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Aktuelle Entwicklungen im GazakriegDer Albtraum von Rafah geht weiter

Bei Luftschlägen des israelischen Militärs sterben fast 50 Menschen. Israel gerät international weiter unter Druck, setzt seine Offensive jedoch fort.

Zerbombte Zeltlager in Rafah: Bereits eine Millionen Menschen sind in den vergangenen Wochen aus der Stadt geflohen Foto: Jehad Alshrafi/ap

Jerusalem und Chan Junis taz | Am späten Sonntagabend, gegen 21 Uhr, leuchtet der Himmel über Abed Alla plötzlich rot auf. „Es war, als gäbe es ein Erdbeben“, erzählt er am Telefon aus dem Süden Gazas. Nur fünfzig Meter sei er von der Explosion entfernt gewesen, die das Flüchtlingslager nahe Rafah – in dem auch Alla zuvor Zuflucht gefunden hatte – erschütterte. Ausgelöst wird sie von einem Luftschlag des israelischen Militärs. Nach deren Angaben gilt er zwei hochrangigen Hamas-Mitgliedern, die sich in dem Camp aufhielten.

Nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die nahe dem Angriffsort einen Stabilisierungspunkt zur medizinischen Versorgung betreibt, sterben mindestens 28 Menschen, 180 werden teils schwer verletzt. Am Dienstag hat der UN-Sicherheitsrat angesichts des Vorfalls eine Dringlichkeitssitzung einberufen.

Das auf die Explosion folgende Feuer, erzählt Alla, sei so stark gewesen, dass er das Gefühl hatte, sein Gesicht würde brennen. Überall seien Schrapnellteile gewesen, Menschen vor seinen Augen verstorben. „Ich konnte nicht helfen“, erklärt er, „ich war wie in einem Albtraum gefangen“. Und: „Ich danke Gott, dass ich den Tod überlebt habe.“ Bereits kurz nach dem Angriff verbreiten sich über die sozialen Netzwerke Bilder und Videos des Feuers, von verbrannten Menschen und Blechhütten.

Internationale Empörung über Luftangriff

Es gibt in Rafah keinen sicheren Ort für palästinensische Zivilisten

Emmanuel Macron, französischer Präsident

Die Empörung im Netz ist groß. Das hängt auch mit dem Urteil des Internationalen Gerichtshof (IGH) von ­Freitagabend zusammen, das Israel an­gewiesen hatte, seine Militär­kampagne sowie weitere Aktionen in Rafah zu stoppen, wenn diese den Palästinenserinnen und Palästinensern Lebensbedingungen auferlegten, „die ihre ­physische Zerstörung ganz oder teilweise herbeiführen könnten“.

Dass zwei Tage später Dutzende Menschen – darunter wohl die meisten Zivilisten – bei einem Luftangriff getötet werden, erscheint vielen wie Hohn. Auch die internationalen Reaktionen fielen entsprechend scharf aus. Die USA nannten die Bilder nach dem Angriff „­herzzerreißend“ und mahnten: Israel habe das Recht, gegen die Hamas ­vorzugehen, aber müsse auch jede mögliche Vorsichtsmaßnahme ergreifen, um Zivilistinnen und Zivilisten zu schützen.

Deutlich kritischer äußerte sich der Außenminister Irlands, Micheál Martin. Man diskutiere derzeit mit anderen EU-Staaten die Möglichkeit, Israel mit Sanktionen zu belegen, sollte es sich weiterhin nicht an das Völkerrecht halten. Das Treffen schloss sich an den Luftschlag vom Sonntag an. Auch die politische Führung anderer EU-Staaten äußerte sich noch deutlich kritischer als bisher.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte auf dem Netzwerk X: „Diese Operationen müssen aufhören. Es gibt keinen sicheren Ort in Rafah für palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten“. Er sprach sich außerdem für einen sofortigen Waffenstillstand aus. Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto erklärte: Das palästinensische Volk werde „ohne Rücksicht“, unter Druck gesetzt. Das sei nicht länger zu rechtfertigen.

Zurückhaltung in Deutschland

Deutschland äußerte sich zurückhaltender: Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagt, dass in Zusammenhang mit dem Angriff „ein Fehler passiert“ sei. Israel habe das Recht sich zu verteidigen, und die Frage, ob es sich um ein Kriegsverbrechen handele, müsste Juristen überlassen werden. Man dürfe „anhand von Bildern nicht sofort ein Urteil fällen“. Außenministerin Annalena Baerbock erklärte etwas deutlicher: Die Entscheidungen des IGH seien bindend und müssten befolgt werden. Gerade erlebe man laut Baerbock das Gegenteil.

Das israelische Militär setzt derweil seine Offensive auf Rafah fort. Knapp eine Million Menschen, die zuvor in der Stadt in Süd-Gaza Zuflucht gesucht hatten, sind nach Angaben der Vereinten Nationen bereits in andere Teile des Gazastreifens geflohen. Am Dienstag flog das israelische Militär erneut Luftangriffe, nach palästinensischen Angaben in der humanitären Zone al-Mawasi. Über 20 Menschen sollen dabei getötet worden sein. Die israelische Onlinezeitung The Times of Israel berichtet außerdem: Das Militär habe eine zusätzliche Brigade nach Rafah beordert. Laut Augenzeugenberichten sollen zudem Panzer des Militärs am Dienstag bis ins Zentrum von Rafah vorgerückt sein.

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20 Kommentare

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  • Medico International wirft aufgrund von Recherchen die Frage auf, ob in israelischen Gefangenlagern inhaftierte Palästinenser gefoltert wurden und fragt, ob dort Verhältnisse wie in Guantanamo herrschen. Zudem wird auf Menschenrechtsverletzungen mit System in israelischen Gefängnissen hingeweisen.

    Kein Thema für die deutsche Außenpolitik, keine kritischen Fragen von Annalena Baerbock zu den von medico international recherchierten Sachverhalten? Bis auf Monitor ARD gibt es kaum Recherchen der deutschen Presse zu dem Sachverhalt.

    www.medico.de/blog...-des-krieges-19536

    Dabei war bereits im November letzten Jahres in einem Beitrag von NTV von schweren Missständen in Gefängnisse in Israel die Rede. Die taz berichtete, dass gegen 15 Beamte ermittelt wurde. Was ist daraus geworden?

    taz.de/Palaestinen...ngnissen/!5991925/

    www.youtube.com/watch?v=vUAUQ2xRz-A

  • Man dürfe „anhand von Bildern nicht sofort ein Urteil fällen“.



    Schau an, schau an. Wenn man nur immer so bedacht wäre...

  • "Am Dienstag flog das israelische Militär erneut Luftangriffe, nach palästinensischen Angaben in der humanitären Zone al-Mawasi."

    Wurde das überprüft? Nach anderen Medien dementiert die jüdische/Israel-Seite diesen erneuten Angriff.

  • Ja, die israelische Regierung durfte unter diesen Umständen versuchen, die Geiseln zu befreien.



    Nein, eine Bestrafung aller kollektiv in dieser Höhe, eine Aushungerung, vielleicht gar gewollte Vertreibung sind da _nicht inbegriffen.



    Netanyahu nach Den Haag! Gerne in dieselbe Zelle wie Hanija.

  • Ich habe es so satt wie die Regierung Netanjahus die Menschenrechte mit Füßen tritt.



    Die Verfolgung von Terrorismus ist das eine. Das was hier passiert hat aber schon gar nichts mehr mit "Die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen" zu tun.



    Das was Netanjahu und sein Kriegskabinett hier veranstaltet ist Terror pur.



    Die Bevölkerung wird kruez und quer durch den Gaza Streifen getrieben. Man verweist die Menschen in "Sichere" Rückzugsräume um sie dort ebenfalls zu bombadieren.



    Hilfsorganisationen werden zu Unrecht beschuldigt, Konvois unter den Augen des Militärs von Siedlern überfallen und der "Kriegsminister" bombardiert ein Flüchtlingslager aus Zelten um kurz danach zu behaupten das die Brände vermutlich durch Munition entstanden sind. "Das habe eine Untersuchung ergeben".



    Ich hatte Galant noch für einen der "Vernünftigeren" gehalten. Aber ich habe mich getäuscht.

    Das was mit den Menschen in Gaza passiert IST ein Verbrechen an einem Volk. Nicht die Menschen Israels sind dafür verantwortlich, sondern die handelnden Personen der Regierung Netanjahu.

    • @Tom Lehner:

      Richtig die Verantwortung trägt die Regierung. Diese ist aber durch die Wahlergebnisse nuneinmal demokratisch legitimiert. Und jeder in Israel wusste wofür die Person Netanjahu steht und wofür sie eintritt. Gleiches gilt für die extremen Ben Gvir und Bezalel Smotrich.

    • @Tom Lehner:

      Wer hat diese "handelnden Personen" denn gewählt?

  • Das Vorgehen der Netanjahu Regierung im Gaza ist nicht mehr entschuldbar....das ist kein militärische Gegenschlag das ist ein Rachefeldzug.

    Der mörderische Terroranschlag der Hamas, die Geiselnahme....nichts rechtfertig die militärische Operation mit Zehntausende zivilen Toden, die tausende toten Kinder schreien zum Himmel.



    Es kann doch nicht sein, das keiner seiner westlichen Unterstützer ihm nicht klarmacht.....die Vertreibung von Millionen, die Tötung von 10 tausenden



    Zivilisten, die Not das Elend... nein und nochmals nein, das darf nicht mehr so weitergehen.



    Israel ist eine unbesiegbare Atommacht ( das weiß sie auch)...und geht trotzdem mit dem Argument .." Existenz des Staates Israel ist gefährdet" auf Verständnis Tour.

  • "Das hängt auch mit dem Urteil des Internationalen Gerichtshof (IGH) von ­Freitagabend zusammen, das Israel an­gewiesen hatte, ..."

    Empört sich auch jemand darüber, dass die Gaza-Hamas-palästinensische Seite der Anweisung des IGH, alle Geiseln sofort bedingungslos freizulassen, nicht nachkommt? Diese weit verbreitete Einseitigkeit finde ich bedauerlich.

    "Nach deren Angaben gilt er zwei hochrangigen Hamas-Mitgliedern, die sich in dem Camp aufhielten."

    Lt. Informationen in DIE ZEIT gibt es nach Angaben der jüdischen/Israel-Seite abgehörte Telefonate nach dem Brand, die darauf hindeuten, dass sich in der Nähe des Geländes ein Lager mit Waffen befunden hätte, das den Brand ausgelöst hat. Ob das stimmt, weiß ich selbstverständlich nicht, es würde aber Sinn machen, dass dort wo sich hochrangige Militärs aufhalten auch niedrigrangige Militärs und Waffenlager sind.

    Ich nehme an, wir werden in den nächsten Tagen mehr darüber erfahren.

    • @*Sabine*:

      „ es würde aber Sinn machen, dass dort wo sich hochrangige Militärs aufhalten auch niedrigrangige Militärs und Waffenlager sind….“

      Wohl kaum…. Oder ich kenne den Sinn nicht. Ich halte es für absolut unsinnig.

      • @Die vier:

        Ich war nicht beim Militär.

        Sie gehen davon aus, dass sich hochrangige Militärs während eines Krieges ohne Personenschutz durch andere Militärs und an Orten ohne schnellen Zugriff auf schwere Waffen aufhalten?

        Da sind wir dann unterschiedlicher Meinung, was Sinn macht und was nicht.

    • @*Sabine*:

      „Lt. Informationen in DIE ZEIT gibt es nach Angaben der jüdischen/Israel-Seite abgehörte Telefonate nach dem Brand, die darauf hindeuten, dass sich in der Nähe des Geländes ein Lager mit Waffen befunden hätte, das den Brand ausgelöst hat. Ob das stimmt, weiß ich selbstverständlich nicht, es würde aber Sinn machen, dass dort wo sich hochrangige Militärs aufhalten auch niedrigrangige Militärs und Waffenlager sind.“

      dafür hätte ich gern eine quelle.

      • @herstory:

        Steht im Liveticker bei ungefähr "Gestern 18:26 Uhr Carl Friedrichs".

        Der Vorfall wird noch weiter untersucht.

    • @*Sabine*:

      „Empört sich auch jemand darüber, dass die Gaza-Hamas-palästinensische Seite der Anweisung des IGH, alle Geiseln sofort bedingungslos freizulassen, nicht nachkommt?“

      es empören sich doch die ganze zeit leute darüber, dass die hamas die geiseln nicht freilassen. ich sehe hier keine einseitigkeit. netanyahu UND den hamas sind die menschen doch scheiß egal.

      • @herstory:

        Wenn Sie den Absatz um den es geht nochmals lesen, werden Sie feststellen, dass nur die Empörung über das Verhalten der einen Kriegspartei kommuniziert wird, nicht über das Verhalten der anderen Kriegspartei.

        Ich finde das unschön, weil damit der Eindruck erweckt wird, dass eine Seite die beispielsweise Aufforderung des IGH nicht einhält, der anderen Kriegspartei jedoch nichts vorzuwerfen ist.

        Ich finde das einseitig und falsch.

        • @*Sabine*:

          Die israelische Führung behauptet von sich, sich an höhere Standards zu halten als die Hamas. Sie behauptet, das Völker-, Menschen- und Kriegsrecht einzuhalten.



          Und ignoriert gleichzeitig reihenweise UNO-Resolutionen und bindende Urteile internationaler Gerichte....



          Es ist dieser Widerspruch, der empört. Und seine offensichtliche Folgenlosigkeit für Israel und die handelnden Personen in Politik und (!) Armee.

    • @*Sabine*:

      Die Äußerung des IGH gegenüber der Hamas drückt eine Selbstverständlichkeit aus. Die Hamas ist aber kein Staat und schon gar keine Partei in dem Verfahren. Insofern kann der IGH der Hamas keine Anweisungen erteilen.

      • @Francesco:

        "Die Äußerung des IGH gegenüber der Hamas drückt eine Selbstverständlichkeit aus."

        Danke, dass Sie das als selbstverständlich ansehen. Das ist meinem subjektiven Eindruck nach leider nicht bei allen der Fall. Bei den vielen, vielen Demonstrationen für die Gaza-Hamas-palästinensische Seite wird es üblicherweise nicht thematisiert und ich meine, das muss aber nicht stimmen, dass auch die Besetzer der verschiedenen Universitäten keine Freilassung der Geiseln gefordert haben.

        Egal ob es selbstverständlich ist oder nicht, sollte es meiner Meinung nach immer ausgesprochen werden, damit nicht der Eindruck entsteht, die andere Kriegspartei hätte keine Verpflichtungen, die sie ignoriert bzw. denen sie nicht nachkommt.

        "Die Hamas ist aber kein Staat und schon gar keine Partei in dem Verfahren. Insofern kann der IGH der Hamas keine Anweisungen erteilen."

        Zwischen Anweisung und Aufforderung habe ich bisher keinen Unterschied gemacht.

        Der IGH kann auch der jüdischen/Israel-Seite keine Anweisungen erteilen.

        Ich denke, wir können uns hier alle darauf einigen, dass beide Kriegsparteien dem IGH Folge leisten sollen. Rückzug aus Rafah gegen sofortige Freilassung aller Geiseln.

        • @*Sabine*:

          Die Hamas muss die Geiseln freilassen, egal, was die IDF tut.



          Die IDF muss ihre Zivilistenbombardierungen, Aushungerungen und Vertreibungen einstellen, egal, was die Hamas tut.