Aktionsplan gegen Rechts: Mit Prävention und Härte
Innenministerin Faeser legt einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vor. Zivilgesellschaftliche Initiativen kritisieren Leerstellen.

Der Aktionsplan umfasst zehn Punkte. Die selbsterklärte Leitlinie: „Prävention und harte Hand“. Als ersten Punkt will Faeser nun „rechtsextreme Netzwerke zerschlagen“. Setzte ihr CSU-Vorgänger Horst Seehofer hier noch auf Verbote, sollen nun vor allem Finanzquellen der Szene „ausgetrocknet“ werden, um so Propaganda und Aktivitäten zu verhindern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll dafür stärker die Geschäfte der Szene aufklären, etwa auf Festivals oder Kampfsportevents.Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang kündigte aber auch an, rechtsextreme Gruppen neu ein- oder hochzustufen und mögliche Verbote zu unterstützen.
Gleichzeitig soll die Szene entwaffnet werden. Die Zahl der Rechtsextremisten mit Waffenerlaubnissen war zuletzt auf rund 1.500 Personen gestiegen. „Viel zu viele“, räumte Haldenwang ein. Mit einem Forum aus Verfassungsschutz-, Waffen- und Polizeibehörden soll der Entzug der Waffenerlaubnisse nun erleichtert werden. Zudem sollen Waffenbehörden künftig auch von psychischen Erkrankungen von Waffenbesitzern erfahren, wie sie etwa der Hanau-Attentäter aufwies. Wie genau, ließ Faeser vorerst offen.
BKA und Verfassungsschutz werden gestärkt
Beim Kampf gegen Hass im Internet setzt Faeser auf die neu gegründete BKA-Taskforce „Telegram“, die künftig auch auf anderen Plattformen ermitteln soll. Auch die Zentrale Meldestelle des BKA für Hasspostings soll ausgebaut werden – diese liegt bisher jedoch weitgehend auf Eis, weil Facebook und andere gegen verpflichtende Meldungen klagten. Faeser will nun auf EU-Ebene mit dem Digital Services Act dagegensteuern. Ein bereits länger geplanter Schritt.
Zudem sollen Extremisten künftig schneller aus dem öffentlichen Dienst fliegen. Hier soll das Bundesdisziplinargesetz geändert werden, um Disziplinarverfahren zu beschleunigen. Eingeführt werden soll auch eine neue „Allianz zum Schutz kommunaler Mandatsträger“. Hier hatte sich die Zahl der Angriffe zuletzt verdreifacht. In der Allianz sollen Länder, Kommunen und Zivilgesellschaft Schutzmaßnahmen erarbeiten.
Dazu kommt das Feld Prävention. Faeser setzt hier vor allem auf die Bundeszentrale für politische Bildung, deren Personal bereits zuletzt verdoppelt wurde und die inzwischen 100 Träger fördert. Deren Bildungsarbeit soll weiter ausgebaut werden, etwa mit dem Programm „Miteinander Reden“, das Bürgerdialoge im Lokalen organisiert, oder einem neuen Format „Demokratie im Netz“. Man wolle dahingehen, „wo es wehtut“, erklärte Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale.
Neue Programme gegen Verschwörungsmythen
Zudem soll ein neues Bundesprogramm gegen Verschwörungstheorien her und der Verfassungsschutz sein Aussteigerprogramm um diesen Bereich ergänzen. Auch will Faeser will ein Forschungsprojekt in Auftrag geben, das Radikalisierungen im Coronaprotest untersucht.
Zu guter Letzt sollen Opfer von rechtsextremer Gewalt besser betreut werden. „Mehr Empathie und Unterstützung“, versprach Faeser. Die Polizei soll kultursensibler handeln, das BKA sein neues Netzwerk zur Opferfürsorge fertigstellen.
Gänzlich neu sind die Maßnahmen nicht. Bereits die vorherige Bundesregierung hatte einen 89-Punkte-Plan gegen Rechtsextremismus auf den Weg gebracht. Faeser sprach nun von Maßnahmen, die kurzfristig umgesetzt werden sollen. Es sei ein „erster Aufschlag“.
Initiativen loben und kritisieren
Die Amadeu-Antonio-Stiftung lobte den Aktionsplan als „wichtiges Signal, dass der Rechtsstaat seine Mittel gegen rechtsextreme Gewalttäter endlich konsequenter als früher ausschöpfen will“. Noch aber bestehe dieser Plan aus Ankündigungen. Der Erfolg werde sich letztlich an vollstreckten Haftbefehlen oder eingezogenem Szenevermögen messen lassen.
Auch der Verband der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt kritisierte „Leerstellen“. So würden Rassismus und Antisemitismus „als zentrale Ideologien rechtsextremer Gewalt und Attentate nicht benannt“, erklärte Vorstandsmitglied Olivia Sarma. Auch fehle es an einer Stärkung der Rechte von Gewaltopfern in Ermittlungsverfahren, die nach Angriffen geführt würden. In einem Aktionsplan, der sich als ganzheitich bezeichne, müsse dieser Punkt aber vorkommen, mahnte Sarma an.
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