Antisemitische Karikatur in der „SZ“: Der kriegslüsterne und mächtige Jude
Die „Süddeutsche Zeitung“ hat sich für eine veröffentlichte Zeichnung entschuldigt, die mehrere antisemitische Stereotype transportiert.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) hat am Dienstag eine Karikatur veröffentlicht, die mehrere antisemitische Stereotype transportiert. Die Zeichnung des Karikaturisten Dieter Hanitzsch zeigt die israelische Sängerin und Eurovision Song Contest (ESC)-Gewinnerin Netta Barzilai mit dem Antlitz des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. Dieser wird wie für antisemitische Karikaturen typisch überzeichnet mit großen, abstehenden Ohren dargestellt, auch die Lippen und die Nase sind deutlich vergrößert.
Das „v“ des ESC-Schriftzuges ist durch einen Davidstern ersetzt, auch auf der von Netanjahus linker Hand gehaltenen Rakete ist ein Davidstern zu sehen. Der ESC gilt dem Karikaturisten offenbar als Propagandaevent Israels. In einer Sprechblase ist zu lesen „Nächstes Jahr in Jerusalem!“. Dieser jüdische Gruß wird traditionell am Ende des Pessachfestes ausgerufen, ist nicht politisch und wurde von Barzilai und Netanjahu nach dem ESC-Gewinn wiederholt. Hier wird er zur Kriegspropaganda umgedeutet.
Es ist aus mehreren Gründen berechtigt, die Karikatur als antisemitisch zu kritisieren: Wulstige Lippen und abstehende Ohren sind schon jahrhundertelang in der judenfeindlichen Bildsprache bekannt. Auch die Etikettierung des ESC als jüdisch und die Davidstern-Rakete bedienen Ressentiments gegen Juden – im Weltbild der Antisemiten gelten diese beispielsweise als mächtig, hinterlistig und kriegslüstern.
Diese Stereotype werden hier – ob bewusst oder unbewusst – neu aufgewärmt und auf Netanjahu als Vertreter des „Juden unter den Staaten“ reproduziert, wie der Historiker Léon Poliakov Israel schon vor Jahrzehnten treffend bezeichnete.
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Die „SZ“ entschuldigt sich, der Karikaturist nicht
Immerhin hat sich jetzt der SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach für den Abdruck entschuldigt. Die Zeichnung könne man „als antisemitisch auffassen“. Wenn er allerdings von Hanitzsch ausrichten lässt, „er habe mit seiner Darstellung lediglich darauf hinweisen wollen, dass das nächste ESC-Finale in Jerusalem stattfinden soll“, werden die Leser für blöd verkauft. In der Jüdischen Allgemeinen sagt Hanitzsch: „Ich entschuldige mich nicht.“
Der Antisemitismusvorwurf treffe ihn nicht, da er die Karikatur „so nicht gemeint“ habe. Die Ankündigung „Nächstes Jahr in Jerusalem!“ verstünde er als „Provokation“. Die Jüdische Studierendenunion Deutschland reagierte mit einem Offenen Brief an Hanitzsch und die SZ-Chefredaktion. Darin wird kritisiert, dass durch die Karikatur Juden und Judentum „zu Unrecht mit Israels ESC-Sieg in einen Topf geworfen“ werden. Barzilais Sieg werde so „auf perfide Art und Weise missbraucht“.
Die SZ wurde in den letzten Jahren mehrfach für antisemitische und rassistische Karikaturen kritisiert. Beispielsweise wurde der Facebook-Chef Mark Zuckerberg als hakennasige Krake abgebildet, Israel als gefräßiges Monster. Die neueste Zeichnung kann also nicht als bedauerlicher Einzelfall relativiert werden. Die Auseinandersetzung in der Redaktion muss so konsequent geführt werden, dass eine Wiederholung ausgeschlossen werden kann.
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