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Showdown für GriechenlandUnbesorgt bis zum Grexit

Die Staatspleite droht. Doch die Börsen steigen. Die Wiedereinführung der Drachme würde das Leben der Griechen etwa 40 Prozent teurer machen.

Bröckeln, aber halten seit 2.400 Jahren: die Karyatiden der Akropolis. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Showdown findet am Montag in Brüssel statt. Dann treffen sich die Finanzminister der Eurozone erneut, um über die griechischen Schulden zu beraten. Die Zeit drängt. Ende Februar läuft das Hilfsprogramm für Griechenland aus; danach droht der Staatsbankrott.

Die Verhandlungen drehen sich um ein Wort, über das offiziell geschwiegen wird: „Grexit“, der Austritt Griechenlands aus dem Euro. Aber die Andeutungen sind deutlich. So sagte der griechische Premier Alexis Tsipras auf dem EU-Gipfel am Donnerstag: „Griechenland erpresst nicht und wird nicht erpresst“ – womit er zwischen den Zeilen ausdrückt, dass es Erpressungspotential gibt. Kanzlerin Merkel äußerte sich gewohnt diplomatisch: „Kompromisse werden vereinbart, wenn die Vorteile die Nachteile überwiegen.“ Übersetzt heißt dies, dass Deutschland seine Interessen wahren wird – und die Kosten eines Grexits kalkuliert.

Der Grexit ist eine Option, obwohl er offiziell nicht möglich ist. Man kann die Griechen nicht aus dem Euro werfen – genauso wenig wie sie selbst formell austreten können. Beides ist in den EU-Verträgen nicht vorgesehen. Aber eine indirekte Kettenreaktion würde dazu führen, dass Griechenland die Drachme wieder einführen muss.

Schritt 1: Wenn es zu keiner Einigung über ein Hilfsprogramm kommt, schlittert Griechenland in den Staatsbankrott. Denn es muss in den nächsten Monaten Kredite an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und an die Europäische Zentralbank zurückzahlen. Dieses Geld hat Griechenland nicht und benötigt daher einen „Überbrückungskredit“, wie Tsipras es nennt. Man könnte es auch als Kreisverkehr bezeichnen: IWF und Europäer gewähren den Griechen neue Kredite, damit sie ihre alten Kredite ablösen können.

Der Staatsbankrott allein würde die Griechen nicht aus dem Euro werfen – aber die Folgen wären unbeherrschbar.

Schritt 2: Schon jetzt haben griechische Sparer Angst, dass es nicht zu einem neuen Hilfsprogramm kommt – und räumen die Konten, um ihre Euros in Sicherheit zu bringen. Die griechischen Banken sind daher Pleite und überleben nur, weil sie frisches Geld von der griechischen Notenbank erhalten, die dafür aber die Erlaubnis der EZB benötigt. Diese Notkredite wurden am Donnerstag noch einmal um fünf Milliarden auf 65 Milliarden aufgestockt. Jetzt soll das Geld bis Montag reichen.

Der Dax geht auf Rekordniveau

Schritt 3: Die EZB kann die griechischen Banken aber nur so lange finanzieren, wie es ein offizielles Hilfsprogramm für Griechenland gibt. Sollten die Gespräche in Brüssel scheitern, würden auch die Notkredite gestoppt. Dann müsste Griechenland aus der Eurozone ausscheiden, denn es könnte seine Banken nur mit Geld versehen, indem es Drachmen druckt.

Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario? Die deutschen Anleger scheinen sich keine Sorgen zu machen, dass Griechenland ihnen das Geschäft verdirbt. Der Aktienindex DAX übersprang am Freitag die neue Rekordmarke von 11.000 Punkten.

Für diesen Optimismus gibt es gute Gründe. Denn ein Grexit hätte kaum Folgen für Europa. Griechenland könnte zwar seine Schulden nicht mehr zurückzahlen, wenn es eine schwache Drachme hätte. Aber das Geld ist sowieso längst weg.

Der Grexit sorgt nicht mehr für Angst

Momentan belaufen sich die griechischen Staatschulden auf etwa 322 Milliarden Euro, was 175 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. Es ist illusorisch, dass Griechenland diese Summen jemals abtragen kann. Ein Grexit würde keine neuen Tatsachen schaffen, sondern die Realität nur offensichtlich machen.

Zu Beginn der Eurokrise kam ein Grexit nicht in Frage, weil die Angst zu groß war, dass auch die anderen Krisenländer mitgerissen werden könnten. Das gängige Bild hieß „Ansteckungsgefahr“. Wie ein Grippevirus, so die Sorge, würde die Pleite von Krisenland zu Krisenland springen, weil panische Investoren auf einen Staatsbankrott wetten und die Zinsen hochtreiben.

Jetzt herrscht an den Finanzmärkten gemütliche Ruhe. Die Zinsen für Griechenland sind zwar stark gestiegen, weil sich ein Grexit nicht mehr ausschließen lässt. Aber Zinsen für andere Krisenländer liegen weiterhin sehr niedrig. So zahlt Spanien für eine 10-jährige Staatsanleihe momentan 1,6 Prozent – das ist sogar weniger, als die US-Regierung aufbringen muss.

Die Anleger wissen genau, dass die EZB Staatsanleihen kaufen würde, falls eine Panik an den Finanzmärkten ausbricht. Weswegen die Investoren die Papiere selbst erwerben und eine Panik ausbleibt. Psychologie reicht, um für Ruhe zu sorgen.

Die Griechen sind im Plus

Die Europäer müssten einen Grexit also nicht fürchten – so wenig wie die Griechen. Der neue Finanzminister Janis Varoufakis weist immer wieder gern darauf hin, dass der griechische Staatshaushalt inzwischen einen „Primärüberschuss“ aufweist. Der Etat ist also im Plus, wenn man die Zinszahlungen abzieht. Die griechische Regierung kann zwar ihre Schulden nicht zurückzahlen – aber ihre laufenden Ausgaben kann sie auch ohne die Europäer bestreiten. Ein Staatsbankrott hätte keine Folgen für den griechischen Staat.

Die Bürger hingegen würden leiden. Die Drachme würde um etwa 40 Prozent abwerten – was alle importierten Güter wie Öl, Autos, Medikamente und technische Geräte ebenfalls um 40 Prozent verteuern würde.

Diese neue Armut könnte für die griechische Wirtschaft aber eine Chance sein. Momentan importiert das Agrarland Griechenland sogar Lebensmittel, weil sie im Ausland billiger hergestellt werden. Wenn die Drachme abstürzt, wären Einfuhren so teuer, dass sich die Selbstversorgung wieder lohnen würde.

Argentinien hat es vorgemacht: Der Peso war bis 2001 an den Dollar gekoppelt, die Schuldenlast erdrückend. Nach dem Staatsbankrott ging es sofort aufwärts; in den nächsten fünf Jahren wuchs die argentinische Wirtschaft jährlich um 8 Prozent.

Allerdings: Argentinien ist eine Exportnation und profitierte von steigenden Preisen für seine Rohstoffe. Griechenland kann auf keine externen Effekte hoffen. Es hat keine Exportprodukte, sondern nur Hotelbetten zu bieten.

Trotzdem: Der Grexit wäre kein Schauermärchen. Weder für die Europäer noch für die Griechen. Das Ende der Verhandlungen ist daher offen. Niemand kann niemanden erpressen.

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13 Kommentare

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  • Logische Konsequenzen:

    1. Austritt Griechenlands aus dem Euro.

    2. Verbleib Griechenlands in der EU.

    3. Marshallplan der EU für Griechenland.

    4. Innergesellschaftliche Reformen in Griechenland durch die Griechen selbst.

  • Tal der Ahnungslosen. In Deutschland glaubt man immer noch, es säße am längeren Hebel. Das ist aber nicht so. Insoweit lebt Deutschland in einer Parallelwelt. Und sein falscher Ehrgeiz gefährdet nicht nur den Euro, sondern ganz Europa. Wir beschimpfen andere Staaten als Schuldenmacher, transferieren aber jährlich 200 Mrd. Ersparnisse ins Ausland und erwarten, dass sich das Ausland in dieser Höhe bei uns verschuldet, um unsere Handelsbilanzüberschüsse zu sichern.

     

    Allein dieser Sachverhalt zeigt, dass Deutschland gegenüber seinen Nachbarn ein falsches und ökonomisch unverantwortliches Spiel betreibt. Es begreift nicht, dass unsere Überschüsse immer die Defizite der anderen sind. Nun versucht Herr Varoufakis auf diesen Unsinn hinzuweisen und praktikable Lösungen zu finden und in Deutschland beginnt sofort eine Häme und Hetze, die völlig absurd ist. Deutschland ist offenbar gar nicht an Lösungen interessiert, sondern will auf Kosten anderer so weitermachen. Das wird bei aller Häme und Hetze nicht funktionieren. Quelle NDS

  • Zustimmung und Widerspruch:

     

    Ich stimme darin überein, dass man die Fragen von Euro, Schuldenschnitt und Stabilität des griechischen Bankenwesens, nicht einzeln betrachten darf. Den Schuldenschnitt sehe ich allerdings als wesentlich weniger wichtig für Griechenland und ich bin mir auch nicht sicher, ob Syriza tatsächlich Banken retten würde.

     

    1. Ein Land soll seine Schulden ja eigentlich nie wirklich zurückzahlen, sondern normalerweise nur die Zinsen auf seine Schuldlast tragen und immer wieder umschulden, also mit neuen Krediten die alten ablösen. Die relative Schuldenlast reduziert sich dann schlicht dadurch, dass die Wirtschaftsleistung steigt oder auch durch die normale Inflation. Die Drohung des Schuldenschnitts in Griechenland ist meines Erachtens daher nur politisch zu verstehen, da die Zinszahlungen auf die aktuellen Kredite sowieso recht niedrig ausfallen und zurzeit die Kredite auch noch lange laufen.

     

    http://www.mister-ede.de/politik/drohung-mit-schuldenschnitt/3559

     

    2. Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob eine Linksaußen-Partei tatsächlich Banken retten wird. Es wäre ja durchaus vorstellbar, dass Griechenland genau das nicht macht. In dem Fall hat Griechenland einen Primärüberschuss und nachdem es keine Schulden mehr hat auch einen Überschuss und die bösen kapitalistischen Banken müssten sich abwickeln und Schuld daran wäre nicht mal Syriza, sondern aus griechischer Sicht Merkel.

     

    http://www.mister-ede.de/politik/griechische-konflikteskalation/3648

  • wenn die Drachme 40% abwertet, ist sie folglich nur noch das 0.6-fache wert.

    Um dasselbe kaufen zu können, braucht man also 1 / 0.6 = 1.666... so viel davon.

    Die Preise steigen also um ca. 67% (und nicht 40% wie im Artikel gefolgert)

  • Ich weiss ja auch nicht, ob die Griechen sich auf ein Abenteuer wie Grexit einlassen sollten, zumal die Volkswirtschaftslehre eher Kaffeesatzleserei als Analyse der Realität und deren Vorhersage ist. Ich frage ob es helfen würde, wenn man dem Beispiel Kaliforniens folgen sollte und Schwarzeneggerscheine ausgeben kann. Bezahlung der Beamten mit Schuldverschreibungen, nur im Inland gültig.

    Ausserdem weiss ich nicht warum sich ein "souveräner* Staat nicht auch im Euroverbund für bankkrott erklären kann. Ist das in den Verträgen verboten?

  • Man könnte mit GrExit zwar mal eine reale Situation an den Finanzmärkten durchspielen (wäre ja nur ein Sturm im Wasserglas) - aber man könnte auch mal die Situation des Behaltens einer Nation im EUR-Raum versuchen.

  • Das griechische Schuldenproblem wäre ganz schnell gelöst, wenn Griechenland endlich einmal seine Steuern, insbesondere von dem oberen Einkommensdrittel eintreiben würde.

     

    Griechenland ist ja kein armes Land, Geld ist genug da.

     

    Das Beispiel Griechenland zeigt sehr deutlich wohin eine Politik der Steuerersparnis für das obere Einkommensdrittel führt. Denn Griechenlands Probleme sind nicht das Ergebnis der bösen Sparpolitik, sondern das Ergebnis von unzähligen hintergangenen und nicht gezahlten Steuern.

    • @Komme_aus_Hannover:

      Richtig, aber man sollte nicht den vielfach inkompetenten, oft überdimensionierten und korrupten Staatsapparat vergessen: Viele Griechen sehen die illegale "Steuervermeidung" als eine Art legitimen "Widerstands" gegen einen Staat, der das Leben in vielen Bereichen schwieriger statt leichter macht. Wer GR kennt, wird auch diese Haltung verstehen - das Ganze ist ein Teufelskreis, der nur durch radikale Reformen zu durchbrechen wäre. Ob Syriza (ganz zu schweigen von Anel) das wirklich will, erscheint mir zweifelhaft - wir werden es wohl bald erleben.

      • @HELMUT FALLSCHESSEL:

        Das kann man heute aus deutscher Sicht so sehen, ist ja auch verführerisch, um vom ökonomischen Spardiktat der Troika abzulenken.

         

        Aber, nix is fix, im Sommer '89 hat schliesslich auch keiner an ein quasi vereinigtes Deutschland an Weihnachten '89 geglaubt. Also ein Gedankenspiel:

        D setze weiter nur auf Exporte und Sparen ohne Investition, Resteuropa berappelt sich bis in einigen Jahren wieder und macht sich im eigenen Interesse von deutschen Exporten unabhängig. Das könnte forciert werden z.B. durch einige ungünstig teuer verlaufende Schlichtungsverfahren im kommenden TTIP gegen ein paar "systemrelevante" Konzerne (Banken, Pharma,...), durch das Versemmeln der Energiewende als Arbeitsplätze- und Innovationsmotor durch die industrie-oligarchen-freundliche GroKo-Mentalität, durch das Versagen der deutschen Automobilindustrie im Elektroautosektor (falls es anderen Ländern gelingt durch eigene Masnahmen die schnarchnasige dt. Mineralöl-Kfz-Industrie abzuhängen und unattraktiv zu machen?), ...

         

        Eine entsprechend tiefe, strukturelle Rezession liesse uns zu einem Dienstleistungsland der Friseusen, Mautkontrolleure und Wachmänner verkommen. Arbeitsplatzintensive Agrarwirtschaft existiert nicht mehr. Incl. unserer eigenen korrumpierten Managementqualitäten unserer Führungsschicht in Verbindung mit der typisch deutschen Steuerhinterziehungs- und -vermeidungsmentalität hätten wir hier auch das, was heute als GR-Niveau verschrieen wird.

         

        Also schön weiter sparen und sich die Saudis warm halten?

        Na danke.

        • @vagabundix:

          Da sie sich ja so übers sparren aufregen, wie sieht denn ihre Alternative aus?

           

          Das Geld der deutschen Arbeiter anstelle der Steuern der grichischen Milonäre verwenden?

  • Dass ein "Grexit" für die restliche Eurozone kein Drama - wenn auch teuer - wäre, ist zu erwarten. Vielleicht würde er sogar die institutionelle Kohäsion erhöhen. Anders für GR: 80% der Bevölkerung wollen laut Umfragen den Euro fast um jeden Preis behalten, die - überwiegend ja nicht rasch subsistuierbaren - Importe würden unbezahlbar, das Vertrauen in die neue Regierung wäre wohl bald völlig dahin. GR würde eine noch viel tiefere ökonomische, soziale und politische Krise mit unklarem Ausgang durchstehen müssen. Keine guten Aussichten für die "Spieltheoretiker" von Syriza ...

    • @HELMUT FALLSCHESSEL:

      Haben Sie Lust, eine soziale und ökonomische Krise zu skizzieren, die dramatischer wäre, als die heutige?

  • Der Hinweis auf Argentinien ist gut. Wenn die Staatsschulden sowieso nicht zurueckbezahlt werden, kann auch mit der Drachme abgewertet werden. Frage ist dann, was bedeutet der Euro-Beitritt des Baltikums? Sind diese Laender soviel effizienter als Griechenland?