Angst nach den Angriffen in Amsterdam: Das waren Hetzjagden
Die Gewaltszenen gegen Israelis in Amsterdam sind keine Einzelfälle. Die Lage für jüdische Fußballfans wird immer bedrohlicher.
D ie Szenen aus Amsterdam gingen schnell um die Welt: Nach Abpfiff des Spiels zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv am vergangenen Donnerstag kam es zu massiver Gewalt gegen die angereisten israelischen Fans. Und das sorgt für immer mehr Angst unter jüdischen Fußballfans in Europa.
Videos, die in den sozialen Medien kursieren, zeigen eine am Boden liegende Person, offenbar bewusstlos, auf die eingeprügelt wird; einen Fußgänger, der von einem Autofahrer überfahren wird; Menschen, die um Gnade flehen, die beteuern „nicht jüdisch“ zu sein in der Hoffnung, verschont zu werden; eine Person, die in eine Gracht geworfen wurde. Und das hämische Gelächter der Täter, die aussprechen, dass all dies im Namen Palästinas und Gazas geschieht. Einer rief, er sei auf einer „Judenjagd“. Ein anderer trug ein Stirnband der Hamas.
Ja, die aktive Fanszene von Maccabi Tel Aviv ist teilweise von rechten Hools geprägt, wie der Gruppe „Fanatics“. Sie randalierten selber vor dem Spiel, rissen Palästina-Flaggen von Fenstern und sangen rassistische und kriegsverherrlichende Lieder auf ihrem Weg ins Stadion. Rechtfertigt dies jedoch die zügellose Gewalt, die sich nach dem Spiel deutlich zeitversetzt abspielte? Ist es legitim gewesen, dass man die Stadt nach Israelis durchsuchte, völlig irrelevant, ob sie zu Maccabi gehören? Ist es fair, jeden einzelnen Fan ins Visier nehmen zu dürfen? Frauen, Familien, Kinder?
Das in Amsterdam waren Hetzjagden. Hetzjagden, die an Chemnitz im Spätsommer 2018 erinnerten, als ein Mob von Rechtsextremen und Nazis die Stadt nach migrantisierten Menschen durchkämmte, um ihnen Gewalt anzutun. Und genau wie in Chemnitz waren die Sicherheitsbehörden in Amsterdam schlecht auf die Situation vorbereitet.
Rache für Gaza
Die Täter waren nicht von Ajax Amsterdam, einem Verein, der eine lange jüdische Tradition hat und mit Maccabi Tel Aviv eine Freundschaft pflegt. Sondern ihr Motiv war: Rache. Rache für den Krieg in Gaza, Rache an Israelis. Und man darf auch annehmen, dass sie einen ähnlich psychologischen Effekt wie die Hamas und ihre Taten vom 7. Oktober erzeugen wollten – Erniedrigung und des Terrors.
Dass Teile der Maccabi-Fans ihnen „Gründe“ gaben, sie „provoziert“ haben, spielt keine Rolle. Jede israelische Gruppe hätte zum Ziel werden können. Denn sie fragten nach den Pässen, in denen nicht etwa drinsteht, ob man Hooligan, sondern ob man israelischer Staatsbürger ist. Fotos dieser gestohlenen Pässe teilten die Täter dann stolz in den sozialen Medien. So was wäre in einer europäischen Hauptstadt vor wenigen Jahren noch unvorstellbar gewesen und dies beunruhigt nicht nur Israelis, sondern auch die jüdische Diaspora.
Die Hetzjagden in Amsterdam waren dabei kein Einzelfall. Immer wieder kommt es im Fußball zu antisemitischen Parolen, Anfeindungen, Übergriffen. Zum Beispiel ebenfalls am Donnerstagabend in Berlin: Nach einem Jugendspiel zwischen TuS Makkabi und DJK Schwarz-Weiß Neukölln seien die jungen Makkabi-Spieler mit Stöcken und Messern verfolgt worden. Laut dem Vater eines der Makkabi-Spieler seien die Kinder auch mehrfach beleidigt und bespuckt worden.
Oder nach dem Spiel zwischen Dortmund und Celtic Anfang Oktober: Die angereisten schottischen Fans hinterließen „Fuck Hersh“-Botschaften im BVB-Stadion – als Antwort auf das Engagement zahlreicher deutscher Fußballvereine wie Werder Bremen, die an den israelischen Fußballfan Hersh Goldberg-Polin erinnerten, der am 7. Oktober 2023 von der Hamas entführt und im August dieses Jahres von der Terrororganisation per Kopfschuss hingerichtet wurde.
Gefühl der Unsicherheit
All das führt zu einem tiefen Gefühl der Unsicherheit unter jüdischen Fußballfans wie mir, die jetzt umso mehr Angst in der Kurve oder auf dem Nachhauseweg haben müssen, als wir zum Teil ohnehin schon hatten. Denn für uns gelten offenbar andere Maßstäbe. Stundenlange Hetzjagden werden zu „Ausschreitungen unter Fans“ deklariert. Und kritikwürdiges Verhalten, wie es leider von Fans aus aller Welt zu sehen ist, wird bei Israelis zur Rechtfertigung für eine kollektive Bestrafung durch Gewalt.
In Hannover gab es am Samstag eine Kundgebung, die die Vorkommnisse in Amsterdam gefeiert hat und sich solche Szenen auch hier in Deutschland wünscht. Und am kommenden Donnerstag spielt die israelische Mannschaft gegen Frankreich in Paris. Bei vielen Fans herrscht jetzt umso mehr Angst, dass die Hetzjagden aus Amsterdam sich wiederholen könnten. Und in diesen Tagen wird sich entscheiden, ob wir ein friedliches Fußballspiel erleben werden oder Israel wieder seine Flugzeuge zur Evakuierung schicken muss.
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