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Kommentar VorratsdatenspeicherungSPD mit falscher Strategie

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Das Thema scheint, Umfragen zufolge, für die Wähler nicht so wichtig. Was tun die Sozialdemokraten? Sie bieten es der Union als Kanonenfutter an.

Will seine Energie eher in andere Vorhaben stecken: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Bild: dpa

S igmar Gabriel hat sich in der SPD durchgesetzt, die generelle Speicherung von Telefon- und Internetdaten soll kommen. Will die Union so, wollen die Geheimdienste so. Die SPD-Mitglieder und die Bürger wollen sie eigentlich nicht, diese Vorratsdatenspeicherung. Aber im Zweifel geht die gefühlte Sicherheit vor und Umfragen zeigen: Es ist kein wirklich wichtiges Thema für die Wähler und damit klassisches Kanonenfutter, um den Koalitionspartner zu besänftigen.

Wahltaktisch gesehen handelt Gabriel gar nicht so falsch. Ein Thema dem Koalitionskonkurrenten überlassen, dafür etwas anders einhandeln. Nur was will die SPD denn für ihre potenziellen Wähler? Beim kommerziellen Datenschutz, also dem Ausspähen des Internet- und Kaufverhaltens durch Firmen, macht die Bundesregierung die entsprechende EU-Regelung gerade ebenfalls nutzlos. Vermögende am Steueraufkommen beteiligen? Totes Thema, laut Gabriel. Wirtschaftsabkommen mit den USA und Kanada, die großen Firmen nur Rechte, aber keine Pflichten geben? Brauchen wir, sagt Wirtschaftsminister Gabriel.

Politik ist Kompromiss, anders kommen keine Entscheidungen zustande. Aber vorher muss es doch eine Debatte geben um wichtige und umstrittene Sachen. Was genau bringt denn das Aufweichen der Bürgerrechte beim Datenschutz, warum will die SPD das gar nicht wissen? Oder: Welche Daten brauchen wir vom reichsten Prozent der Republik, wie viel Steuern müsste dieses Prozent zahlen, um die potenziellen SPD-Wähler in der Mittelschicht zu entlasten?

Da käme Leben in die Politik. Ohne maßgeblichen Streit hingegen gewinnt die Spitzenkandidatin die Wahl. Und das wird auch bei der kommenden im Jahr 2017 die der Union sein. Weiß auch die SPD. Also was ist das für eine Strategie?

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
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7 Kommentare

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  • Daten, die einmal gesammelt, rufen zum Gebrauch, zum Missbrauch auf. Wer sichert diese Daten gegen Missbrauch? Um Verbrechen aufzuklären werden diese Daten gesammelt, so die offizielle Sprachregelung. Doch Aufklären kann man nur begangene Verbrechen. Es wird also keineswegs sicherer durch die Vorratsdatenspeicherung!

    Gabriel und anderen digitalen Analphabeten ist das aber völlig egal. Wer seinem Volk nicht vertraut, der überwacht! "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser". Gabriel als Tschekist, oder besser als Wegbereiter der Stasi 3.0.

  • Das hat alles schon was von Rinderwahn. Wo bleibt diesmal nur die Keule?

  • Stammtischgrummeln gegen Vorratsdatenspeicherung scheint sich zur heroischen , stauffenbergschen Widerstandshandlung zu entwickeln.

    Ich habe mit einer vollkommen transparenten Vorratsdatenspeicherung bei nur schweren Straftaten (kein Zivilrecht) und Richtervorbehalt keine Probleme.

  • Das hatte die SPD allerdings schon vor den letzten Wahlen im Programm. Und dann kam der durch den Whistleblower Snwoden ausgelöste NSA-Skandal und die SPD tat so, als habe sie tendenziell das Gegenteil von totaler Überwachung im Sinn. Schließlich ging es ja um das Einfangen des "Stimmviehs".

     

    Aber die Mächtigen in der SPD haben ja keine blasse Ahnung, was der Beschluss bedeutet oder nicht. Die sind keine Experten im Bereich der Kriminologie.

     

    Mal ein ganz einfacher Tipp: Um Straftaten aufuklären, müssen die Daten in die Hände der Polizei kommen udn nicht - wie bei den NSU-Morden geschehen - der Polizei auf Biegen udn Brechen vorenthalten werden. Und es müsste dann eine Bereitschaft bestehen, bei der Polizei hinreichend Personal einzustellen und neue Computer zur Verfügung zu stellen.

     

    Anscheinend hat aber wirklich niemand aus der SPD-Spitze davon annähernd Ahnung. Und der Rest in der SPD hat nichts zu sagen.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Nach der Edathy-Affäre muss der Gabriel jetzt den Daten-Hardliner geben. Die Tragweite dieser Entscheidung ist ihm entweder nicht klar oder auch egal.

     

    Ich glaube nicht, dass diese Partei, auch bei Wahlergebnissen um 20%, innerhalb der nächsten 6-10 Jahre einen programmatischen Wandel hinbekommt. Das ausgegebene Ziel heißt jetzt anscheinend, im programmatischen Wettbewerb mit den Grünen, FDP und AfD um den Platz des CDU-Juniorpartners zu bestehen.

  • Die aufrechten Sozialdemokraten haben diese Partei längst verlassen. Die heutigen Mitglieder sind abgestumpfte Gewohnheitstäter, die auch noch in zehn Jahren mit der Bierpulle im Feinripp-Unterhemd vor der Glotze schwadronieren, oder der ewige Angestellte im öffentlichen Dienst, den die 20%-Kürzung der VBL-Altersversorgung nicht juckt, solange bis die Genossen in Land und Stadt seinen Arbeitsplatz privatisiert haben. Dann setzt erst das Geschrei ein.

     

    Die Parteibonzen der SPD, angefangen vom dörflichen Ortsverein bis zum Bundeswirtschaftsminister sind Parvenues, die in den 70er Jahren durch diese Partei hoch gekommen sind und nur eines kennen: Fett schwimmt oben.

     

    Die Schlankheitskur unter 20%-Stimmenanteil wird sie eines Besseren belehren. Die politische Bedeutung der SPD entspricht der FDP. Ebenfalls ein widerlicher Haufen, dem keiner nachtrauert.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Es schmerzt in der Seele dem Verfall dieser einst großen Partei zusehen zu müssen. So konzeptionslos, so verlogen, so interessenlos, so prinzipenlos wie die SPD sich heute darstellt, sollte sie den Laden zumachen und sich -zum größten Teil- der Union anschließen, allen voran der Vorsitzende. Von den Unionsparteien oder der FDP unterscheidet sich die Partei ohnehin nicht mehr, auf allen Ebenen. Die paar aufrichtigen Sozis finden sicherlich bei anderen Parteien ein neues Zuhause, es sind ja nicht viele...