Debatte um Kulturförderung: Oyoun zeigt die Zähne

Das Kulturzentrum weist neue Vorwürfe zurück. Es verklagt die Kulturverwaltung wegen Ende der Förderung und macht Festival mit der „Jüdischen Stimme“.

Lara Chahal, Nina Martin und Louna Sbou (v.l.n.r.) vom Oyoun

Betrübt ob der drohenden Schließung: Lara Chahal, Nina Martin und Louna Sbou (v.l.n.r.) vom Oyoun Foto: S. Memarnia

BERLIN taz | Das Kulturzentrum Oyoun wehrt sich gegen neu aufgekommene Antisemitismus-Vorwürfe. „Wir machen viel zu Antidiskriminierung und vor allem gegen Antisemitismus“, erklärte Mitgründerin und Leiterin für Fundraising Nina Martin am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in den Räumen an der Neuköllner Hasenheide.

Martin verwies auf den „Code of Conduct“ des Oyoun, der „jegliche Form von Rassismus oder Diskriminierung wie antischwarzen, antimuslimischen Rassismus oder Antisemitismus“ verbietet und auch Be­su­che­r*in­nen in diesem Sinne verpflichtet. Über die Einhaltung würden zwei ausgebildete Antidiskriminierungsbeauftragte wachen, so Martin, die auch externe Gast-Veranstaltungen überprüften und im Zweifel das Gespräch mit Veranstaltern suchten.

Der Tagesspiegel hatte vor zwei Tagen von neuen Vorwürfen gegen die von Schließung bedrohte Kulturinstitution berichtet. Unter anderem geht es darum, dass das Oyoun seine Räume wiederholt Organisationen wie der „Palästina Kampagne“ und „Palästina spricht“ überlassen hat, die nach Auffassung der Kulturverwaltung gegen das Existenzrecht Israels gerichtete, antisemitische Positionen vertreten. Bereits im Mai 2022 habe die Kulturverwaltung das Oyoun gewarnt, solchen Gruppen Räume zur Verfügung zu stellen, so die Zeitung, dies verstoße gegen das 2019 beschlossene Landeskonzept zur Weiterentwicklung von Antisemitismus-Prävention“.

In einer schriftlichen Stellungnahme, die am Donnerstag verteilt wurde, bekräftigte das Oyoun, das Landeskonzept Antisemitismus werde immer eingehalten. Der Tagesspiegel berichtete zudem von weiteren Vorwürfen rings um das Thema Antisemitismus gegen Geschäftsführerin Louna Sbou im früher von ihr mitbetriebenen Café Be’kech. Dazu erklärten Sbou und Martin, diese Vorwürfe seien vor der Zeit des Oyoun geschehen und hätten mit der aktuellen Situation nichts zu tun.

Offizielles Wording

Aktuell droht dem Oyoun das Aus zum Jahresende, weil die Kulturverwaltung seine Förderung einstellt. Hintergrund ist eine Veranstaltung des Vereins Jüdische Stimme vom 4. November. Auch dieser Verein gilt dem Senat als antisemitisch. Die Kulturverwaltung hatte im Vorfeld das Oyoun aufgefordert, die Veranstaltung abzusagen. Als dies nicht geschah, kündigte Kultursenator Joe Chialo (CDU) in einer Sitzung des Kulturausschusses zwei Tage später die Überprüfung der Förderung an.

Zwei Wochen darauf, am 20. November, erklärte Chialo im selben Ausschuss, die Förderung des Oyoun laufe zum Jahresende aus. Von einem Zusammenhang mit der Veranstaltung sprach er dann aber nicht mehr, seither ist das offizielle Wording, die Förderung laufe „regulär“ aus, weitergehende Zusagen an das Oyoun habe es nie gegeben.

Das sehen die Ma­che­r*in­nen des Oyoun anders. Es habe „mehrfach“ eine Zusage der Kulturverwaltung für eine Förderung bis einschließlich 2025 gegeben, bekräftigte Geschäftsführerin Louna Sbou am Donnerstag. Ohne diese Zusage hätte es auch weitere Fördermittel für viele geplante Veranstaltungen und Projekte gar nicht gegeben.

Das Oyoun hat daher am 7. Dezember Klage gegen die Kulturverwaltung eingereicht. Die Ma­che­r*in­nen sehen die Senatsverwaltung in der Pflicht die Förderung fortzusetzen, pro Jahr mit knapp einer Million Euro. Davon seien 30 Arbeitsplätze abhängig, zudem viele schon vereinbarte Kooperationen mit Künst­le­r*in­nen und Gruppen sowohl in Berlin als auch national und international.

„Bedrohung der Meinungsfreiheit“

Als Beweis dafür, dass der Förderstopp kein reguläres Auslaufen der Förderung sondern politisch motiviert ist, nannte Martin auch die Kurzfristigkeit, mit der all dies geschah. Erst vor wenigen Tagen habe der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses den Weg für eine Neuausschreibung des Kulturstandorts freigemacht. Die Ausschreibung habe kein Datum für eine Frist, so Martin, vermutlich werde das Haus in der Lucy-Lameck-Straße über Monate leer stehen. „Wenn die Förderung einfach ausgelaufen wäre, wäre das alles längerfristig vorbereitet worden“, erklärte sie.

Die Ma­che­r*in­nen des Oyoun bekräftigten am Donnerstag ihren Anspruch, minoritären Gruppen und Perspektiven einen „safe space“ für Austausch und Repräsentation zu geben. Das Haus hat einen queerfeministisch-postkolonial-migrantischen Schwerpunkt, arbeitet intersektional und viel mit internationalen Kooperationspartnern zusammen. Doch dieser Schwerpunkt, der von der Berliner Landespolitik vor einigen Jahren noch gewünscht und gelobt worden sei, sei offenbar nicht mehr erwünscht, sagte Sbou.

Was mit dem Oyoun gerade geschehe, müsse als „Weckruf für die Bedrohung der Meinungsfreiheit“ gesehen werden, Kultureinrichtungen und Kulturschaffende müssten jetzt zusammen stehen. Sbou wies darauf hin, dass einen Offenen Brief zum Erhalt des Oyoun bereits über 13.000 Menschen unterschrieben hätten. Ihre Kollegin Martin erklärte, sie sehe die Gefahr einer Zunahme von gruppenbezogenem Rassismus und Generalverdacht. „Migrantische Positionen sind nur dann erlaubt, wenn sie die Perspektive der Mehrheitsgesellschaft nicht erweitern“, sagte sie.

Für dieses Wochenende hat das Haus, das sich seit Beginn seiner Arbeit Anfang 2020 einen internationalen Ruf erarbeitet hat, ein Protest-Festival organisiert. Unter dem Motto “Threads of Resiliance“ gibt es seit Donnerstagabend ein breit gefächertes Programm, unter anderem mit Ver­tre­te­r*in­nen der Jüdischen Stimme und Naomi Klein (online) zum Thema „Israel, Palestine and the Doppelganger Effect“.

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