Anklage wegen Budapest-Angriffen: Vorwurf versuchter Mord
Eine Nürnbergerin soll mit Autonomen in Budapest Neonazis überfallen haben. Die nun erhobene Anklage kritisiert ihr Anwalt als „überdreht“.

Hanna S. war Anfang Mai in Nürnberg festgenommen worden. Sie war zuvor nicht abgetaucht, sondern offen ihrem Kunststudium und ihrer Arbeit nachgegangen. Nach taz-Informationen war sie kurz vor ihrer Festnahme sogar noch einer Zeugenladung bei der Polizei gefolgt.
Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe um Hanna S. in Budapest fünf schwere Angriffe auf Personen vor, die sie als Rechtsextremisten ausgemacht hätten. An dem Februar-Wochenende hatten sich Neonazis aus ganz Europa in Budapest zu einem „Tag der Ehre“ versammelt und dort die Wehrmacht und Waffen SS verherrlicht.
Hanna S. selbst soll sich laut Anklage an zwei Angriffen auf drei Personen beteiligt haben. Die Opfer seien mit Schlagstöcken und einem Hammer verprügelt worden, mit gezielten Schlägen auch gegen Kopf und Oberkörper. In einem Fall habe ein Angegriffener erhebliche Kopfwunden erlitten, die zum Tode hätten führen können, so die Anklage. Im zweiten Fall, einen Tag später, habe ein Opfer mindestens 15 Schläge überwiegend gegen den Kopf erlitten, auch der zweite Betroffene mehrere Schläge. Auch diese beiden Männer hätten mehrere Kopfplatzwunden erlitten. Einen der Angriffe wertet die Bundesanwaltschaft als versuchen Mord, den anderen als gefährliche Körperverletzung.
Anwalt kritisiert Anklage als „überdreht“
Die Anklage wurde bereits am 20. September erhoben, aber erst jetzt von der Bundesanwaltschaft öffentlich gemacht. Der Prozess soll vor dem Oberlandesgericht München geführt werden, das nun über die Zulassung der Anklage entscheidet. Hanna S. soll sich zu den Vorwürfen bisher nicht geäußert haben.
Yunus Ziyal, Anwalt von Hanna S., kritisierte die Anklage scharf. Der Vorwurf des versuchten Mordes sei „überdreht“, die Bundesanwaltschaft wolle das Verfahren „eskalieren“. Ziyal verwies darauf, dass der Bundesgerichtshof beim Haftbefehl gegen Hanna S., und auch in einem Parallelverfahren gegen die nonbinäre Person Maja T., den Vorwurf des versuchten Mordes zurückgewiesen hatte. Verhängt wurde der Haftbefehl stattdessen wegen gefährlicher Körperverletzungen und Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Ziyal sagte, es wirke, als habe die Bundesanwaltschaft keine nüchterne juristische Prüfung verfolgt, sondern „übergeordnete Ziele“. Offenbar sei der Vorwurf des versuchten Mordes auch ein Signal an die Untergetauchten – denn dieser Vorwurf verjährt nicht.
Bisher kein Auslieferungsersuchen Ungarns
Laut Ziyal und auch eines Sprechers des Oberlandesgerichts gab es im Fall Hanna S. bisher kein Auslieferungsersuchen Ungarns. Anders war es zuletzt im Fall Maja T. Die nonbinäre Person gehörte ebenso zu den Gesuchten nach den Budapesten-Angriffen und war bereits im Dezember 2023 in Berlin festgenommen worden. Zuletzt wurde Maja T. unter fragwürdigen Bedingungen nach Ungarn ausgeliefert. Der Thüringer*in droht nun eine langjährige Haftstrafe, der Prozess soll in Budapest geführt werden.
Erst Ende September hatten Angehörige von Maja T. und weiteren Untergetauchten im Thüringer Jena gegen die drohenden Auslieferungen nach Ungarn demonstriert – und für eine Zurückholung von Maja T. nach Deutschland. Auch gegen die Festnahme von Hanna S. hatten linke Unterstützer*innen protestiert.
Schon zuvor hatten die anderen Untergetauchten über ihre Anwält*innen erklärt, sie würden sich stellen, wenn eine Nichtauslieferung nach Ungarn garantiert würde. Darauf ging die Bundesanwaltschaft bisher nicht ein.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf
US-Außenpolitik
Transatlantische Scheidung
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen