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Antisemitismus-DebatteOyoun gegen „Tagesspiegel“ 2:0

Zum zweiten Mal gewinnt das Kulturzentrum ein Gerichtsverfahren um seinen angeblichen Antisemitismus.

Fassade des Kulturzentrums in Neukölln Foto: Oyoun

Berlin taz | Das Oyoun hat erneut einen juristischen Sieg gegen den Tagesspiegel errungen. Das Landgericht habe in einem einstweiligen Verfügungsverfahren am 26. April verfügt, „die Behauptung von ‚antisemitischen Äußerungen‘ in Bezug auf Oyoun zu untersagen“, erklärte das Kulturzentrum am Montag. Eine Gerichtssprecherin bestätigte auf taz-Anfrage, dass eine einstweilige Verfügung ergangen sei.

Im Newsletter Checkpoint vom 2. April ging es um Äußerungen des Vereins Frauenkreise. Der Tagesspiegel schrieb, nach dem Oyoun habe auch dieser Verein „Probleme mit antisemitischen Äußerungen in eigenen Reihen“. Dies darf die Zeitung nicht mehr schreiben; sie habe keine Beweise erbracht, dass das Oyoun Probleme dieser Art habe, so das Gericht. Am Montagnachmittag wurde der Artikel online überarbeitet.

Ende März hatte das Oyoun erstmals einen Rechtsstreit gegen den Tagesspiegel gewonnen. Seither darf die Zeitung unter anderem nicht mehr behaupten, das Kulturzentrum sei in der Vergangenheit durch „antisemitische Vorfälle“ aufgefallen. Entsprechende Passagen wurden online geändert, nun heißt es „antisemitische Vorfälle seitens Dritter“, ohne dass die Änderung kenntlich gemacht wäre.

Hintergrund ist der Konflikt des Oyoun mit der Kulturverwaltung, die die Förderung des Kulturzentrums Ende 2023 eingestellt hat. Auch dabei ging es um den angeblichen Antisemitismus, festgemacht vor allem an einer Veranstaltung der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ am 4. November. Der Verein gilt vielen als antisemitisch, weil einzelne Mitglieder die BDS-Kampagne unterstützen.

Als das Oyoun die Veranstaltung nicht wie von der Kulturverwaltung verlangt absagte, erklärte Kultursenator Joe Chialo (CDU) kurz darauf die Förderung für beendet. Allerdings behauptete er fortan, sie wäre ohnehin „regulär“ zum Jahresende ausgelaufen. Das Oyoun hat die Verwaltung deswegen verklagt, das Verfahren läuft noch.

Der Tagesspiegel erklärte am Montag, man bleibe dabei, „dass Oyoun zumindest eine Bühne für antisemitisch eingestellte Personen geboten und deswegen offenbar die Landesförderung verloren hat“.

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9 Kommentare

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  • „Der Verein gilt vielen als antisemitisch, weil einzelne Mitglieder die BDS-Kampagne unterstützen.“



    Das ist eine verharmlosende Beschreibung. Etwa Petra Pau warf dem Verein „Holocaustrelativierung“ und „antisemitische Propaganda“ vor. Die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ hat in der Vergangenheit Veranstaltungen von PFLP-Terroristen beworben und Kampagnen von Samidoun unterstützt. Die Vergewaltigungen und Gräueltaten der Hamas werden von der „Jüdischen Stimme“ als „Propaganda“ abgetan, in ihrem Statement zum 7. Oktober hat sie die Massaker als „Gefängnisausbruch“ verharmlost und ausschließlich Israel dafür verantwortlich gemacht.



    „Israel“, so die „Jüdische Stimme“ am 7. Oktober, „zahlt den Preis des Stolzes. Seine Herrscher und die meisten seiner jüdischen Bewohner waren sicher, dass sie keinem menschlichen Gesetz unterliegen und dass das Völkerrecht für sie - Übermenschen - nicht gilt.“ Solche Rhetorik ist bei denen der Normalfall.

    Anbei der Link zu einer Broschüre, in der Aktivitäten und Statements des Vereins geschildert werden, und der die hier verwendeten Zitate entnommen sind:

    iibsa.org/neuersch...gerechten-frieden/

    Dort finden sich auch noch einige weitere Beispiele der Holocaustrelativierung des Vereins.

  • Vielleicht tut er das ja; nirgendwo in seinem Kommentar steht, dass das nicht der Fall ist. Aber darum geht in dem Artikel und den Kommentar auch gar nicht. Sie schreiben am Thema vorbei um zu relativieren, was soll das?

  • Tja, auch Journalisten sollten gerade bei derart aufgeladenen Begriffen aufpassen, sie nicht leichtfertig zu gebrauchen.



    Bleiben wir bei universalen Maßstäben, bewerten wir das Verhalten der Netanyahu-Regierung also soweit möglich weder schärfer noch leichter als andernorts. So halten es auch einige Israeli.

  • Ich gratuliere Oyoun zum Erfolg vor Gericht gegen die unsäglichen Kampagnen des Tagesspiegel! Wichtig, dass solche Stimmen weiterhin Gehör finden und nicht weiter diskreditiert und verleumdet werden.

  • Dann ist ja gut und das Linke Lager kann sich wieder selbstvergewissern, dass man kein Antisemitismusproblem hat; man hat ja nur Dritten die Bühne für antisemitische Veranstaltungen gegeben. Ich führe meinen Teil bin froh, dass auch jene die den Hetzern „nur“ die Bühne bieten nicht von Staatsgeld profitieren.

  • @JIM HAWKINS

    Wenn Sie so munter für "Schuld durch Assoziation" eintreten, dann sollten Sie auch die derzeitige israelische Regierung verachten, schmückt sie sich doch mit den Herren Ben-Gvir und Smotrich.

    Deren Sprüche lassen die Sache mit dem Gefängnisausbruch recht harmlos aussehen...

    Nein, mit Einseitigkeit lässt sich diese Situation nicht lösen.

    • @tomás zerolo:

      Diese rechtsradikalen Politiker sind natürlich furchtbar und ich gehe davon aus, dass deren Karriere ebenso wie Netanjahus bald beendet sein werden.

      Die klopfen Sprüche, sind aber nicht Bestandteil des Kriegskabinetts, was sicher kein Zufall ist.

      Sie sind also der Meinung, dass man durchaus über die Wortwohl eines Gefängnisausbruches diskutieren sollte?

      Haben Sie auch irgendwelche roten Linien?

  • Die Jüdische Stimme hat den 7. Oktober als Gefängnisausbruch bezeichnet.

    Zumindest in Deutschland ist so etwas nicht einmal eine Straftat, also etwas lässliches.

    Wer sich so äußert, sollte nicht in den Genuss von Steuergeldern kommen, nicht direkt und nicht indirekt.

    Das ist alles so verkommen.

  • Spannender ist doch eher die Frage, wie es um die Räume und die Förderung steht.