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Ampel plant WahlrechtsreformCSU wittert „Wahlfälschung“

Nach dem Willen der Ampel soll künftig alleine die Zweitstimme entscheidend für die Anzahl der Sitze im Bundestag sein. Die Union empört das.

Wieviele dieser blauen Sitze bleiben nach der Reform im Bundestag? Foto: Florian Gaertner/photothek/imago

Berlin taz | Ob in der CSU bereits ein Sturm des Berliner Reichstags geplant wird? Mit äußerst heftigen Worten hat jedenfalls der Generalsekretär der bayrischen Regionalpartei, Martin Huber, auf die Pläne der Ampelkoalition zur Reform des Bundestagswahlrechts reagiert. Mit ihrem Vorschlag betrieben SPD, Grüne und FDP „organisierte Wahlfälschung“, wetterte Huber am Montag in München. „Das kennen wir sonst nur aus Schurkenstaaten.“

Der Grund für Hubers Zorn ist ein jetzt von den drei Regierungsparteien vorgelegter Gesetzentwurf, mit dem der Bundestag wieder auf seine Regelgröße von 598 Abgeordneten verkleinert werden soll. Derzeit sitzen 736 Abgeordnete im Parlament – dank Überhang- und Ausgleichsmandaten. Solche Überhangmandate entstehen, wenn die eine oder andere Partei in einem oder mehreren Bundesländern mehr Direktmandate holt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis an Parlamentssitzen zustehen würde. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müssen diese zusätzlichen Mandate weitgehend für die anderen Parteien proportional zu ihrem Zweitstimmenanteil ausgeglichen werden.

Derzeit hat der Bundestag 34 Überhangmandate, 12 davon gehen auf das Konto der CDU, 11 auf das der CSU. 10 Überhangmandate gewann die SPD und eines die AfD. Die meisten der 104 Ausgleichsmandate erhielt die SPD (26), gefolgt von den Grünen (24). Auf die CDU entfielen 18, auf die FDP 16, auf die AfD 13 und auf die Linkspartei 7.

CSU hat Grund zur Sorge

Nach dem Willen der Ampelparteien sollen Überhang- und Ausgleichsmandate künftig vollständig wegfallen. Entscheidend für die Mandatszahl einer Partei wäre demnach ausschließlich die Zweitstimme, die deswegen auch in „Hauptstimme“ umbenannt werden soll. Verbunden damit ist, dass nicht mehr zwangsläufig aus jedem Wahlkreis ein Abgeordneter in den Bundestag gewählt würde.

Das dürfte vor allem auf Kosten bislang direkt gewählter CSU-Abgeordneter gehen. Denn die CSU hat bei der vergangenen Bundestagswahl zwar – bis auf eine grüne Ausnahme – sämtliche Wahlkreise in Bayern direkt gewonnen, kam landesweit jedoch nur auf knapp ein Drittel der Stimmen. Entsprechend groß ist ihre Empörung. Die Ampel stelle sich über den Wählerwillen der Bür­ge­r:in­nen und lege „damit die Axt an unser demokratisches Fundament“, sagte Huber. „Das ist verfassungswidrig und das werden wir nicht akzeptieren.“

Bei der Schwesterpartei CDU wird das ähnlich gesehen. Aus Ge­win­ner:in­nen könnten plötzlich Ver­lie­re­r:in­nen werden, „weil jemand, der eigentlich einen Wahlkreis gewonnen hat, dann nicht in den Bundestag einzieht“, kritisierte der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling, Obmann der Union in der Kommission zur Reform des Wahlrechts. Und er drohte mit dem Gang nach Karlsruhe: „Wer auf verfassungsrechtlichem Sand baut, muss damit rechnen, dass das Verfassungsgericht angerufen wird“, sagte Heveling dem Fachinformationsdienst Table.Media.

Entspannter reagierte die linke Parlamentsopposition. So kritisierte zwar der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, es sei „weder klug noch respektvoll“, dass die Ampelkoalition nicht den Abschlussbericht der Wahlrechtskommission abgewartet habe. Aber inhaltlich gehe der Gesetzentwurf „in weiten Teilen sicher in die richtige Richtung“, sagte er der taz.

Wenn man den Bundestag verkleinern wolle, „müssen Überhang- und Ausgleichsmandate wegfallen und alle Parteien entsprechend Mandate verlieren“. Sinnvoll sei ebenfalls, dass die Grundmandatsklausel erhalten bleibe und Ein­zel­be­wer­be­r:in­nen auch weiter kandidieren können. Bedauerlich sei hingegen, „dass die Ampel nicht den Mut aufbringt, das Thema Parität anzugehen“, sagte Korte. „Wir werden den Gesetzentwurf jetzt jedenfalls genau prüfen und beraten.“

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die Zeit hat genauere Berechnungen angestellt. www.zeit.de/politi...93384#cid-64093384

    Heute: 298 von 736 Abgeordneten mit Direktmandat, 40,5%.



    Künftig: (298 - 35) von 598 Abgeordneten mit Direktmandat, 44%,



    (wenn die Wahlergebnisse dieselben blieben).

    Durch die Reform sinkt der Anteil derjenigen, die über Parteilisten in den Bundestag einziehen, von 59,5% auf 56%. Der Bezug der Wähler zu ihren lokalen Abgeordeten nimmt zu.

  • Ach Gottchen...



    Wenn ich sehe wie die einzelnen Abgeordneten ohnehin des faktischen Frationszwangs unterliegen täten es auch eine Hand voll Abgeordneter - einen für jede Partei und die hätten dann unterschiedliche Stimmgewichte.

    Denn mal so unter uns:



    Wenn ich die Erfolgsstory der Abgeordneten so sehe würde ich sagen

    598 x 0 ist genausoviel wie 736 x 0

    aber deutlich billiger .

  • „Das kennen wir sonst nur aus Schurkenstaaten.“



    Nicht ganz Herr Huber (CSU), den präventiven Vorwurf der "organisierten Wahlfälschung" kennen wir in der letzten Zeit von Schurken. Zumindest wenn ich das Korrekt verstehe.

    Schöne Grüße aus München-Süd, Wahlkreis 219

  • Eine reine Erststimmen Wahl würde das Problem einfach lösen. Und wer im ersten Wahlgang nicht mehr als 50 % holt, darf in die Stichwahl gegen den Zweitplatzierten.



    Und dann noch 100 Wahlkreise (der US Senat hat auch nur hundert Sitze)



    Das Parlament hat eine vernünftige Größe und ist um vieles billiger.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Dieses Vorhaben bedeutet vor allem eine Tendenz zur Zentralisierung des Staates und die weitergehende Verschiebung von Machtverhältnissen zu den Parteiorganen, die über die Aufstellung der Listen entscheiden. Eine Entwicklung, die man nach 1945 eigentlich vermeiden wollte und die dem ohnehin schwindenden Vertrauen in die deutsche Demokratie nicht unbedingt förderlich ist.

    • @14231 (Profil gelöscht):

      Der Vorschlag würde den Anteil der Parlamentarier, die über Liste in den Bundestag kommen, reduzieren. Bei den gegenwärtigen Wahlergebnissen von knapp 60% auf 56%. Siehe Berechnungen der Zeit und der Bertelsmannstiftung.

  • Jetzt bläst die CSU wieder dick die Backen auf: Grundgesetzwidrig, welch ein Quatsch!



    Wenn ein Direktkandidat die absolute Mehrheit bekommt, ist ihm sein Mandat sicher. Aber einige Direktmandate wurden mit gerade etwas mehr als 30 % der Stimmen gewonnen. So jemand ist doch kein allgemein akzeptierter Vertreter eines Wahlkreises!



    Dass jeder Wahlkreis einen Abgeordneten im Bundestag haben sollte, mag ja sein. Aber das ist ja auch der Fall, wenn einer der unterlegenen Kandidaten per Liste gewählt worden ist.



    In den seltenen Fällen, wo dies nicht der Fall sein sollte, kann man ja eine Stichwahl der beiden Bestplatzierten machen. Wer diese gewinnt, bekommt einen Zusatzplatz. Und der wird keinesfalls nur der CSU zu gute kommen!



    Die Union kämpft um den Erhalt nicht gerechtfertigter Privilegien. Das ist alles! Zieht die Wahlrechtsreform durch, jetzt gibt es die Chance.

    • @HansL:

      Ja genau. Für die Privilegierten fühlt sich Gerechtigkeit wie Ausgrenzung an. Das ist alles.

    • @HansL:

      Total einverstanden. Warum bist nicht Du in dem Gremium?

    • @HansL:

      Das wäre sinnvoll unter 50% gibt es Stichwahl. Dann aber das es dann Wahlkreise mit und ohne Kandidat im Bundestag gibt das sollte nicht passieren.

  • I wo! Macht die CSU jetzt einen auf Trump?

  • So kann - und muß - es Parteien wie der CDU und CSU gehen, die, wie bei so vielen anderen Themen (Klima, Verkehr, Bundeswehr, Energieabhängigkeit usw. usw.), auch das Thema Wahlrechtsreform haben schleifen - um nicht zu sagen verhindert - haben.



    Wer 16 Jahre lang im Tiefschlaf regiert, darf sich nicht darüber wundern, wenn die Nachfolger die Probleme angehen (müssen !!!) und dabei auch gleichzeitig so manches Zuckerl für einzelne Parteien abschaffen (müssen !!).



    Daß jetzt einzelne - insbesondere bayerische Schreihälse - gar "Wahlfälschung, ... Axt .. anlegen etc." unterstellen, erinnert sehr stark an die "Methoden" Trumps !!!!!!



    Besser wären sicher fundierte eigene Voschläge, aber das kann halt der Stammtisch nicht leisten !

  • Ich kann mir nicht vorstellen das das Verfassungsmäßig ist. Ich würde es halt aufspalten 300 Sitze 150 Wahlkreise die direkt gewählt werden (mit Stichwahl falls unter 50%) und 150 werden nach Listen vergeben. Ich wähle mit Erststimme den Kandidaten der mir am meisten zusagt und mit Zweitstimme die Partei, das sind meist zwei Verschiedene Parteien. Das Es dann Bezirke gibt die einen Direktkandidaten haben und andere die es nicht haben, kann nicht verfassungsmäßig sein.

    • @Machiavelli:

      So einfach ist das nicht. Ihr System bevorteilt klar die grossen Parteien (wenn wir davon ausgehen, dass diese viele der Erst- und Zweitstimmen erhalten).

      Nehmen wir das Beispiel Bayern, wie es im Artikel genannt wurde. Gehen wir davon aus, dass eine Stichwahl oder Präferenzen (siehe Australien), die Verteilung der Direktmandate nicht wesentlich beeinflusst. In dem Fall ist die CSU der extreme Profiteur der Reform und erhält mehr als 50% der Sitze, die Bayern zustehen.

      Rechnung:



      CSU gewinnt 90% der Direktmandate



      CSU 30% der Zweitstimmen



      Total Mandate: (90%+30%)/2 = 60%

      • @Impuls:

        Verstehe nicht, wo da die Bevorteilung sein soll.

        Wenn die CSU 90% der Direktmandate und 30% der Zweitstimmen erhält, ist es doch vollkommen gerecht, dass sie 60 % der bayerischen Abgeordneten stellen darf.

        Wo werden da außerdem kleine Parteien benachteiligt?