Altkanzler Schröder droht SPD-Ausschluss: Lasst den alten Mann in Ruhe
Das Verhalten von Ex-Kanzler Schröder muss nicht jedem gefallen. Dabei bleibt er sich nur selbst treu. Die SPD hat das lange geduldet.
A uf Twitter wäre er längst sechsmal ultimativ gecancelt worden und hätte acht Comebacks gehabt, dieser Altkanzler. Manchmal ist es vielleicht ganz gut, dass so eine Demokratie ein eher umständliches Geschäft ist. Ein Parteiordnungsverfahren ist jedenfalls ein langsames Prozedere, es wird – auch in Hannover – überwiegend von Männern angestrebt und ausgeführt, die Frauen sitzen bei und führen Protokoll, aber das nur nebenbei.
Dieses Umständliche und Altmodische ist ja ganz dienlich, weil sich so die Gemüter abkühlen können und Dinge am Ende nüchterner betrachtet werden. Und nüchtern betrachtet muss man sagen: Man kann Schröders Aussagen ja doof und moralisch empörend finden, aber letztlich hat er nichts getan, was er nicht immer schon getan hat. Das gilt nicht nur für seine bizarre Männerfreundschaft mit Putin.
Das Sozialdemokratischste an Schröder war schon immer seine Aufsteigerbiografie. Die richtigen Schlüsse hat er daraus aber nie gezogen, abgesehen von „Ich habe Erfolg, also recht“. Jahrzehntelang hat die Partei da zähneknirschend mitgespielt, solange die Ergebnisse stimmten.
Dass er sich gern die Taschen füllt, ist auch nichts Neues, darüber hat man anlässlich der Cohiba-Zigarren und Brioni-Anzüge in seiner „Genosse der Bosse“-Phase schon genug geredet. Auch wenn es die SPD natürlich ehrt, dass sie damit immer noch fremdelt. Anderswo, also zum Beispiel bei der CSU, gehört Korruption ja längst zur Parteifolklore. Schröder ist nun aber nicht mehr in einer Position, in der er großen Schaden anrichten kann.
Zu seinem Leidwesen hat er weder in der deutschen Politik noch in der sozialdemokratischen Partei noch was zu sagen. Aus Ämtern hätte man ihn sicher kegeln müssen. Und es wäre vielleicht auch eine Überlegung wert, ob es nicht doch Wege gibt, diesen Geldfluss aus dem Ausland zum Versiegen zu bringen. Aber ein Rauswurf aus der Partei? Weil er ist, wie er ist, nur älter? Nein, so ein bisschen was muss die innerparteiliche Demokratie schon aushalten. Vor allem, wenn sie es sich selbst eingebrockt hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach