„Anti-Randalierer-Gesetz“ in Frankreich: Volle Kanne gegen das Demo-Recht
Das Parlament will gegen „notorische Unruhestifter“ vorgehen und verschärft Demoverbote. Das ist selbst in der Regierungspartei umstritten.
Dahinter steckt die Absicht, „notorische“ Unruhestifter, die der Polizei bereits bekannt sind, daran zu hindern, an öffentlichen Kundgebungen teilzunehmen. Auch soll die Möglichkeit präventiver Kontrollen und legaler Durchsuchungen von potenziellen Demonstranten erweitert werden. Und schließlich sollen Teilnehmende für eventuelle Schäden bei ausartenden Demonstrationen persönlich haften.
Da sich Senat und Nationalversammlung nicht auf einen gemeinsamen Gesetzestext einigen konnten, kommt es zu einer zweiten Lesung. Die Abgeordneten hatten die im Senat von der konservativen Opposition eingebrachte Vorlage in einigen Punkten abgeschwächt. So ist nicht mehr vorgesehen, bereits wegen Gewalt verurteilte oder bekannte Demonstranten systematisch in einer Datenbank vorab zu erfassen und sie an einer Teilnahme an Kundgebungen mit einer Meldepflicht auf der Polizeiwache zu hindern. Vorbelastete „Unruhestifter“ sollen aber mit einem Demonstrationsverbot belegt werden, wenn „ausreichende Gründe vorliegen“ für den Verdacht, dass diese Person „mit ihrem Verhalten eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt“. Bei Zuwiderhandlung droht eine Haftstrafe von sechs Monaten.
Die jetzt erweiterten Kompetenzen der Polizei erinnern an die Ausnahmebestimmungen des Notstands anlässlich der islamistischen Attentatswelle nach 2015. Der Senat wollte zudem, dass selbst in der weiteren Umgebung, Autos und Gepäck durchsucht werden dürfen. Die bereits geltende Vermummungsverbot bei Kundgebungen stellt künftig ein Strafdelikt dar, das im Höchstfall mit einem Jahr Gefängnis und 15.000 Euro Geldbuße geahndet werden kann.
„Gesetz bedroht die Bürger“
Die linke Opposition lehnte diese Vorlage als „Einschränkung der Bürgerrechte“ ab. Auch einigen Abgeordneten der Regierungspartei „La République en marche“ geht diese Repression als Antwort auf die Krise wegen der Gelbwesten-Proteste zu weit. François Sureau, Anwalt und ein Freund und Ratgeber von Präsident Emmanuel Macron, warnte in den Medien: „Dieses Gesetz bedroht nicht die Casseurs, sondern die Bürger.“ Er hält die Einschränkung des Demonstrationsrechts für höchst bedenklich: „Will man am Ende, dass nur noch Leute eine Erlaubnis zum Demonstrieren haben, die der Polizei genehm sind?“
Diese Einwände fanden Gehör im bürgerlichen Lager. So erklärte Charles de Courson, ein Vertreter des Zentrums, vor der Nationalversammlung: „Falls wir eines Tages eine extreme Rechte an der Macht haben, werdet ihr begreifen, dass es ein Wahnsinn ist, so etwas zu verabschieden!“ Bevor das Gesetz – nach der fälligen zweiten Lesung – in Kraft treten kann, wird sich das oberste Verfassungsgericht damit befassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“