Alnatura beschäftigt AfD-nahen Anwalt: Fragwürdige Hilfe im Arbeitskampf
Christian Winterhoff hält Erziehung zur Akzeptanz sexueller Vielfalt für verfassungswidrig. Nun ließ sich Alnatura von ihm vertreten.
Im Rechtsstreit über die Gründung eines Betriebsrats in einer Bremer Alnatura-Filiale muss sich das Unternehmen eine fragwürdige juristische Vertretung vorwerfen lassen: Neben dem Arbeitsrechtler Christof Kleinmann ließ es sich im Februar vor dem Bundesarbeitsgericht auch von dem Verfassungsrechtler Christian Winterhoff vertreten. Dieser ist Autor eines umstrittenen Gutachtens, das die schulische Erziehung zur Akzeptanz sexueller Vielfalt für verfassungswidrig erklärt.
Das Rechtsgutachten hat Winterhoff 2016 für den Verein „Echte Toleranz“ erstellt, dessen Vorsitzender Peter Rohling zugleich Sprecher der AfD-Landtagsfraktion in Kiel ist. Winterhoff vertritt die Auffassung, dass „schulischer Unterricht mit dem Ziel, die Schüler zur – im Sinne einer Befürwortung verstandenen – Akzeptanz jeglicher Art von Sexualverhalten zu erziehen“, verfassungswidrig sei. Denn der Staat müsse „Neutralität wahren“, das „natürliche Schamgefühl der Kinder achten“ und Rücksicht nehmen „auf religiöse und weltanschauliche Überzeugungen der Eltern“. Dies sei gefährdet, wenn im Unterricht Texte oder Bilder eingesetzt würden, in denen schwule Paare, lesbische Mütter oder Transmenschen auftauchten.
Seine Thesen vertrat Winterhoff auch persönlich – als Redner auf einem „Symposium Sexualpädagogik der Vielfalt – Kritik einer herrschenden Lehre“ in Wiesbaden. Organisiert wurde dieses vom Verein „Demo für alle“, der sich als Aktionsbündnis versteht und auf seiner Homepage schreibt: „Wir gehen auf die Straße, um für die Wahrung der Elternrechte, Ehe und Familie und gegen Gender-Ideologie und Sexualisierung der Kinder zu demonstrieren.“
Sowohl sein Gutachten als auch seine Kontakte zu den beiden Vereinen haben Winterhoff im vergangenen Jahr den geplanten Aufstieg zum Landesverfassungsrichter in Schleswig-Holstein gekostet. Nur wenige Tage vor seiner Wahl im Landtag zogen CDU, Grüne, FDP und SSW ihren Personalvorschlag wieder zurück. Man habe bei der Aufstellung des Kandidaten „schlecht recherchiert“, räumte damals ein Abgeordneter ein.
Schlecht oder besser gar nicht recherchiert hat offenbar auch Alnatura: „Die von uns beauftragte Wirtschaftskanzlei GvW Graf von Westphalen ist eine renommierte Großkanzlei“, antwortet Alnatura auf Anfrage der taz. Die „Experten-Unterstützung“ durch Winterhoff habe sich der Unternehmensanwalt Kleinmann geholt. „Hierfür aus der Kanzlei eingesetzte Personen wurden durch die Kanzlei vorgeschlagen und von uns nicht infrage gestellt.“
Immerhin, so heißt es von Alnatura weiter: „Wenn dem so wäre, dass eine der beauftragen Personen umstrittene Vereine oder Parteien vertritt, distanzieren wir uns ganz klar und ausdrücklich davon.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg