Arbeitsminister legt Gesetzesentwurf vor: Heils Rentenpakt
Das Versprechen: Stabile Renten und Beiträge, mehr Geld für ältere Mütter mit mindestens drei Kindern, Erwerbsunfähige und Kleinverdiener.
Dessen Kernpunkte: eine sogenannte doppelte Haltelinie für Rentenniveau und Beitragssatz, die Ausweitung der „Mütterrente“, Verbesserungen für krankheitsbedingte Frührentner sowie eine Entlastung von Geringverdienern bei den Sozialabgaben ohne Einbußen beim Rentenanspruch.
Heils Gesetzesentwurf, der jetzt in die Ressortabstimmung geht und unmittelbar nach der Sommerpause im Kabinett beschlossen werden soll, schreibt fest, dass das Rentenniveau bis 2025 nicht unter 48 Prozent eines Durchschnittslohns sinken und dass der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen darf.
Finanziell abgesichert werden soll das durch einen mit Steuergeldern gespeisten „Demografiefonds“. Von 2021 bis 2025 sollen jährlich mindestens 2 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in diesen Fond fließen. Das Geld soll freigegeben werden, wenn eine der beiden „Haltelinien“ verletzt zu werden droht.
Drei Millionen Menschen profitieren
Es gehe darum, die Rente auskömmlich zu halten, ohne Jüngere finanziell zu überlasten, sagte Heil: „Ich kenne keine Oma, die ihrem Enkel die Zukunft verbauen will, und ich kenne kein Enkel, der seiner Oma nicht eine ordentliche Altersabsicherung gönnt.“
Ein weiteres Element seines Rentenkonzepts ist eine Änderung der Berechnungsgrundlage für Erwerbsminderungsrenten, von der nach Heils Angaben rund 170.000 krankheitsbedingte Frührentner profitieren würden.
Außerdem sollen Geringverdiener künftig erst ab einem Monatseinkommen von 1.300 Euro die vollen Sozialbeiträge zahlen – ohne dass sich ihre spätere Rente verringert. Bisher liegt die Grenze bei 850 Euro. Davon sollen drei Millionen Menschen profitieren.
Für ebenso viele lohnt sich die Ausweitung der „Mütterrente“, ein Herzensanliegen der CSU: Künftig sollen Eltern mit mindestens drei vor 1992 geborenen Kindern auch das dritte Erziehungsjahr anerkannt bekommen. Damit würden sie Müttern und Vätern von nach 1992 geborenen Kindern gleichgestellt werden.
Gesamtkosten rund 30 Milliarden Euro
Die Beschränkung auf kinderreiche Eltern ist allerdings wie verfassungsrechtlich umstritten. Er könne sich „auch eine Alternative vorstellen“, die alle Mütter und Väter berücksichtige, räumte Heil ein. Hier gebe es „noch Gesprächsbedarf“. Er habe sich in seinem Entwurf jedoch erstmal „eins zu eins“ an die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag gehalten. „Ich überlasse das der Klärung der Fraktionen im parlamentarischen Verfahren.“
Die Gesamtkosten für sein Rentenpaket bezifferte Heil bis zum Jahr 2025 auf rund 30 Milliarden Euro, von denen der Bund 11 Milliarden Euro trage. 19 Milliarden Euro sollen aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Rentenversicherung kommen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte Heils Gesetzesvorhaben. Die Rentenkampagne der Gewerkschaften habe „einen ersten handfesten Erfolg zu verzeichnen“, jubilierte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Damit wird endlich der automatische Renten-Sinkflug gestoppt, und zwar per Gesetz.“ Als „anerkennenswert“ bezeichnete sie die Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten und für Geringverdiener. Allerdings seien sie noch nicht ausreichend.
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Auch der Sozialverband VdK begrüßte die Reformpläne als „Schritte in die richtige Richtung“. Weitere seien allerdings erforderlich, sagte VDK-Präsidentin Verena Bentele: „Dringend nötig ist eine dauerhafte Anhebung des Rentenniveaus auf 50 Prozent, damit die Renten wieder entsprechend der Löhne steigen.“ Darüber hinaus forderte sie eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen: Arbeitnehmer, Selbstständige, Politiker und Beamte. Auch ein höherer Rentenversicherungsbeitrag der Arbeitgeber dürfe „kein Tabu“ sein.
Kostenbumerang für Kinder und Enkel
Als „in der Summe teuer und ungerecht“ kritisierte hingegen die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Heils Reformpaket. „Die Zusicherung eines Mindestrentenniveaus von 48 Prozent widerspricht dem Grundsatz der Generationengerechtigkeit“, monierte Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. „Unseren Kindern und Enkelkinder bürden die Reformen einen enormen Kostenbumerang auf.“
Genau entgegengesetzte Kritik kommt von der Linksfraktion im Bundestag. „Die Beitragssatzbremse werden zwar die Unternehmen bejubeln, aber für heutige und zukünftige Rentner ist sie Gift“, sagte der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Matthias W. Birkwald. Das Einfrieren des Rentenniveaus „auf nur 48 Prozent“ sei „hasenfüßig“. Er forderte eine dauerhafte Anhebung auf 53 Prozent. Mit einer moderaten Beitragssatzanhebung sei das „gut zu finanzieren“.
Der Sprecher für Rentenpolitik der grünen Bundestagsfraktion, Markus Kurth, warf der schwarz-roten Regierung Konzeptionslosigkeit vor: „Die Koalition verfügt über kein Konzept, um die Rentenversicherung über 2025 hinaus dauerhaft stabil zu finanzieren.“ So sei es „absurd, auf der einen Seite mit Steuermilliarden einen Demografiefonds anzulegen und auf der anderen Seite die Rentenreserven mit der ‚Mütterrente II‘ zu schwächen“.
Die Deutsche Rentenversicherung forderte in einer Stellungsnahme, dass zusätzliche Leistungen „sachgerecht finanziert werden“ müssten. Dies insbesondere für die „Mütterrente II“. Das sei „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, die nicht allein den Beitragszahlern aufgebürdet werden dürfe. „Sie ist vielmehr in vollem Umfang aus Steuermitteln zu finanzieren“, so die Deutsche Rentenversicherung. Dies gelte auch bereits für die Kosten der 2014 eingeführten „Mütterrente I“.
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