Angriffe gegen politisch Engagierte: Gewaltwelle löst Debatte aus
Immer mehr Fälle: Die Innenministerkonferenz plädiert dafür, Angriffe auf politisch Aktive härter zu ahnden. In der Ampelkoalition gibt es daran Kritik.
Ein Angreifer habe die 47-jährige Politikerin laut Polizei beiseitegestoßen, sie beleidigt und bedroht. Außerdem soll er zwei Wahlplakate heruntergerissen haben. Eine zweite Angreiferin soll die Politikerin den Angaben zufolge bespuckt haben. Zuvor sollen die beiden in einer Gruppe gestanden haben, aus der heraus der Hitlergruß gezeigt wurde.
Gegen den 34-Jährigen werde wegen Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung und Sachbeschädigung ermittelt, gegen die 24-Jährige wegen Körperverletzung. In beiden Fällen werde auch wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.
Am Freitagabend war ebenfalls in Dresden der SPD-Europapolitiker Matthias Ecke von mutmaßlich vier Angreifern krankenhausreif geschlagen worden. Zudem wurde ein Wahlkampfteam der Grünen attackiert. In der Nacht zu Mittwoch wurde außerdem bekannt, dass die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Dienstagnachmittag bei dem Besuch einer Bibliothek im Neuköllner Ortsteil Rudow von einem Mann angegriffen und leicht verletzt worden ist.
Schon am Donnerstag waren in Essen der Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und der dritte Bürgermeister Rolf Fliß (beide Grüne) angegriffen und beleidigt worden. Fliß wurde ins Gesicht geschlagen und leicht verletzt, der Staatsschutz ermittelt.
Während das Landeskriminalamt Sachsen beim Angriff auf Ecke derzeit von einem rechtsextremen Hintergrund ausgeht, waren die Hintergründe des Übergriffs auf Giffey zunächst unklar. Dem Nachrichtenmagazin Spiegel zufolge prüfen die Ermittler*innen derzeit, ob bei dem 74 Jahre alten Tatverdächtigen eine psychische Erkrankung vorliegt.
Lüge, Gewalt und Bedrohung
Am Dienstagabend hatte sich die Innenministerkonferenz (IMK) in einer Sondersitzung mit den jüngsten Angriffen befasst und diese verurteilt. Lüge, Gewalt und Bedrohung drohten „immer stärker Teil einer Unkultur unseres politischen Diskurses zu werden“, warnte der IMK-Vorsitzende, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU). Dies gefährde die Demokratie und den freiheitlichen Rechtsstaat insgesamt.
Die IMK forderte eine Überprüfung der Strafgesetze, um Angriffe auf politisch Aktive schärfer ahnden zu können. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, über mögliche Strafrechtsänderungen mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zu beraten.
Aus den Reihen der Ampelkoalition gibt es an diesen Vorschlägen aber bereits Kritik: „Härtere Strafen sind schnell gefordert – vor allem kurz nachdem öffentlichkeitswirksame Straftaten erfolgt sind“, sagte etwa der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle. Polizeibeamte vor Ort und eine gut ausgestattete, zügig arbeitende Justiz seien aber viel wirkungsvoller.
Auch die Grünen-Abgeordnete Misbah Khan erklärte: „Statt härterer Strafen muss das Vollstreckungsdefizit bei Haftbefehlen endlich angegangen werden.“ Sie forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, Gewalt gegen Politiker und Ehrenamtliche bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen.
Campact sammelt für attackierte Politiker:innen
Die Kampagnen-Organisation Campact startete derweil einen Fonds zur Unterstützung attackierter Politiker*innen und gegen rechtsextreme Gewalt in demokratischen Wahlkämpfen. Schon am Wochenende hatte Campact zu Spenden an die betroffenen Ortsverbände in Dresden und Essen aufgerufen und auch selbst 30.000 Euro dazugegeben. Diese Spenden sollen nach Angaben der Organisation nun bundesweit verstetigt werden.
Der Fonds mit insgesamt 250.000 Euro solle dabei wirken wie ein Bumerang: „Unsere Demokratie lebt von einer engagierten Zivilgesellschaft und einer vielfältigen Parteienlandschaft“, erklärte Felix Kolb, Geschäftsführender Vorstand von Campact. „Mit tätlichen Angriffen auf Demokrat*innen sollen wir mundtot gemacht werden. Mit dem Bumerang-Fonds drehen wir diese Logik um und spenden dort, wo die Attacke stattfindet.“ Das Geld sorge so am Ende für mehr statt weniger Sichtbarkeit vor Ort, so Kolb.
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