Angriff auf iranische Botschaft: Rote Linie überschritten
Mit der Ermordung hochrangiger Befehlshaber der Revolutionsgarden in Syriens Hauptstadt Damaskus provoziert Israel seinen ewigen Widersacher Iran.
Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian warf Israel den Bruch aller internationalen Vereinbarungen vor. Arabische Staaten wie Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und Katar erklärten in Mitteilungen, der Angriff auf das Botschaftsgelände sei ein Verstoß gegen das internationale Recht und gegen diplomatische Immunität.
Israel bekannte sich zwar nicht zu dem Anschlag, Regierungssprecher Avi Hyman sagte aber gegenüber dem Nachrichtensender Sky News: „Das Gebäude, das getroffen wurde, war kein Konsulat, keine Botschaft, keine diplomatische Vertretung, und ich wage zu behaupten, dass die iranischen Personen in diesem Gebäude wahrscheinlich nicht dort waren, um Ostereier zu verteilen.“
Unter den Opfern sind nach Angaben aus Teheran zwei Brigadegeneräle und fünf Mitglieder der Revolutionsgarden (IRGC), darunter der hochrangige Befehlshaber Mohammad Reza Zahedi und sein Stellvertreter. Die Revolutionsgarden sind eine Streitmacht, die als schlagkräftiger als die iranische Armee gilt. Die Einheit soll im Inneren einen Putsch verhindern und die Staatsideologie verteidigen.
Im Ausland unterstützt die Eliteeinheit der Garden, die sogenannte Al-Kuds-Brigade, proiranische Gruppen. Zahedi war Befehlshaber dieses paramilitärischen Flügels. Er gab Befehle an Einheiten in Syrien und Libanon und hatte gute Beziehungen zur Hisbollah und zu Syriens Präsident Baschar al-Assad, die den Iran im Kampf gegen Israel unterstützen.
„Attentate wieder auf Tagesordnung“
Israel hat gemeinsam mit den USA wiederholt militärische Ziele der von Teheran unterstützten Milizen ins Visier genommen. Dies ist der erste Angriff auf eine diplomatische Einrichtung. Der iranische Präsident Raisi bezeichnete den Luftschlag am Dienstagmorgen als beispiellos und schwor eine harte Reaktion. Israel habe „Attentate wieder auf seine Tagesordnung gesetzt“.
Währenddessen reagieren die proiranischen Milizen in der Region. Die Gruppe Islamischer Widerstand im Irak erklärte, in der Nacht zu Dienstag den US-Militärstützpunkt al-Tanf im Südosten Syriens mit Drohnen angegriffen zu haben. Proiranische Milizen haben immer wieder US-Militärstützpunkte im Irak und in Syrien angegriffen. Die USA reagierten darauf mit umfangreichen Luftangriffen gegen Stellungen der Milizen. Seit Anfang Februar war die Lage jedoch ruhiger.
Brigadegeneral Zahedi ist der ranghöchste iranische Militärbeamte, der seit General Qasim Suleimani ermordet wurde. Suleimani war der Oberbefehlshaber der Al-Kuds-Truppen und wurde im Januar 2020 in Bagdad von den USA durch einen Drohnenangriff ermordet, mutmaßlich mithilfe des israelischen Geheimdienstes. Der Iran reagierte damals mit Raketenbeschuss auf US-Stützpunkte im Irak, wobei keiner der dort stationierten US-Soldaten verletzt wurde. Soleimani wurde unter der Anhängerschaft des iranischen Regimes zum gefeierten Märtyrer und zur Ikone gegen Imperialismus.
Man sehe die USA als Unterstützer Israels und gebe ihnen eine Mitverantwortung, so der iranische Außenminister Hussein Amir-Abdollahian auf X. Die USA und Iran unterhalten seit 44 Jahren keine diplomatischen Beziehungen. Deshalb hat das iranische Außenministerium über einen Schweizer Diplomaten eine „wichtige Botschaft“ an die USA übermitteln lassen. Was konkret, sagte der Minister nicht. Ein Sprecher des US-Sicherheitsrates sagte dem amerikanischen Medium Axios, dass die USA „nicht in den Angriff verwickelt waren und wir nicht im Voraus davon wussten“.
Der Ort des Angriffs ist entscheidend
Wichtiger als die hochrangigen Brigadegeneräle sei der Ort des Angriffs selbst, analysiert der libanesische Politikprofessor Joseph Bahout auf X: „Das iranische Konsulat in Syrien ist fast iranisches Territorium, es hat einen rechtlichen und symbolischen Wert. Teheran kann nicht umhin, das als eine überschrittene rote Linie zu deuten.“ Eine Antwort sei garantiert, analysiert auch Charles Lister, Direktor des Programms zur Bekämpfung von Terrorismus am Middle East Institute.
Auf X schreibt er, Israel habe das Herzstück der sensibelsten Frontlinie der Al-Kuds-Brigade getroffen – „und das innerhalb des Geländes der Iran-Botschaft“. Die Frage scheine nicht ob, sondern wie der Iran Vergeltung übe. „Die Frage ist, ob sie sich gegen Israel, Israelis, regionale US-Einrichtungen … oder etwas anderes richten wird.“ In Anbetracht der Tatsache, dass der Iran als Vergeltungsmaßnahmen für israelische Aktionen oft amerikanische Truppen angreift, rechnet Lister mit einer Wiederaufnahme solcher Angriffe in Syrien und im Irak. Außerdem würden Raketen mit größerer Reichweite abgefeuert, auch auf Israel.
Ein größerer Krieg zwischen Iran und Israel sei „unwahrscheinlich“, sagte der amerikanische Politikwissenschaftler Saeid Golkar am Dienstag gegenüber dem britischen Guardian. Golkar hat Anfang der 2000er selbst im Iran gelehrt. Er überlegt, dass der Iran nicht in Israel, aber „bestimmte Positionen wie in Erbil im Irak oder die Republik Aserbaidschan“ angreifen könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour