SIMONE SCHMOLLACK ÜBER DEN NEUESTEN STREICH DER FAMILIENMINISTERIN: Kinderschutz als Mogelpackung
Alles soll neu sein am Kinderschutzgesetz von Familienministerin Kristina Schröder, sagt Schröder. Die Ministerin will der Öffentlichkeit als ihre Errungenschaft verkaufen, dass Jugendamtsmitarbeiter Eltern in schwierigen Lagen jetzt zu Hause besuchen können. Sie frohlockt, dass ab jetzt bereits Schwangere mit großen seelischen und sozialen Konflikten staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Doch beides war auch schon vor Schröder legal. Das ist wirklich nicht neu.
Auch die Familienhebammen, die Schröder als Dreh- und Angelpunkt eines umfassenden Kinderschutzes verkauft, waren schon vor ihrer Amtszeit im Einsatz. Wenngleich nicht für ein ganzes Jahr und auch nicht mit einer solchen finanziellen Ausstattung.
Neu ist nur, dass Ärzte und Lehrer nun schneller die Polizei einschalten können, wenn Verdacht auf Kindesmissbrauch oder auf Misshandlung besteht. Diese Regelung ist übrigens sehr sinnvoll. Hier ebnet der Gesetzesentwurf nicht nur Neuland, er weist auch tatsächlich in die richtige Richtung: Ärzte sollen bei „gewichtigen Verdachtsmomenten“ von ihrer Schweigepflicht entbunden werden. Sie sollen künftig also auch schon dann, wenn sie noch nicht genau sagen können, ob ein Kind in akuter Gefahr ist, der Polizei oder der Staatsanwaltschaft Meldung erstatten können.
Aber wo bleibt hier der Datenschutz? Und was ist mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient? Die Antwort auf diese berechtigten Fragen ist eindeutig: Das Kindeswohl steht über dem Datenschutz. Wer sich bei Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch auf Vertraulichkeit und informationelle Selbstbestimmung beruft, der schützt keine Daten und schon gar keine Kinder, sondern er schützt Täter. Wenn dies nun durch schnelleres Handeln der Ärzte und Pädagogen verhindert werden kann, heißt, wenn diese Neuerung in ein Gesetz gegossen wird, ist das tatsächlich ein Fortschritt beim Kinderschutz.
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