Ajax Amsterdam in der Krise: Randale, miese Deals und Misserfolg
Die Fans von Ajax Amsterdam sorgen für einen Spielabbruch. Zudem entlässt der kriselnde Fußballklub Sportdirektor Sven Mislintat.
57 Minuten dauerte es, dann war der erste Klassiker der niederländischen eredivisie schon zu Ende. Zum dritten Mal hatten Ajax-Anhänger von den Rängen der Johan-Cruijff-Arena Feuerwerk aufs Spielfeld geworfen. Nach zwei Unterbrechungen pfiff Schiedsrichter Serdar Gözübüyük endgültig ab. 3:0 lag Feyenoord Rotterdam, der aktuelle Meister, im Stadion des Erzrivalen vorne. „Das Spiel ist definitiv abgebrochen“, erklärte der Stadionsprecher.
Gemäß der Dynamik dieser noch jungen Saison, wonach es beim AFC Ajax immer noch schlimmer geht, stürmten Hooligans keine halbe Stunde später den Haupteingang des Stadions. Als die Polizei sie wieder nach draußen gedrängt hatte, wurde der Eingang abgesperrt. Während Fans, Geschäftsfreunde und Pressevertreter*innen drinnen warten mussten, wurde draußen Tränengas eingesetzt.
Maurice Steijn, der Trainer, dessen Engagement in Amsterdam von Anfang an unter keinem guten Stern stand, sprach bald darauf von „einem pechschwarzen Nachmittag“. Der niederländische TV-Sender NOS ordnete am folgenden Tag die Vorfälle gar als „Tiefpunkt der Clubgeschichte“ ein.
Es hatte sich schließlich noch mehr ereignet. Nach einem Krisengespräch verkündete die Clubleitung am Abend, sie habe die Zusammenarbeit mit Sportdirektor Sven Mislintat, der erst im Mai sein Amt angetreten hatte, beendet. Der Grund: Mislintat mangele es an interner Rückendeckung. Die Trennung erfolge unabhängig von der letzten Mittwoch angekündigten Untersuchung nach den von ihm getätigten Transfers.
Mislintat wird der Vorwurf gemacht, er sei beim 10 Millionen-Euro-Transfer des Stuttgarter Abwehrspielers Borna Sosa in einem Interessenskonflikt verwickelt gewesen. Die Beratungsagentur, die am Transfer mitwirkte, ist am von Mislintat mitbegründeten Analyseunternehmen Matchmetrics GmbH beteiligt.
Unglückliche Transfers
Fans, Experten und Medien forderten seine Entlassung oder spekulierten darüber. Unter Druck stand der Sportdirektor bereits wegen der zwölf neuen Spieler, die er zu fortgeschrittenem Zeitpunkt der Transferperiode verpflichtete und die bislang kaum überzeugten. Dem gegenüber standen zehn Abgänge, unter anderem der langjährige Kapitän Dušan Tadić und Schlüsselspieler wie Jurriën Timber, Mohammed Kudus und Edson Alvarez.
Der Ajax-Absturz vollzieht sich derzeit auf verschiedenen Ebenen. Das sportliche Desaster – derzeit Platz 14 mit fünf Punkten – wird von schweren Turbulenzen auf der Vorstandsebene begleitet. Es begann Anfang 2022, als der Klub seinen Sportchef Marc Overmars wegen sexueller Übergriffe entließ – zu einem Zeitpunkt, als man herausragenden Fußball in der Champions League spielte. Danach geriet das Team aus der Spur. Es folgte eine unglückliche Transferperiode im Sommer 2022, und am Ende der Saison stand der Rücktritt von Direktor Edwin van der Sar und der Verlust des Meistertitels.
Schwer unter Druck steht seit seinem Amtsantritt auch Coach Maurice Steijn, dem der Schritt von Sparta Rotterdam zu Ajax von Beginn an nicht zugetraut und der von Mislintat bei der Kaderplanung übergangen wurde. Nach dem Spielabbruch am Sonntag ließ er wissen, „noch immer Perspektiven“ zu sehen.
Über die restliche Spielzeit des Klassikers hat der Fußball-Verband KNVB bei Redaktionsschluss noch nicht entschieden. Von Rotterdamer Seite wird inzwischen gefordert, das 3:0 als Endergebnis zu werten. Neben der tiefen Krise bei Ajax wirft der Abbruch auch ein Licht auf das anhaltende Hooligan-Problem im niederländischen Fußball.
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