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Menschenwürde statt Terror und CDUKOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Wem der Geist des Grundgesetzes und nicht lediglich dessen Buchstabe etwas bedeutet, muss tiefe Genugtuung über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz empfinden. Und zwar nicht in erster Linie deshalb, weil das Gesetz erwartungsgemäß für verfassungswidrig erklärt worden ist. Sondern wegen der Begründung des Richterspruchs.

Der Erste Senat hat es nicht bei dem schlichten Hinweis belassen, dass der Einsatz der Bundeswehr im Innern verboten ist. (Was übrigens auch schon dem Parlament hätte auffallen können). Das Gericht hat darüber hinaus den Schutz der Menschenwürde für absolut erklärt. Diese Würde soll auch weiterhin unantastbar sein. Ihr Wert bemisst sich nicht daran, ob er der Allgemeinheit gerade nützlich erscheint oder nicht.

Dieser Teil des Urteils hat Folgen. Verboten wäre demnach nicht nur der Abschuss eines Passagierflugzeugs im Falle einer terroristischen Bedrohung, weil schuldlose Reisende sich nicht in Waffen verwandeln können. Auch nicht unfreiwillig. Beendet sein müsste nun auch jede Diskussion über erlaubte oder unerlaubte Formen der Folter. Was immer Gewaltanwendung bewirken kann: dass sie die Menschenwürde verletzt, dürfte unstreitig sein.

Wahr ist, dass die Terrorbekämpfung durch das Urteil nicht erleichtert wird. Das ist der Preis, den demokratische Gesellschaften für ihre Kultur zahlen: Nicht alles geht, was geht. Wenn die Union nun meint, das Urteil aus Karlsruhe dennoch als Aufforderung zur Grundgesetzänderung interpretieren zu können, dann beweist sie damit, dass sie gar nicht die Gefahrenabwehr im Blick hat, sondern lediglich ein politisches Ziel – den Einsatz der Bundeswehr im Innern.

Falls nämlich ein unbemanntes oder nur mit Terroristen besetztes Flugzeug die Sicherheit der Republik bedroht, dann darf es abgeschossen werden, sofern die Verfassung entsprechend geändert wurde. Das ist allerdings sehr theoretisch. In der Praxis dürfte die Klärung dieser Frage für Gegenwehr zu lange dauern. Darum geht es jedoch auch gar nicht. Sondern um den Wert des Individuums. Der aber ist in der westlichen Leitkultur nicht Gegenstand von Parteienstreit.

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