Ampel-Intrige der FDP: Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Ein internes Papier legt nahe, dass die FDP-Spitze über ihre Vorbereitungen zum Ampel-Aus gelogen hat. Lindner und Co sind jetzt in Erklärungsnot.
Sie forderte Selbstkritik und Aufarbeitung, wie sie später auch noch einmal auf X betonte. Bei den früheren Koalitionspartnern SPD und Grüne löste das „D-Day“-Papier große Empörung aus.
Die FDP hatte das achtseitige Dokument im Stil einer Powerpoint-Präsentation am Donnerstag selbst veröffentlicht, nachdem Zeit und Süddeutsche Zeitung der Partei Fragen dazu gestellt und das Nachrichtenportal Table.Briefings bereits berichtet hatte. Schon zuvor hatten Berichte der beiden Zeitungen Diskussionen über Ursachen und Urheber des Koalitionsbruchs ausgelöst. In mehreren Treffen der engsten FDP-Führung wurden demnach seit Ende September Szenarien für ein Ende der Koalition durchgespielt.
Das nun veröffentlichte FDP-Papier stieß nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen der Wortwahl auf Kritik. In dem Dokument taucht der durch den Zweiten Weltkrieg historisch vorgeprägte Begriff „D-Day“ mehrfach auf – als Synonym für den möglichen Zeitpunkt zum Ausstieg aus der gemeinsamen Regierung mit SPD und Grünen.
„D-Day“ kann aus dem Englischen mit „Tag X“ übersetzt werden – oder auch „Tag der Entscheidung“ meinen. Im Deutschen ist die Formulierung vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus bekannt. Den Auftakt dafür markierte der „D-Day“ am 6. Juni 1944. Er steht aber auch für unmenschliches Blutvergießen, Zehntausende Tote und Verwundete.
Falsches Dementi
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte in einem Interview bei RTL/ntv am 18. November mit Blick auf damalige Medienberichte über die „D-Day“-Formulierung betont: „Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden.“ Nach der Veröffentlichung des FDP-Papiers bemühte er sich nun in der Welt um Schadensbegrenzung: „Das Papier ist auf Ebene der Mitarbeiter entstanden. Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier.“ Einen Grund zurückzutreten, sehe er nicht.
Kritik und Spott gab es in sozialen Medien auch für das vielfach geteilte Bild einer „Ablaufpyramide“ aus dem Dokument. Darin werden die vier verschiedenen „D-Day“-Phasen vom ersten „Impuls“ – einem Presse-Statement des Parteivorsitzenden Christian Lindner – bis hin zum „Beginn der offenen Feldschlacht“ genannt.
Auch bei den früheren Koalitionspartnern löste das Papier Empörung aus. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf der FDP-Führung vor, die Öffentlichkeit wiederholt getäuscht zu haben und forderte eine Entschuldigung von Lindner. Miersch sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, es sei „zynisch“, dass die FDP für den Zeitpunkt des Ampel-Bruchs in ihrem Papier das Wort „D-Day“ benutzt und den nachfolgenden Wahlkampf als „offene Feldschlacht“ bezeichnet habe. „Die FDP-Führung hat die Verwendung dieser Begriffe stets bestritten.“
SPD-Chef Lars Klingbeil schrieb auf der Plattform X: „Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können.“ Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann äußerte ebenfalls Kritik auf X: „Ein Parlament ist kein Schlachtfeld, und das Ringen um die besten Ideen und Konzepte gehört zu unserer lebendigen Demokratie. Diese FDP sollte keine Verantwortung für unser Land übernehmen.“
FDP spricht von „Vorbereitung auf Szenarien“
Die FDP verbreitete die Lesart, sie habe das Papier publik gemacht, um Transparenz herzustellen – und schrieb auf X: „Wir haben nichts zu verbergen.“ In einer dazu veröffentlichten Erklärung Djir-Sarais hieß es: „Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns so genannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte.“
Er sprach von einer Skandalisierung der Vorbereitung auf Szenarien. „Wenn die gesamte deutsche Medienlandschaft zu diesem Zeitpunkt bereits über das Ende der Ampel spekulierte, dann ist es nur professionell, sich auf diese Option einzustellen.“
Im nun veröffentlichten Papier ist zum Beispiel davon die Rede, dass der „ideale Zeitpunkt“ für einen „avisierten Ausstieg“ aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte. Am 6. November kam es tatsächlich zum Bruch des schon lange kriselnden Bündnisses – indem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses FDP-Chef Lindner als Finanzminister entließ.
Die Neuwahl des Bundestags ist für den 23. Februar nächsten Jahres geplant. Die FDP steht in Wahlumfragen derzeit bei drei bis vier Prozent, also knapp unter der Einzugshürde von fünf Prozent – und könnte somit den Wiedereinzug ins Parlament verpassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld