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Aktionen gegen Automesse IAA„Jeder Protest im Keim erstickt“

Die Protestaktionen gegen die Automesse IAA in München gehen weiter. Bei Räumungen wird auch ein taz-Reporter festgesetzt.

Hausbesetzungen als Protest gegen die Automesse IAA in München Foto: Peter Kneffel

München taz | Es ist dunkel, als eine kleine Gruppe Ak­ti­vis­t*in­nen in der Münchener Innenstadt durch ein kaputtes Fenster in ein leerstehendes Gebäude einsteigt. Sie heben Türen aus den Angeln und verbarrikadieren Eingänge. Es soll die Antwort des Klimaschutzbündnisses „No Future for IAA“ auf die sogenannten „Open Spaces“ der internationalen Autoausstellung in der Innenstadt sein.

Die Ausstellung des Verbands der Automobilindustrie beschränkt sich in diesem Jahr nicht auf die Messehallen, sondern dehnt sich über öffentliche Flächen in der Stadt aus. Die Ak­ti­vis­t*in­nen wollen dagegen mit ihrer Hausbesetzung einen „Open Space for Future“ eröffnen, prominent gelegen in der schicken Münchener Altstadt.

Michael Trammer ivorübergehend nhaftiert

Um 15.30 Uhr kommt die Nachricht von Michael Trammer: „Fahre ein. Bis dann.“ Der Journalist, der die Besetzung von innen, also im Haus, dokumentiert hat, wird von der Polizei in die Gefangenensammelstelle gebracht. Dabei hatte es vorher von Seiten der Be­am­t*in­nen geheißen, wenn er seine Personalien angebe, könne er gehen. Trammer wies sich als Journalist aus, gehen gelassen wurde er nicht. Die Polizei wirft ihm Hausfriedensbruch vor. Aus dem Gefangenentransporter postet Trammer noch ein Foto und schreibt: „Melde mich später, wenn ich raus bin.“ Nach über drei Stunden in Gewahrsam lässt die Polizei Trammer am Freitagabend mit einem zeitweisen Platzverweis für die gesamte IAA gehen. (ksch)

„Dass die halbe Innenstadt der Autoindustrie zur Verfügung gestellt wird, während es an Räumen für unkommerzielle kulturelle und politische Projekte mangelt, nehmen wir nicht länger hin“, erklärt Fritzi Krämer, Sprecherin von „No Future for IAA“. Städtischer Raum sei in München so teuer und begehrt wie kaum irgendwo sonst. Die ganze Nacht und den Morgen über bleibt die Hausbesetzung geheim – bis am Mittag ein Demonstrationszug vorbeikommt.

Als 500 Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen an dem Haus vorbeiziehen, zünden die Be­set­ze­r*in­nen Pyrotechnik aus den Dachfenstern und hängen Banner raus, auf denen „Block IAA“ und „Squat the City!“ steht. Die Menge vor dem Haus jubelt. Die Polizei ist offenbar überrascht, drängt die De­mons­tran­t*in­nen ab, setzt Pfefferspray ein. Zwei Ak­ti­vis­t*in­nen in Maleranzügen klettern außen an dem Gebäude vom dritten in den vierten Stock, um ein Transparent mit einem brennenden Autoreifen aufzuhängen.

Polizei stürmt das Haus nach knapp einer Stunde

Seit Jahrzehnten gilt in Bayern die Regel: Keine Hausbesetzung darf mehr als 24 Stunden bestehen. Für die Ak­ti­vis­t*in­nen ist es eine Herausforderung, aber sie haben Pläne: Bis zum Ende der IAA sei hier ein Gegenprogramm mit Workshops, Diskussionen und Auftritten von Mu­si­ke­r*in­nen und DJs vorgesehen, sagt Krämer. Später könne man das Haus als unkommerziellen Ort für Kultur- oder Bildungsveranstaltungen oder Vernetzungsarbeit nutzen sowie kostenlose Bandproberäume und ein selbstverwaltetes Café einrichten.

Doch dazu kommt es nicht: Nach knapp einer Stunde stürmt eine Einheit der Bereitschaftspolizei das Haus. Die Besetzung ist beendet, die Ak­ti­vis­t*in­nen kommen in eine Gefangenensammelstelle und leisten keine Gegenwehr. Schon in den vergangenen Tagen hatte die Polizei klargemacht, dass sie unangemeldete Proteste nicht duldet und auch vor rechtlich fragwürdigen Übergriffen nicht zurückschreckt.

Am Donnerstag nahm die Polizei drei Mitglieder von Attac fest, hielt zwei von ihnen zwölf Stunden lang in Gewahrsam und durchsuchte währenddessen ihre Hostelzimmer. Po­li­zis­t*in­nen hatten sie in einem Mietwagen kontrolliert und dabei abwaschbare Sprühkreide und Banner im Wagen gefunden. Attac hatte am Mittwochabend die Scheibe des Autoherstellers Daimler mit der grünen Kreide besprüht.

Abgesehen davon, dass dabei kein Sachschaden entstand, dürften die festgehaltenen Attac-Mitglieder wenig mit der Aktion zu tun gehabt haben – nach Angaben der Attac-Sprecherin Frauke Diestelrath handelte es sich bei ihnen um einen IT-Systemadministrator, eine Verwaltungsmitarbeiterin und einen Mitarbeiter für Dokumentation. Während die Attac-Mitarbeiter festgehalten wurden, hätten die Polizisten sich im Hostel in allen Stockwerken postiert und die Zugänge versperrt und die Zimmer durchsucht, sagt Diestelrath.

Die Dialogbereitschaft – eine Farce

Dabei hätten sie neben einigen Zetteln vom Schreibtisch eine orangefarbene Regenjacke beschlagnahmt und einen orangefarbenen Maleranzug – „Dinge, die wir bei jeder Aktion tragen und die man bei uns im Webshop kaufen kann“, so die Sprecherin.

Die Repression sei völlig überzogen und stehe für einen höchst undemokratischen Umgang mit Protest, der sich auch schon in den vergangenen Tagen in München gezeigt habe. Das, was die IAA und die Stadt München nach außen vermitteln wolle – Dialogbereitschaft und Transparenz – sei eine Farce. „Vielmehr soll offenbar die ganze Stadt der IAA gehören und jeder Protest im Keim erstickt werden.“

Am Morgen war es rund 600 Ak­ti­vis­t*in­nen nicht mal gelungen, das Camp zu verlassen. Mit Pfefferspray und Schlagstöcken hielten Po­li­zis­t*in­nen des bayerischen Sonderkommandos USK sie davon ab. Am Mittag meldete das Bündnis „Smash IAA“ dann die Besetzung eines Bosch-Werks im Münchener Osten, um sich solidarisch mit den Beschäftigten des Zulieferbetriebs zu zeigen, denen die Kündigung droht. Eine andere Gruppe schaffte es, den „Open Space“ von Mercedes zu besetzen. Für den Nachmittag sind weitere Blockaden geplant.

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15 Kommentare

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  • Die Stunde der Wahrheit: Hier gibt es auch viele Leute, die gegen manche Demos sind. Gegen die Demos deren Denkensweise/Ideologie nicht passt.

    So, heute ist dir morgen ist mir, übermorgen ist einen anderen.



    Und das geht immer weiter so.

    ...Weiter so....

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

  • "Schon in den vergangenen Tagen hatte die Polizei klargemacht, dass sie unangemeldete Proteste nicht duldet und auch vor rechtlich fragwürdigen Übergriffen nicht zurückschreckt."

    Ich dachte gerade das hatte ich doch schon gelesen zu einer Meldung aus Belarus und Afghanistan, oder täusche ich mich da?

    Ich hoffe nur das keine Flüchtlinge aus Belarus und Afghanistan unter den Demonstranten sind - die sind solche Maßnahmen ja schon länger gewöhnt.

    Schon lange Zeit die CSU abzuwählen um eine Zukunft in Freiheit zu erlangen.

  • Es ist im Versammlungsrecht ziemlich klar geklärt, was geht und was nicht.

    Gewaltfrei und "Anweisungen der Polizei ist Folge zu leisten", wichtiger Punkt.

  • "Sie heben Türen aus den Angeln und verbarrikadieren Eingänge."

    Hier müsste der Artikel eigentlich enden. Protest endet bei Straftaten. Ist halt nicht Berlin sondern München.

  • Danke für Ihre Reportagen zur IAA.



    Perspektivisch:



    kapitalisiert werden kann alles: Hack Finn lässt einen anderen mal seinen Zaun streichen - dann darf der auch mal in das bunte Glas schauen.



    Aus Nichts Geld machen macht auch Uber.



    So wären auch grüne oder klimaneutrale Gewinne möglich.



    Aber die politischen Apparate und Organisationen, die den Fossilkapitalismus stützen, stehen dem sozialökologischen Umbau in völliger Gegnerschaft im Weg.



    Das aggressive Tatmotiv: Verkauf von Waren zu jedem Preis, Externalisierung aller Kosten. Das ist das Eigentum ist heilig und die Autos ein strategischer Industriezweig.



    Genau das ist die Botschaft der Demos: "Autoindustrie entmachten und enteignen." Das Verkehrsministerium verwandeln in Tretnähmaschinen.

    • @nzuli sana:

      Nzuli Sana: "...die Botschaft der Demos: "Autoindustrie entmachten und enteignen."



      taz: "Am Mittag meldete das Bündnis „Smash IAA“ dann die Besetzung eines Bosch-Werks im Münchener Osten, um sich solidarisch mit den Beschäftigten des Zulieferbetriebs zu zeigen, denen die Kündigung droht."

      Wenn die Solidarität mit den Beschäftigten dauerhaft ist und nicht nur eine short term Aktion war, dann gibt's nach dem "Autoindustrie entmachten und enteignen" für die Aktivisten um SmashIAA mega viel zu tun.

  • Wie groß ist eigentlich der CO2 Fussabdruck bei solchen Demos ?

    • @Gretchen Müller:

      Erheblich kleiner als der solcher Messen...

  • Und morgen dann Kinder-Radldemo mit polizeilichem Motorrad-Wanderkessel oder wie?

    • @jox:

      Eine Demo ohne Straftaten würde schon reichen.

      • @Wonneproppen:

        Die Straftaten der Uniformierten kann man lediglich im Nachhinein anzeigen, nicht aber verhindern.

  • Haus besetzen ist in Bayern/Deutschland illegal.



    Gilt auch für taz-MA.



    Kann mich irren.



    Glaube ich aber nicht.

  • Vielleicht verstehe ich das sprachlich nicht:

    Ist "Rechtlich fragwürdiger Übergriff" ein Synonym für "Polizeiarbeit in Deutschland"?

    • @Gefahrengebietler:

      May be. But.

      Vor allem aber schlechtes nonsens - “Schaum-vorm-Mund-Deutsch.“ Gellewelle.