:

    Im letzten Abschnitt rudert er ja zurück. Letztendlich sagt er, dass das mit der Krim okay ist, das ist akzeptiert. Man will nur noch ein bisschen Show machen, damit Rußland nicht der EU auch noch die industriell aktive Ostukraine wegschnappt und sich die EU nur noch mit den Banderas aus dem unterentwickelten Westen der Ukraine rumärgern muss.

    • @Åge Krüger:

      Sorry, für das falsche Subjekt im ersten Satz. Sollte heißen: "... wenn ich EINEN Politiker reden höre, DER ..."

       

      Doch zu schnell abgeschickt.

  • Da steh ich nun, ich armer Tor......

  • PH
    Peter Haller

    "...erfolgreichen Regimewechsel von unten (steht)" !!

    Was ist da "erfolgreich" ??

    Es ist schon erstaunlich, über welches politisches "Spitzenpersonal" Deutschland verfügt.

    Üm solch ein Gelaber abzugeben muss man kein "Russlandbeauftragter der Bundesregierung" sein und um solch ein Interview zu führen kein "Auslandskorrespondent Russland" !! Was geht hier bloss ab, im Land der Dichter und der Denker ??

  • Ja - da stimme ich zu -

     

    für Gernot Erler ein erstaunlich

    wirres Interview;

    hoffentlich darauf beschränkt.

  • Der Typ ist tausend mal gefährlicher als Putin.

  • Klare Frage, eindeutige Antwort. Gernot Erler schließt also eine militärische Lösung nicht aus. Zumindest ich erkenne keinen Anlass, der es rechtfertigen würde, die Panzer rollen zu lassen. Vielleicht reagiere ich aber nur etwas überempfindlich, wenn´s in den großen Kampf gehen soll. Unser begnadetes Politikpersonal scheint das alles etwas abgeklärter zu sehen. Passender Beitrag zum Thema "100 Jahre Erster Weltkrieg".

    • @Knipperdollinck:

      "Vielleicht reagiere ich aber nur etwas überempfindlich" ich pflichte ihnen bei. Gernot Erler und militärische Lsg, noch dazu gg Russland. Dass wäre so, als ob der Papst für Krieg ausspräche. Also: mal entspannen. Der Kreml kennt seine Pappenheimer, deshalb weiß er, dass er Narrenfreiheit hat. Nachschlag gefällig?

  • Erler (im vorletzten Absatz) : "Was ich jetzt sage, hat mit meinem Mandat nichts zu tun. ..."

    Tja , und was er dann sagt , ist ein kryptisches Gebrabbel , dessen Sinn oder Unsinn wohl erst noch Ägyptologen mit der Zauberglaskugel für den interessierten Laien entschlüsseln müßten . Herrn Donath aber muß der Sinn offenbar unmittelbar aufgegangen sein . Oder vielleicht der Unsinn ? - ... und hat vorsichtshalber nicht weiter nachgefragt .