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Referendum in SchottlandLängst kein Scherz mehr

Britische Parteiführer eilen nach Schottland, um für den Verbleib im Königreich zu werben. Schottische Nationalisten sehen London in Panik.

Es wird ernst: Die Abstimmung über die Unabhängigkeit von Großbritannien steht bevor. Bild: dpa

LONDON taz | Eine Woche vor dem historischen Referendum ist die Abstimmung über Schottlands Unabhängigkeit auf einmal kein Scherz mehr für das Vereinigte Königreich. Als am Wochenende in Meinungsumfragen zum ersten Mal bekannt wurde, dass die Ja-Kampagne mit 51 Prozent leicht führte, reagierten die internationalen Märkte prompt. Das britsche Pfund sank um zehn Prozent. Nicht überraschend erklärte daraufhin am Dienstag der Präsident der Bank of England, Schottland könne sich jegliche Hoffnungen auf eine Währungsunion mit dem Pfund abschminken.

Das war wohl der Tropfen Scotch, der das politische Fass in den Etagen Westminsters zum Überlaufen brachte. Waren es vor allem die Konservativen, die sich bisher gegen die Unabhängigkeit Schottlands besonders einsetzten, vergaßen die Führer der drei führenden britischen politischen Parteien nun ihre Differenzen, um gemeinsam am Mittwoch in Schottland an verschiedenen Orten gegen die Unabhängigkeit zu werben.

In einer gemeinsamen Erklärung von Premierminister David Cameron für die Konservativen, Vizepremierminister Nick Clegg für die Liberaldemokraten und Ed Miliband für Labour hieß es: „Es gibt vieles, worüber wir uns uneinig sind, aber wir stimmen vehement in einer Sache überein. Vereint ist das Vereinigte Königreich besser.“ Die drei gaben an, dass sie den normalen Regierungsablauf für einen Tag unterbrechen, um Wählern zuzuhören und mit ihnen zu reden. Weiter hieß es: „Unsere Botschaft an die schottische Bevölkerung ist einfach: Wir wollen, dass ihr bleibt.“

David Cameron gab in seiner Ansprache in Edinburgh an, dass sein Herz brechen würde, sollte Schottland unabhängig werden. „Wir sind eine Familie von Nationen, es geht hier nicht darum, die Nation Schottlands nicht anzuerkennen, sie ist eine stolze und wichtige Nation.“ Er betonte, dass die Entscheidung „fundamentale Konsequenzen auf Jahrhunderte haben könnte und das zerstöre, was Generationen so lange zusammen aufgebaut hätten“. Auch der Führer der rechtspopulistischen Partei Ukip Nigel Farage erklärte, dass er sich nach Schottland begeben werde, um sich ebenfalls gegen die Unabhängigkeit und für das Vereinte Königreich einzusetzen.

Am Anfang der Woche äußerten sich auch zwei der ehemaligen britischen Premierminister zum Referendum. Während Expremier Gordon Brown, der selber Schotte ist, sich für mehr föderale Kompetenzen innerhalb des Vereinten Königreichs aussprach, warnte Exkollege John Major, dass die Unabhängigkeit ein Disaster für das gesamte Königreich wäre. Schottlands Unabhängigkeit würde zu einer signifikanten Reduzierung der militärischen Stärke des Landes führen, was negative Konsequenzen für das Gewicht der Stimme Großbritanniens in der Welt haben würde.

Alexander Salmond, der Führer der Scottish National Party (SNP) und Organisator der Unabhängigkeitskampagne bezeichnete die Anwesenheit der drei Parteiführer in Schottland als „den gröbsten Fehler der Nein-Kampagne“ und erklärte, dass sich Westminster in einem Panikzustand befinde. Ihm gehe es um Arbeitsstellen in Schottland, Westminster hätte seine eigenen Interessen und versuche Schotten mit Botschaften über das Gesundheitssystem und der Währung in einem unabhängigen Schottland Angst zu einzujagen.

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6 Kommentare

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  • warum die Aufregung, auch die Tschechoslowakai hat sich in Tschechien und Slowakei aufgeteilt, hat niemand aufgeregt !

  • Kleine Ergänzung.

     

    Eine zwischen allen Stühlen sitzende Queen zu sehen, wäre auch interessant.

  • "...das zerstöre, was Generationen so lange zusammen aufgebaut hätten“

     

    Viele Schotten haben aber scheinbar noch nicht vergessen, wie sie zu diesem gemeinsamen Aufbau "überredet" wurden.

     

    Der Hinweis von John Major, dass dann die Fähigkeiten Großbritanniens abnehmen werden, lustig in der Welt herum zu ballern, ist aber eher ein Argument für die Unabhängigkeit.

     

    Jedenfalls wird es spannend. Besonders interessant wird, wie sich im Falle eines "Ja" die Waliser, Nordiren, Katalanen, Lombarden, Flamen usw. verhalten werden. Es könnten interessante Zeiten auf uns zukommen. Ich bezweifle allerdings, dass uns diese Turbulenzen gut tun werden.

  • Soweit ich das verstanden habe, kann England bei der Unabhängigkeit Schottlands nur verlieren und Schottland eigentlich nur gewinnen.

     

    Schottland hat doch die reichlich Ressourcen, Tourismus und gute Ideen etc., oder?

  • Ist Farage jetzt für die Unabhängigkeit der Völker oder dagegen? Es paßt nicht das er zum einen (Rest-)England aus der EU heraus führen will, wenn die Schotten aber mit ihrer Zughörigkeit zu UK den selben Schritt gehen wollen, dann ist er auf einmal dagegen! Ein echter Pharisäer, dieser Typ. Würde er sich jetzt auch für die Unabhängigkeit der Schotten einsetzen dann könnte man ihn noch halbwegs ernst nehmen, man könnte ihm im Zweifel zu Gute halten das er eben ein Freund der Selbstbestimmungsrechte der Völker ist. So ist er aber nichts als ein purer englischer Egoist!

     

    Und genau solche Typen sind ein guter Grund für die Schotten ihre eigenen Wegen zu gehen! Viel Glück dabei, am 18.09. gewinnt ihr, anders als noch letzte Woche gegen den DFB!

    • 8G
      88862 (Profil gelöscht)
      @Stupor Mundi:

      Sehr richtig erkannt!

      Vielen Dank für den Kommentar!