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Anti-israelischer Tumult an Berliner Uni„Beschämend gegenüber den Gästen“

Aktivisten brachten eine Diskussion mit der israelischen Verfassungsrichterin Barak-Erez an der Humboldt-Uni zum Abbruch. Jetzt äußert sich die Uni-Leitung.

Die Podiumsdiskussion zum Thema „Constitutional Challenges – Judging in a Constitutional Democracy“ musste abgebrochen werden Foto: Jens Kalaene/dpa

Berlin dpa/epd | Nach dem Abbruch einer Podiumsdiskussion mit einer israelischen Richterin haben Vertreter der Berliner Humboldt-Universität und der Hochschule Hertie School Kritik am Verhalten der propalästinensischen Aktivisten geübt.

„Ich empfinde es als beschämend gegenüber den Gästen, die wir zu einer wichtigen Diskussion eingeladen haben, dass diese nicht wie geplant stattfinden konnte“, sagte Julia von Blumenthal, Präsidentin der Humboldt-Universität, laut einer Mitteilung vom Freitagmorgen. In der Uni müssten „auch äußerst kontroverse Positionen diskutiert werden können“. Das gehe aber nur, wenn man sich gegenseitig zuhöre. „Dazu gab es vonseiten der Aktivisten heute keine Bereitschaft.“

Am Donnerstag störten propalästinensische Aktivisten eine Podiumsdiskussion zum Thema „Constitutional Challenges – Judging in a Constitutional Democracy“ so massiv, dass diese abgebrochen werden musste. Zur Veranstaltung waren internationale aktive und ehemalige Richter geladen worden, darunter auch Daphne Barak-Erez, Professorin und Richterin am israelischen Verfassungsgericht.

Nach Angaben der Unis stand eine Person während der Veranstaltung auf, um ein Statement zu verlesen. Als die Vortragenden auf der Bühne darauf reagieren wollten, seien sie „jedoch durch lautes und andauerndes Gebrüll einzelner Personen“ gestört worden. Die Organisatoren entschieden daraufhin, die Podiumsdiskussion abzubrechen.

„Wissenschaft lebt von Dialog und Austausch. Diesen Raum müssen wir auch an Universitäten anbieten, um konkurrierende Meinungen zu diskutieren“, erklärte Cornelia Woll, Präsidentin der Hertie School, laut der gemeinsamen Mitteilung. Wenn nur noch unter hohen Sicherheitsauflagen in abgeschlossenen Räumen diskutiert werden könne, führe das nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Demokratie in eine Sackgasse.

Forderungen nach Gesetzesverschärfung

Nach einem Angriff auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin (FU) hat derweil der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, seine Forderung nach Konsequenzen bekräftigt. „Das Land Berlin hat in seinem Hochschulgesetz die Universitäten eindeutig dazu verpflichtet, gegen Antisemitismus vorzugehen“, sagte Klein dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Nun müsse es darum gehen, „die rechtlichen Rahmenbedingungen, die im Land schon lange bestehen, konsequent und konkret umzusetzen sowie entschlossen gegen Israelfeindlichkeit und Judenhass auf dem Campus einzuschreiten“.

Gefordert seien sowohl die Berliner Wissenschaftssenatorin als auch der Präsident der FU, sagte Klein. Er unterstütze den Vorschlag von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die Regeln auch in den Landeshochschulgesetzen der anderen Bundesländer zu prüfen und mehr rechtliche Klarheit darüber zu schaffen, wie die Hochschulen mit antisemitischen Vorfällen umgehen können.

Ein 30-jähriger jüdischer Student der FU war am Freitagabend vergangener Woche auf einer Straße in Berlin-Mitte von einem 23-jährigen Mitstudenten angegriffen und schwer verletzt worden. Der Tatverdächtige soll unter anderem im Dezember bereits bei einer Hörsaalbesetzung propalästinensischer Aktivisten beteiligt gewesen sein.

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17 Kommentare

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  • Die vernünftige Konsequenz bei solchen Vorfällen ist nicht, die Veranstaltung abzubrechen, sondern die Störer von der Polizei entfernen zu lassen. Andernfalls unterwirft man sich dem Mob und gibt ihm Recht.

  • Diskussion mit andersdenkenden ist eigentlich sinnvoll, auch die Universität ist ein geeigneter Ort dafür. Die israelische Richterin arbeitet allerdings an einer Institution, die die Annexionspolitik Israels, die Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten und die Enteignung palästinensischen Landes nicht verhindert sondern unterstützt. Es wäre interessant, wie die Richterin zu diesen Fragen Stellung bezieht.

    • @Kölner Norden:

      Nun bestand das Problem aber leider darin, dass die Störer die Richterin nicht zu Wort kommen ließen.

  • Warum verlassen die Menschen den Raum, wie im Video zu sehen?



    Keiner bezieht Stellung gegen diese Schreihälse.



    Das ist sehr beschämend und beängstigend!

  • Interessant. In den Medien haben Vertreter der Universität die Störung zwar kritisiert. Wenn es das Ziel der Störer war, israelische Gäste mundtot zu machen, dann haben die Verantwortlichen der Universität diesen Ansatz zu Ende gebracht. Sie hätten die Polizei rufen können. Sie könnten Hausverbote verhängen. Ein paar Worte des Mißfallens im Nachhinein erscheinen heuchlerisch. Öffentlich distanziert sich natürlich jeder in Deutschland von Antisemitismus. Insgeheim scheint es eine Menge Sympathie zu geben. In intellektuellen Kreisen wird das eher subtil gelebt.

  • Ich muss Kritik am Verhalten der Leitung der Humboldt-Universität üben: Warum ließ sich diese Veranstaltung so leicht sprengen?

    Inzwischen mussten wir in Berlin an den verschiedensten Orten lernen, dass propalästinensische Gruppen penetrant ihre bekannten Sprechchöre ablassen. Die FU zeigte sich vor etlichen Wochen überrascht von der Hörsaalbesetzung. Veranstaltungen der Grünen wurden von propalästinensischen Gruppen gestört. Demonstrationen und Kundgebungen wurden von propalästinensischen Gruppen gestört.

    Warum war die HU nicht bereit, eine Veranstaltung mit einem israelischen Gast so schützen, dass die Veranstaltung stattfinden konnte? Wir leben in einer Welt, in der penetrante Gruppen, wie die propalästinensischen, überall ihre Botschaften durchsetzen wollen. Diese Gruppen sind nicht am Diskurs interessiert, daher müssen für entsprechende Veranstaltungen robuste Sicherheitskonzepte umgesetzt werden.

  • "„Beschämend gegenüber den Gästen“"



    Das ist nicht nur den Gästen gegenüber beschämend. Das ist es grundsätzlich.

    • @Encantado:

      Das sehe ich genauso!

  • Es gibt zu dem Vorfall ein aufschlussreiches Video, wo man die tatsächliche Situation etwas besser einschätzen kann als bloß nach der Berichterstattung und den Statements.



    www.schwaebische.d...ni-verjagt-2259555

    • @Günter Picart:

      Leider konnte ich weder das Video in Ihrem Link, noch ein anderes Video des Vorfalls sehen.

      Auf dem einen Foto, das ich anschauen konnte, scheinen die Teilnehmer ziemlich seriös auszusehen. Ich weiß nicht, ob die palästinensische/Hamas-Seite mit solchen Aktionen weitere Freunde gewinnen kann.

      Ich suche weiter nach einem Link, der gegenwärtig funktioniert. Danke für die Anregung.

    • 1G
      14231 (Profil gelöscht)
      @Günter Picart:

      Was bitte kann man durch die knappe Minute Aufnahmen besser einschätzen? Dass dort ein paar Leute rumgeschrien haben? Genau das findet sich auch in der Berichterstattung.

      Und Leute die an Universitäten rumschreien und nicht bereit sind zuzuhören, kann man nicht ernst nehmen und haben sich für jegliche seriöse Diskussion disqualifiziert. Egal wofür oder wogegen sie schreien.

  • Der Anstieg antisemitischer Vorfälle ist ohne Frage ein gesamtgesellschaftliches Problem, das viele Gesichter hat und keine Landesgrenzen kennt. Aber Anzahl und Häufung solcher Vorfälle in Berlin ist schon auffällig. Laut Bundesverband RIAS fand schon 2022 mit 848 von insgesamt 2480 Vorfällen in Deutschland mehr als jeder dritte in Berlin statt. Zwischen dem 7 Oktober und dem 9. November 2023 verzeichnete die Recherchestelle 282 antisemitische Vorfälle allein in Berlin. Das sind 8 Vorfälle pro Tag.



    Nimmt man dazu noch die Vorkommnisse auf der Hand in Hand Demo, an der FU und sowas hier, zeichnet sich schon ein Bild, dass Berlin da mehr Probleme hat als andere Städte und Bundesländer. Die Frage ist: warum?

  • Warum organisiert sich das linke Milieu hier nicht besser gegen die Störer?

  • Und wieder einmal zeigte sich die häßliche Fratze von Antisemiten und Undemokraten.

  • "Zur Veranstaltung waren internationale aktive und ehemalige Richter geladen worden, darunter auch Daphne Barak-Erez, Professorin und Richterin am israelischen Verfassungsgericht."

    Das wäre sicherlich ein interessanter, bereichernder, anregender und lehrreicher Diskussionsabend geworden. Sehr, sehr bedauerlich, dass er nicht stattfinden konnte. Aber auch vor ca. 75 Jahren haben hier in Deutschland die Dummen schon die Klugen niedergebrüllt.

    Dass jüdische Menschen hier in Deutschland mittlerweile weder als Gäste noch als Einwohner willkommen und sicher sind, finde ich furchtbar. Meiner Meinung nach stellen sich unsere Medien, Gerichte und Politiker dem Judenhass erheblich zu wenig vehement entgegen und hätten es niemals soweit kommen lassen dürfen.

  • Die kontinuierliche Aufarbeitung durch die TAZ ist lobenswert! Aber der Schaden für die politische Linke bleibt.

  • Solche Leute haben keinen Platz an der Uni. Wer Debatten so verhindern will dem fehlt die charakterliche Eignung zum Studenten.