Arbeitskampf bei Amazon: Alles ganz freiwillig?
1.000 Amazonbeschäftigte protestieren gegen die Gewerkschaft Verdi. Die sagt, viele Unterzeichner hätten unter dem Druck des Managements gestanden.
Im Arbeitskonflikt beim Versandhändler Amazon kommt es zu Spaltungen in der Belegschaft. Doch warum das so ist, darüber gibt es unterschiedliche Erzählungen. Wie am Montag bekannt wurde, haben sich über 1.000 Mitarbeiter an den Standorten Leipzig und Bad Hersfeld gegen das Vorgehen von Verdi ausgesprochen. Die Aktion sei nicht aus völlig freien Stücken der Beschäftigen entstanden, sagt die Gewerkschaft Verdi.
In einer Erklärung, die unter www.amazon-logistikblog.de einsehbar ist, heißt es von Amazonbeschäftigten unter anderem, man distanziere sich „von den derzeitigen Zielen, Argumenten und Äußerungen der Verdi, die in der Öffentlichkeit über Amazon und damit über uns verbreitet werden“. Amazon sei ein „ganz normaler Arbeitgeber, mit Stärken und Schwächen“.
Amazon-Sprecher Stefan Rupp betonte, er habe die Liste der Unterzeichner, die nicht im Netz steht, nicht mit eigenen Augen gesehen. Er wisse aber, dass eine Liste mit insgesamt 1.018 Unterschriften noch vor Weihnachten den Werksleitungen in Leipzig und Bad Hersfeld überreicht worden sei.
Christine Höger, Leiterin der Public Relations-Abteilung von Amazon, betont: „Wir begrüßen diese Aktion, denn sie zeigt, wie die Mehrheit unserer Mitarbeiter denkt: Dass sie faire und gute Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren haben, und dass Management und Mitarbeiter täglich gemeinsam an Verbesserungen arbeiten.“
Unter den Augen des Managements
Bei Verdi bestreit man nicht die Existenz der Unterschriftenliste. Wohl aber, dass sie größtenteils freiwillig zustande gekommen sei: „Wir wissen mittlerweile, dass Zweidrittel der Unterschriften in Leipzig gesammelt wurden. Kollegen haben uns davon berichtet, dass die Aktion dort unter Aufsicht des Managements stattfand“, sagte Verdi-Sprecherin Martina Sönnichsen. Es gebe bestimmt Menschen, die mit ihrem Arbeitsplatz bei Amazon zufrieden seien und die respektiere man. Aber ein großer Teil der Unterschriften sei auf direkten Druck zustande gekommen, sagte Sönnichsen. „Dazu kommt, dass ein Großteil derjenigen, die unterschrieben hat, mittlerweile nicht mehr in Leipzig arbeitet.“ Amazon hatte im Weihnachtsgeschäft zusätzlich zu den 9.000 regulären Mitarbeitern 14.000 befristete Kräfte eingestellt. Viele dieser Verträge sind mittlerweile ausgelaufen.
Verdi und ein Teil der Belegschaft fordern, dass bei Amazon der Tarifvertrag des Einzelhandels und höhere Löhne gelten sollen. Mehrfach ist Amazon deswegen bestreikt worden, zuletzt mehrere Tage vor Weihnachten. Der Konzern weigert sich, mit der Gewerkschaft zu verhandeln, und orientiert sich an der niedrigeren Bezahlung der Logistikbranche. Ver.di will nun in den nächsten Tagen die bisherigen Streiks auswerten und über neue Aktionen entscheiden.
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