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Angriffe auf AndersdenkendeWenn die AfD zur Gewalt greift

Opferverbände klagen über vermehrte Angriffe durch AfD-Kommunalpolitiker. Die Entwicklung sei „besorgniserregend“.

Die AfD hat eine besorgniserregende Zahl gewaltbereiter Menschen in ihren Reihen Foto: Arnulf Hettrich/imago

Berlin taz | Erst Ende März war der Schkopauer AfD-Gemeinderat und Kreistagsabgeordnete Sven Ebert in Sachsen-Anhalt verurteilt worden. Der Grund: Im Mai 2021 soll er zwei Frauen mit Pfefferspray attackiert haben, denen er vorwarf, ein AfD-Plakat besprüht zu haben. Einer soll er auch ins Gesicht und in den Bauch getreten haben. Sechs Monate auf Bewährung bekam er dafür. Schon zuvor war Ebert verurteilt worden, weil er in einer Mensa in Halle zwei Studierende mit Pfefferspray angegriffen hatte, die ihn beschimpft haben sollen.

Laut dem Dachverband der Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt (VBRG) ist der Übergriff kein Einzelfall. In einer Übersicht, die der taz vorliegt, warnt der Verband, dass sich Angriffe durch AfD-Politiker:innen inzwischen „besorgniserregend“ häuften. Eine konkrete Zahl wird nicht genannt, aber mehrere drastische Beispielfälle sind aufgelistet. Keine andere Partei habe „ein derartig großes Potenzial an rechten Gewalttätern in den eigenen Reihen wie die AfD“, warnt der Verband.

Offizielle Polizeizahlen zu dieser Frage existieren nicht. Die Parteizugehörigkeit von Tatverdächtigen wird in der Kriminalstatistik grundsätzlich nicht erfasst, sagte ein BKA-Sprecher der taz.

Beleidigt, geschlagen, gebissen

Die Opferberatungsstellen aber verweisen etwa auf den Berliner AfD-Bezirksverordneten Kai Borrmann, der eine Musikjournalistin beleidigt, geschlagen und gebissen hatte und zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt wurde. Oder auf den früheren Brandenburger AfD-Kreistagsabgeordneten Marcel Donsch, der 2015 mit drei Komplizen in Selbstjustiz einen Mann gefesselt, verprügelt und in einem Wald ausgesetzt haben soll, weil dieser Frauen drangsaliert habe.

In Freiburg wiederum hatte der frühere AfD-Gemeinderatskandidat Robert H. zwei Jugendliche mit Reizgas attackiert, als diese ihn einen „Fascho“ nannten. Als ein älteres Ehepaar dazwischenging, wurde auch dieses besprüht, dem Mann stach H. ein Messer in die Brust. Für den Pfeffersprayangriff wurde der AfD-Mann verurteilt, den Messerstich wertete das Gericht als Notwehr.

Der Paderborner AfD-Mann Mirko F. schlug 2021 die Linken-Bundestagskandidatin Martina Schu bei einer Gegenkundgebung zu einer AfD-Veranstaltung gegen den Kopf. Der sächsische AfD-Mann Daniel Zabel wurde 2022 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er als JVA-Bediensteter mit Kollegen im Jahr 2018 Häftlinge aus rassistischen Motiven misshandelt haben soll. Und in Freiburg hatte der frühere AfD-Stadtrat Dubravko Mandic einen Radfahrer mit einem Reizgas attackiert, der einschreiten wollte, als Mandic zwei Personen festhielt, denen er unterstellte, AfD-Plakate beschädigt zu haben.

„Die Gefahr wird unterschätzt“

Robert Kusche von der sächsischen Opferberatung RAA warnt: „Die Folgen dieser Gewalttaten sind für die Betroffenen besonders gravierend.“ Denn die AfD-Täter seien oft bürgerlich situierte, ältere Männer, die nicht dem Klischee rechter Gewalttäter entsprächen. „Die von ihnen ausgehende Gefahr und Bedrohung wird schlichtweg unterschätzt“, so Kusche. Vielfach würden die AfD-Angreifer zudem keine Reue zeigen, sondern sich selbst als Opfer bezeichnen und auf Notwehrrechte pochen. Und die Partei fungiere als Stichwortgeber für Hass gegen Geflüchtete und Andersdenkende, was Gewalttäter motivieren könne.

Auf der anderen Seite fürchteten die Angegriffenen um ihre Sicherheit und fühlten sich „im Stich gelassen“, sagt Kusche. Umso mehr, als die AfD in Umfragen vor allem in Ostdeutschland derzeit breiten Zuspruch erhalte.

Auch angesichts der Vorfälle fordern die Opferverbände eine konsequente Abgrenzung aller demokratischen Parteien von der AfD. „Die zunehmende Gewaltbereitschaft der AfD verbietet jede Zusammenarbeit“, erklärt Kusche. „Die demokratischen Parteien müssen sich klar auf die Seite der Angegriffenen stellen.“

Richtigstellung: In einer ersten Version hieß es, der frühere Freiburger AfD-Stadtrat Dubravko Mandic habe einen Radfahrer mit einer Zange geschlagen. Dies ist nicht korrekt. Er hatte den Radfahrer mit einem Reizgas attackiert, wofür er rechtskräftig verurteilt wurde. Ein Mitbeschuldigter soll den Radfahrer mit einer Zange oder Schere angegriffen haben. Dieser wurde freigesprochen, weil eine Notwehrsituation nicht ausgeschlossen werden konnte. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. d. R.

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24 Kommentare

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  • @RUDOLF FISSNER

    Sie meinen, die Baseballschläger*innen von den Violetten?

    Hufeisen allenthalben.

  • "Keine andere Partei habe „ein derartig großes Potenzial an rechten Gewalttätern in den eigenen Reihen wie die AfD“, warnt der Verband."

    Sammelt der Verband etwa auch Gewalttaten im Zusammenhang mit den anderen Parteien?

  • @INGO BERNABLE

    Ich glaube, das zitierte Stück lässt diese Mehrdeutigkeit gar nicht zu :-)

  • Die Gewalt beginnt mE schon mit irreführender Sprache, Stichwort "Habeck's Heiz-Hammer", oder "Heizchaos" u. "Links-Grüne Politik", aber auch durch die Störungen der FDP in Richtung des Koalitionspartners. Sollten Grünen-Politiker:innen zum Ziel von körperlichen Angriffen werden, dann trägt dieses v.g. Bashingsystem dafür eine Mitverantwortung.

    • @Gerhard Krause:

      Ich stimme Ihnen ja zu, dass die grüne "Klimaschutz"-Politik, die zu partieller Deindustrialisierung und zur Verschlechterung der Lebenssituation derjenigen Bevölkerungsteile führt, für die Linke früher gekämpft haben, alles andere als "links" ist. Aber es sind doch auch die Grünen und ihre Anhänger selbst, die grüne Politik als "links" framen. Ich zitiere mal die frühere Parteivorsitzende Claudia Roth: "Die Grünen sind eine moderne linke Partei." Quelle: www.boell.de/de/de...mokratie-4524.html

      • @Budzylein:

        Ich meine, Sie verstehen mich absichtlich falsch. Es geht, egal von wem aus, um das Verfemen der Grünen aufgrund ihrer Klimaschutz-Politik, die insbesondere von Konservativen und Rechten mit aggressiven irreführenden Wortschöpfungen belegt werden. M.E. sind die Gründe die Versuche von Stimmenfang und Manipulation. Ziel ist mE , damit sich für die Mächtigen nichts ändert und eine starke Rechte zur Unterdrückung und damit Durchsetzen eines neuen Feudalismus.

  • taz: "... war der Schkopauer AfD-Gemeinderat und Kreistagsabgeordnete Sven Ebert in Sachsen-Anhalt verurteilt worden. Im Mai 2021 soll er zwei Frauen mit Pfefferspray attackiert haben. [...] Einer soll er auch ins Gesicht und in den Bauch getreten haben."

    Ein Mann der Frauen schlägt (egal aus welchem Grund auch immer), sollte keine Bewährungsstrafe erhalten. Aber an dem Fall kann man gut sehen, was für "Ehrenmänner" sich in der AfD schon austoben. Wer wählt solche "Partei" eigentlich, die nicht nur Nazis in ihren Reihen hat, sondern auch aggressive und gewalttätige Männer, die ohne Skrupel Frauen ins Gesicht und in den Bauch treten?

  • 6G
    669190 (Profil gelöscht)

    Wenn die AfD zur Gewalt greift, greift sie zur „KI“ …



    www.tagesschau.de/...ion-fakes-101.html

    Noch Fragen?

  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    Es gibt auch Politiker und hochrangige Beamte die nicht jede Prügelattacke im Zaum halten können.



    Gauland verteilt ab und zu 'Streichwatschen', Kubicki konnte schon auch mal die Faust losschicken und es gibt auch promovierte Wissenschaftler die hauen dreimal drauf wenn eine Frau sich zu grünen Lebensentwürfen äußert .... meinetwegen nennt ihr das denunzieren, ich finde es zeigt vielmehr, dass die Radikalisierung nicht nur vom einfachen Fußvolk ausgeht, sondern dass jeder einzelne durch die SM schnell einen Grad der Aufgeregtheit erreichen kann der nicht gut ist

  • Abgrenzung reicht nicht. Die größte terroristische Vorfeldorganisation Deutschlands muss zerschlagen werden. Parteiverbot, inkl. der beim Verbot verfassungsfeindlicher Organisationen üblichen Auflagen gegen die Gründung eventueller Nachfolgeorganisationen. Wenn die AfD offiziell rechtsextrem eingestuft wird, können Ex-Mitglieder auch nicht einfach in anderen Parteien weitermachen oder weiter den öffentlichen Dienst infiltrieren.

    Der deutsche Michel unterschätzt die Wichtigkeit von Organisation in der Politik. Die AfD als Sammelbecken, Geldbeschaffer und Einfallstor für die rechtsextreme Szene hat in den letzten Jahren gewaltigen Schaden in diesem Land angerichtet und wird es weiter tun. Je länger man dem zusieht, desto tiefer ätzt sich dieser Spaltpilz ins Gemäuer. Vergleichbare Strukturen wieder aufzubauen wird die zerstrittenen, nur durch gemeinsamen Hass geeinten Faschos mindestens ein Jahrzehnt kosten und auch dann ist ein mit der AfD vergleichbarer Wahl- und Mobilisierungserfolg nicht gesichert.

    Das wird Deutschlands Naziproblem nicht lösen, aber es ist unabdingbar, um es wenigstens im Griff zu halten.

    • 6G
      663803 (Profil gelöscht)
      @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

      mal wieder ist die Ansage 'wehret den Anfängen' zu einer hohlen Phrase verkommen. In den Nuller Jahren wurde die Woge geglättet indem man sich auf Prävention einigte ... die Presse war dem auch gewogen und hat ein anderes Thema gesetzt .... Als der Verfassungsschutz peinlich blamiert war, wurde versprochen, dass vieles ernster genommen würde ....



      mal ehrlich, wer der Einflussnahme durch Bots etc. über die SM so durchgehen läßt und akribisch darauf achtet Einzelpersonen an den Pranger zu stellen, der akzeptiert diese Veränderungen zu mehr Radikalität

  • @INGO BERNABLE

    Sie klingen ja wie Sarkozy.

    Dass mensch sich selbst und andere vor dieser Gewalt schützen muss steht ja ausser Frage.

    Dass wir nicht umhinkommen, uns auch gründlicher damit zu befassen, und die Ursachen zu bekämpfen. Leben ist halt kompliziert.

    Ausserdem hat @LESNMACHTDUMM aus einem Klassiker [1] von Den Ärzten zitiert. Gutes Stück :-)

    [1] www.bademeister.co.../schrei-nach-liebe

    • @tomás zerolo:

      Ich argumentiere nicht gegen Ursachenanalyse sondern gegen einen Blickwinkel der mE allzu schnell zur Rechtfertigung werden kann indem er Täter zu Opfern macht, demäß der Logik: 'der arme Nazi leidet halt so sehr daran, dass ihn niemand mag, da muss man halt schon verstehen wenn sich dieser Frust dann eben irgendwann mal entladen', Schuld sind dann also eigentlich die die den 'armen Nazi' nicht oft genug in den Arm genommen haben.

      • @Ingo Bernable:

        Da haben Sie den Text missverstanden. Es geht nicht darum, Täterschaft zu entschuldigen sondern die Rechten an ihren eigenen Maßstäben (mannhaft, stolz, in Gewalttätigkeit überlegen) zu messen und knallhart durchfallen zu lassen: Der zutretende Springerstiefelträger ist eben NICHT der extrovertierte, genetisch überlegene Herr der Straße (den auch die rechtliche Missbilligung seiner Taten nicht zu kümmern braucht), sondern in Wahrheit genau das Gegenteil von seinem Selbstbild: Eine Wurst - schwach, emotional unterdrückt, im Herzen ein heulendes Muttersöhnchen und feiges Weichei. Eben einfach nur(!) ein Arschloch.

        • @Normalo:

          Es ist noch banaler. Er ist von Nicht-Rechten i.d.R. kaum zu unterscheiden und entspricht keinem Rollenklische (weiches Würstchen oder harter Hund).

        • @Normalo:

          Nun zeigt aber doch eben gerade der Umstand, dass ein derartiges 'Missverständnis' möglich ist, dass es in diesr Richtung eben offenbar missverständlich ist und Interpretationsspielräume offen lässt. Zumal eben auch keine wirklcih Widersprüchlichkeit zwischen beiden Lesarten besteht. Sie schreiben: " Eine Wurst - schwach, emotional unterdrückt, im Herzen ein heulendes Muttersöhnchen und feiges Weichei." Welche Konsequenz wäre denn daraus zu ziehen? Ist so jemand zwangsläufig ein "Arschloch" oder nicht doch viel eher jemand den man barmherzigerweise unterstützen sollte um ihn aus seiner Position der Schwäche zu emanzipieren. Vielleicht etwas Sozialarbeit und ein paar Kampfsportkurse auf Kosten der Allgemeinheit damit dieses 'Würstchen' endlich mal genug Selbstbewusstsein entwickelt um seine Springerstiefel aus lauter Minderwertigkeitsgefühlen nicht mehr in vermeintlichen 'Untermenschen' versenken muss? Ich hielte das für unangemessen und fürchte auch, dass es wohl eher schief gehen würde.

  • Wieso kriegt einer Bewährung, wenn er exakt dieselbe Scheiße zum 2.mal macht?

  • Auch in Oesterreich wird der Hass von der FPOe geschuert. AfD-FPOe-Buendnis mit dem Ziel Grossdeutschland und dann Welt.

    • @MobbingOpferUniSalzburg:

      Die Österreicher wollen uns! übernehmen? Ich dachte das muss anders herum 🤪

  • "Als ein älteres Ehepaar dazwischen ging, wurde auch dieses besprüht, dem Mann stach H. ein Messer in die Brust. Für den Pfeffersprayangriff wurde der AfD-Mann verurteilt, den Messerstich wertete das Gericht als Notwehr."

    Wenn ein Messerstich in die Brust als Notwehr gilt, wundert mich diese Eskalation nicht mehr. Es wirkt eher, als bekommen diese Typen Unterstützung durch Staatsanwälte und Richter, was ja nach der Reichsbürgerverschwörung und der causa Meier als belegt angesehen werden kann

  • Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe



    Deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit



    Du hast nie gelernt dich zu artikulieren



    Und deine Eltern hatten niemals für dich Zeit

    Oh oh oh, Arschloch

    • @lesnmachtdumm:

      Es ist einfach mal komplett egal ob der Hass und die Gewalt dieser Leute küchenpsychologisch als Resultat emotionaler Deprivation erklärbar ist oder sich aus irgendeiner anderen braunen Quelle speist. Nazi bleibt Nazi und Täter bleibt Täter.

      • @Ingo Bernable:

        Immerhin kommt diese "Küchenpsychologie" von drei Ärzten... ;)

      • @Ingo Bernable:

        This.