Al Jazeera im Nahostkonflikt: Die Propagandakanone
Al-Jazeera verkauft sich als seriöser Nachrichtensender, verbreitet aber gerade fast nur Hamas-Propaganda. Das gefährdet auch die Palästinenser.
N eulich hat die Bundesabgeordnete Katja Adler folgendes auf „X“ geschrieben: „Al Jazeera ist in Deutschland noch immer frei verfügbar, kann damit Hass und Hetze gegen den Westen und die Juden verbreiten. Und für viele muslimische Bürger und Einwanderer in Deutschland ist er die einzige Informationsquelle. Er sollte hier ebenso wie der russische Propagandasender RT verboten werden.“
Als jemand, der Al Jazeera verfolgt, hielt ich es für angebracht, deutsche Leser, die kein Arabisch sprechen, einmal grundlegend mit dem Sender bekannt zu machen.
Al Jazeera präsentiert sich immer wieder als objektives Sprachrohr für Nachrichten, als unerbittlicher Kämpfer für die Wahrheit und als pluralistische Arena. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um einen Propagandasender, dem das Streben nach Wahrheit und Pluralismus als Feigenblatt dient. Al Jazeera sendet keine Nachrichten, sondern erzählt eine Geschichte.
Eher Umerziehungsvideos als Nachrichten
Im Fall der Palästinenser ist es eine Geschichte von Heldentum und Opfern, von absoluter Gerechtigkeit und absoluter Ungerechtigkeit. Die Palästinenser kommen hier immer als unschuldige Opfer vor, auch wenn sie plündern, töten und vergewaltigen. Die Palästinenser verletzen niemals Zivilisten, sondern nur Siedler und Soldaten, während die IDF niemals Kämpfer töten (es gibt keine Terroristen auf der palästinensischen Seite); nur unschuldige Zivilisten, Frauen und Kinder. Gefangene der Hamas wurden auf Al Jazeera nicht gezeigt. Stattdessen läuft eine Endlosschleife mit Nahaufnahmen toter und verwundeter Kinder. Sie stützen sich buchstäblich auf die Pornographie von Blut und Tod.
Werden in Gaza keine Kinder getötet? Doch, natürlich. Sollte darüber nicht berichtet werden? Doch, natürlich. Aber die Berichte von Al Jazeera wirken wie Umerziehungsvideos in einem nordkoreanischen Lager.
Al Jazeera hat einen großen Vorteil gegenüber anderen Sendern: Sie haben Journalisten vor Ort in Gaza. Aber deren Berichte geben nur die Botschaften der Hamas wieder. Etwa über Schäden an israelischen Panzern. Jeden Tag Dutzende. Wenn man diese Zahlen zusammenzählt, dürfte Israel keine Panzer mehr haben.
Die Wahrheit ist, dass die israelischen Panzer mit einem System namens „Windjacke“ ausgestattet sind, das die meisten dieser Angriffe verhindert.
Kämpfe im Krankenhaus – aber mit wem?
Die Reporter verstricken sich immer wieder in Widersprüche, aber diese Widersprüche werden in die große „Story“ integriert. Ein Beispiel: Die IDF führen Krieg um die Krankenhäuser in Gaza, weil die Hamas in diesen Krankenhäusern (und auch in Schulen, Moscheen und UNWRA-Einrichtungen) operiert. Meiner Meinung nach gehen die IDF dabei nicht sehr klug vor, aber das ist ein anderes Thema.
Bei Al Jazeera wird es dargestellt, als ob die IDF ein Interesse daran hätten, medizinisches Personal und Patienten zu töten. Das ist natürlich absurd, und wenn das tatsächlich die Absicht wäre, hätten sie eine Bombe auf jedes Krankenhaus geworfen, die Sache wäre erledigt gewesen. Aber zeitgleich mit den „Berichten“ über die Angriffe der IDF auf Krankenhäuser, in denen sich (angeblich) nur Zivilisten aufhalten, gab es Berichte über „heftige Kämpfe im Krankenhauskomplex“. Nun, Kämpfe mit wem? Mit den medizinischen Teams? Mit den Patienten?
Auf Al Jazeera wird Israel des Völkermordes beschuldigt. Meiner Meinung nach hat Israel in diesem Krieg viel zu viele zivile Opfer zugelassen, aber es ist klar, dass, wenn es die Absicht hätte, alle zu ermorden, die Opferzahl nicht 20.000, sondern Hunderttausende betragen hätte. Die Mittel dazu sind vorhanden.
Israel lässt ganze Gebäude einstürzen, wenn es Informationen darüber gibt, dass sich Hamas-Mitglieder darin verstecken (und man kann natürlich darüber diskutieren, ob dies moralisch vertretbar ist oder nicht), aber bei Al Jazeera wird die Sache nur als gezielter Angriff auf Zivilisten dargestellt.
Eine Gefahr auch für die Palästinenser
Al Jazeera wird von Katar aus ausgestrahlt, von Katar kontrolliert und finanziert. Eine interessante Frage ist, warum Katar, ein reiches autokratisches Fürstentum, das sich auf eine billige Sklavenklasse stützt, die Muslimbruderschaft und die Hamas unterstützt und sich so sehr bemüht, Israel in der Welt zu entfremden. Und zwar im Gegensatz zu anderen Golfstaaten.
Letztendlich gefährdet Al Jazeera auch das Leben von Palästinensern. So hat man dort etwa die Geschichte verbreitet, dass die IDF auf Palästinenser schießt, die in den Süden evakuiert werden sollen. Es mag mehrere solcher Fälle gegeben haben (in Israel hieß es, die Hamas habe auf die Menschen geschossen), aber dies war sicherlich keine Politik. Es war im Interesse Israels, dass die Menschen nach Süden gehen. So trug Al Jazeera dazu bei, die Menschen davon zu überzeugen, in ihren Häusern zu bleiben. Als diese Häuser später bombardiert wurden, berichtete man über sie als Opfer der israelischen Völkermordpolitik und zeigte in einer Schleife die Bilder ihrer verstümmelten Körper.
Wenn man diskutieren will, ob Al Jazeera geschlossen werden soll, müsste man zunächst die grundlegende Frage klären: Sollten Propagandasendungen im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt sein?
aus dem Hebräischen von Susanne Knaul
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden