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Anträge gegen Netanjahu und HamasDeutschland kritisiert Gleichsetzung

Viele Ministerien halten sich bei der Bewertung der Haftbefehl-Anträge des Haager Chefanklägers zurück. Ein Regierungssprecher fordert Belege für die Anschuldigungen.

IStGh-Chefankläger Karim Khan Foto: Leonardo Fernandez Viloria/reuters

BERLIN taz | Das Auswärtige Amt in Berlin lässt sich mit einem Satz zitieren, der eine Selbstverständlichkeit sein könnte: „Deutschland respektiert die Unabhängigkeit und Verfahrensabläufe des Internationalen Strafgerichtshofs“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums am Montagabend. Dabei kam aus dem Haus von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auch Kritik, nachdem der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGh), Haftbefehle gegen drei Hamas-Führer und den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu beantragt hatte. „Durch die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle ist der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung entstanden“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin.

Andere Ministerien hielten sich am Dienstag mit einer Beurteilung der Anträge von IStGh-Ankläger Karim Khan zurück. Ob ein drohender internationaler Haftbefehl für Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Joav Gallant etwa zu einer Veränderung bei den deutschen Waffenexporten nach Israel führen könnte, beantwortete das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) zunächst nicht. Das Justizministerium von Marco Buschmann (FDP) hielt sich auf Anfrage ebenfalls mit einer rechtlichen Bewertung der Ausführungen Khans zurück.

Ein Regierungssprecher sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Anschuldigungen aus Den Haag wögen schwer und müssten belegt werden. Die Vergleichbarkeit der Vorwürfe gegen die israelische Führung und die Hamas-Vertreter wies er „auf das Entschiedenste“ zurück.

Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD). Er bezeichnete den Antrag Khans als einen „schwarzen Tag für das Völkerrecht“. Auch Po­li­ti­ke­r*in­nen aus der CDU und der FDP äußerten teils scharfe Kritik.

Medico International sieht Bundesregierung auf „Abwegen“

Lob kam unterdessen von der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico International aus Frankfurt. Ihr Geschäftsführer Tsafrir Cohen bezeichnete den Antrag des Chefanklägers Karim Khan als einen „Schritt zur Verteidigung des internationalen Rechts“.

Cohen forderte von der Bundesregierung „ein Umdenken“ gegenüber Israel und den Palästinenser:innen. „Das Vorgehen des IStGh scheint erneut zu bekräftigen, was weltweit für Empörung sorgt und in Deutschland dennoch bezweifelt und teilweise negiert wird: dass sich Israels Militär auf einem mörderischen Kurs befindet und die Bundesregierung auf Abwegen unterwegs ist“, so Cohen.

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