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Anschlusslösung für das 9-Euro-TicketDer Streit ums Geld geht weiter

Das 49-Euro-Ticket ist noch nicht in trockenen Tüchern. Die Länder fordern weiterhin mehr Mittel für den öffentlichen Nahverkehr.

Haltestelle Europaplatz in Karlsruhe Foto: Arnulf Hettrich/imago

Berlin taz | Die Einigkeit über die Einführung eines bundesweit geltenden Klimatickets für den Nahverkehr täuscht. In den entscheidenden Streitpunkten haben sich Bund und Länder kaum angenähert. Nun müssen die Ministerpräsidenten ran und mit der Bundesregierung verhandeln, was schon in der kommenden Woche anstehen könnte. Denn die Länder haben eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel zur Vorbedingung für die Einführung des 49-Euro-Tickets gemacht. Auf der Wunschliste steht ein Betrag von 1,5 Milliarden Euro. Weitere 1,6 Milliarden wollen sie vom Bund als Ausgleich für die massiven Kostensteigerungen, insbesondere bei Energie. Das lehnt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bisher ab.

Doch mit der Grundsatzentscheidung für die überall im Nahverkehr geltende Zeitkarte steigt der Einigungsdruck. Scheitern die Gespräche, „sieht es düster aus“, so der Verband Mofair, der die privaten Nahverkehrsunternehmen vertritt. „Überall kursieren Szenarien, welche Linien ausgedünnt werden müssten, wenn nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt wird“, warnt Mofair-Chef Tobias Heinemann. Bis zu 30 Prozent der Verkehre könnten abbestellt werden. Dann wäre das Ticket ein „klimapolitischer Fehlschlag“. Auch der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) fürchtet, dass weniger Busse und Bahnen fahren, wenn weniger Geld überweist wird.

Über das 49-Euro-Ticket hinaus strebt Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) einen sozial gestaffelten, bundesweit geltenden Nahverkehrstarif an. „Viele Menschen können die 49 Euro im Monat nicht aufbringen“, sagt sie. Das wäre ein „ökosoziales Produkt für alle“. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bringt wieder ein 365-Euro-Ticket nach dem Vorbild Wiens ins Spiel.

Die Diskussion ist eine Folge des großen Erfolgs des 9-Euro-Tickets, das es in den drei Sommermonaten gab. 52 Millionen Fahrscheine wurden verkauft. Ein Schwachpunkt des Nahverkehrs zeigte sich dabei: Das Angebot, insbesondere in ländlichen Gebieten, ist unzureichend und bessere Alternativen sind teuer. Einen radikaleren Schritt schlägt der Verkehrswissenschaftler Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) vor: einen Ticketpreis von 29 Euro und den Ausbau des Nahverkehrs in den Regionen. Das Ticket müsse auch auf der letzten Meile „im Sammeltaxi“ gelten, sagt Knie. Die Kosten von 16 bis 18 Milliarden Euro könnten durch den Abbau der Steuersubvention für Diesel, des Dienstwagenprivilegs und der Entfernungspauschale zusammenkommen.

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12 Kommentare

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  • Ich glaube man sollte abstufen: ein Regionalticket, maximal für ein Bundesland, für 49 Euro. Bundesweit dann für 89. Die Grenzpendler muss man noch irgendwie berücksichtigen. Für 49 nach Belieben einen ganzen Monat durch die ganze Republik ist indes zu billig. Das liegt, im Gegensatz zu dem Preis für eine Region den ich vorschlage, ganz deutlich unter dem Preis einer Einzelfahrt.

  • Uns würde es freuen mit einem 49-Euro-Ticket. Über 30 Euro weniger im Monat und wahrscheinlich noch reduzierte Semesterbeiträge unserer studierenden Kinder. Ob allerdings viele Menschen deshalb auf den ÖPNV neu einsteigen werden wage ich zu bezweifeln. Für sehr viele in diesem Land ist auch dieser Preis kaum zu tragen. Und wer in der oft strukturschwachen Provinz lebt, könnte es sowieso kaum nutzen. Hier wird v.a. ein urbanes und situiertes Milieu beglückt.

  • Es entspricht bei uns einem ermäßigten Monatsticket. Also für die Normalbezieher eine Verbesserung. Aber niemand wird dafür auf Bus und Bahn umsteigen. Letztlich die übliche Symbolpolitik. Schlauer wäre es, Hilfen zur Verfügung zu stellen, dass auch die Einzeltickets preiswerter werden. Deren Preise haben sich bei uns in den letzten Jahren verdoppelt.

  • In einem Land, dass noch nicht einmal Willens ist, Schülern und Schülerinnen den Schulweg mit Bus und Bahn grundsätzlich kostenlos zu ermöglichen diskutiert man über ein 49 € Ticket für den Nahverkehr ?

    Geht's noch ?

  • 6G
    656279 (Profil gelöscht)

    Ende Gelände; mit dem "Ticket"

    Der gern kolportierte Umweltgedanke bleibt nun vollkommen außen vor, denn wer sind die neuen Nutzer, die vom Auto auf den OPNV umsteigen sollen? Wo sind sie?

    Vom Preis her ist eher Abschreckung angesagt, sind knapp 600 Euro im Jahr weit mehr als der gern verkündete eine Euro pro Tag, die 365 Euro im Jahr. Das und vielleicht einige wenige neue und natürlich auch zusätzliche (Freizeit)Nutzer hätte nur das Ticket zu 29 Euro/Monat gebracht. Wer bislang schon auf den ÖPNV angewiesen war, der ist dann nicht "neu", nicht zusätzlich. Er kann sich im besten Fall über einen etwas geringeren (Abo)Preis freuen als bislang.

    Und wer "außerhalb" wohnt bleibt ohne strukturelle, viel Geld kostende Verbesserung der Infrastruktur eh außen vor; die vielen Dienstwagenfahrer wegen einer in der Regel spezifischen Nutzung ebenso.

    Vom Handling her war es beim 9-Euro Ticket nun wirklich einfach, faktisch anonym und ohne jede Verpflichtung. Stattdessen muss so ein Abo eingerichtet, von den Betreibern verwaltet, vom Nutzer mit Daten hinterlegt werden und ist nur unter Einhaltung von Fristen explizit zu kündigen.

    Das je nach Sichtweise vielleicht Positive: Da es kaum mehr Nutzer geben wird, so brauchen der Staat und die Länder auch nicht in neue Trassen, Fahrzeuge und Personal sowie die Infrastruktur zu investieren. Was perspektivisch jedoch vielleicht kommt das ist die deutschlandweite Verfügbarkeit unter einheitlichen Bedingungen. Vielleicht ...

    • @656279 (Profil gelöscht):

      Ich denke, es ist ein Trugschluss zu erwarten, dass in den 3 Monaten der grosse Umstieg auf den ÖPNV gekommen sein muss.

      Wenn man aber die Sichrheit hat, dass der ÖPNV in ausreichender Form kostengünstig und übersichtlich zur Verfügung steht, fließt das in die Überlegung ein, ob man (wieder) ein Auto bzw. einen Zweitwagen anschafft.

      Das einfache Handling ist aus meiner Sicht ein nicht zu unterschätzender Aspekt.

  • Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann...



    Verstehe ich das richtig?



    Die Länder sind " natürlich für" eine Verlängerung des "999 Tickets", wollen allerdings, statt die Hälfte zu zahlen, 1,6 Mrd. zusätzlich?



    Das nenne ich dann mal vollen Einsatz für den Öffentlichen Nahverkehr!

  • "Auf der Wunschliste steht ein Betrag von 1,5 Milliarden Euro. Weitere 1,6 Milliarden wollen sie vom Bund als Ausgleich für die massiven Kostensteigerungen, insbesondere bei Energie. Das lehnt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bisher ab."



    Warum auch 3,1 Milliarden für den ÖPNV? Dann doch lieber 100 Milliarden für Aufrüstung ... "Wenn das "Volk" keinen ÖPNV nutzen kann, soll es doch Panzer fahren." /Sarkasmus/

  • "Entfernungspauschale" dass kürzen städter am liebsten....

  • taz: „Viele Menschen können die 49 Euro im Monat nicht aufbringen“, sagt sie (Bettina Jarasch (Grüne)).

    Das interessiert doch die "Porsche"-Partei nicht, da arme Menschen nicht zu deren Wählern gehören. Außerdem möchte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) das "49-Euro-Klimaticket" als Abo anbieten, damit der arme "Pöbel" auch ja nicht in die Bahnen und Busse kommt. Falls jemand nicht weiß was ein Abo ist, habe ich hier die Definition: *Ein Abonnement (Abkürzung: Abo) ist ein Dauerschuldverhältnis, das im regelmäßigen Bezug einer Leistung, meist gegen ein Entgelt, besteht*. Viele Millionen arme Menschen sollen sich also auch noch in ein "Dauerschuldverhältnis" begeben. Wenn Deutschland wirklich eine Mobilitätswende schaffen möchte, dann brauchen wir einen günstigen ÖPNV, und zwar einen, der auch von armen Menschen bezahlt werden kann.

  • Nun konnte man doch mit dem 9-Euro-Ticket Erfahrungen sammeln, dass die bundesweite Gültigkeit extreme Überlastungen auf bestimmten Strecken und zu bestimmten Zeiten verursacht.

    Monatskarten, die es zwar bundesweit gibt, die aber einen geringerem Preis haben und im Gegenzug nur ein kleineres Fahrgebiet umschließen, wären sozial gerechter und würden, im Zusammenwiren mit preiswerteren Einzelfahrscheinen, auch zu mehr umsteigern führen.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Das ist nur für bestimmte Menschen interessant.



    Das Ticket gibt es nur im Abo. Für Rentner/innen, die nur in ihrer Umgebung unterwegs sein müssen, viel zu teuer. Für ein Ehepaar schon gar nicht machbar, bei normler Rente und den jetzigen Preissteigerungen.



    Auf das Sozialticket haben sie aber auch keinen Anspruch.



    Es müssen bezahlbae Lösungen für Regionaltcet her, ohne Abo.



    Als Monatskarte!