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Afrikanische Flüchtlinge in Israel40.000 sollen abgeschoben werden

Israel will Geflüchtete mit einer Rückkehrprämie zur Ausreise bewegen. Zugleich droht die Regierung jenen mit Gefängnis, die das Angebot ablehnen.

Afrikanische Flüchtlinge 2015 im Internierungslager Cholot in der Negev-Wüste Foto: dpa

Tel Aviv dpa/rtr | Israel will bis zu 40.000 afrikanische Flüchtlinge zur Ausreise bewegen – oder abschieben. Einen entsprechenden Plan hat das Kabinett am Mittwoch in Jerusalem abgesegnet, wie das Innenministerium bestätigte. Israel betrachtet die vor allem aus Eritrea und dem Sudan stammenden Flüchtlinge als illegale Einwanderer. Asylanträge werden nur in extrem seltenen Fällen gebilligt.

„Die Eindringlinge haben eine klare Wahl – mit uns kooperieren und freiwillig gehen“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu Beginn der Kabinettssitzung. „Oder wir müssen andere Werkzeuge anwenden, die uns den Gesetzen nach zur Verfügung stehen.“ Bereits im November hatte Netanjahu angekündigt, die Flüchtlinge in Drittländer abschieben zu wollen. Nach Medienberichten handelt es sich um eine Vereinbarung mit Ruanda und Uganda.

Seit Montag fordert die Bevölkerungs- und Einwanderungsbehörde „Eindringlinge“ aus dem Sudan und Eritrea zur freiwilligen Ausreise innerhalb von drei Monaten auf. Wer bis Ende März das Land verlasse, erhalte umgerechnet rund 2.900 Euro, schreibt die Behörde auf ihrer Internetseite. Danach werde die Rückkehrprämie immer kleiner, schließlich drohe die Inhaftierung.

Im Zuge der geplanten Abschiebung will Israel auch das umstrittene Internierungslager Cholot in der Negev-Wüste schließen. Viele Migranten leben auch in ärmlichen Vierteln im Süden Tel Avivs. Bis zum Bau eines Zaunes an der Grenze zu Ägypten sind nach Angaben von Netanjahu rund 60.000 Flüchtlinge aus Afrika nach Israel gekommen. 20.000 seien bereits abgeschoben worden. Bei der großen Mehrheit handelt es sich um Migranten aus Eritrea und dem Sudan. Viele von ihnen machen Krieg, Verfolgung oder Armut geltend. Israel behandelt sie in der Regel als Wirtschaftsflüchtlinge.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen kritisierte die geplanten Abschiebungen als „menschenverachtend und völkerrechtswidrig“. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hatte sich bereits im November „zutiefst besorgt“ über die Pläne und die Sicherheit der Abzuschiebenden gezeigt.

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18 Kommentare

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  • Es ist problematisch, dazu überhaupt etwas zu kommentieren. Wer solche Maßnahmen gut findet, wird Teil von solchem doppelzüngigen Denken, und wer es schlecht findet, wird vollautomatisch zum "Antisemiten".

  • Wenn Trittbrettfahrer die Durchführung humaner Asylpolitik verunmöglichen wird letztendlich dieses vollkommen ausgesetzt. Ist halt so, aber auch nachvollziehbar.

  • Na und? Deutschland will doch auch Flüchtlingen dafür belohnen, wenn sie freiwillig gehen. Auf der Internetseite der Gesellschaft für bedrohte Völker konnte ich keine Empörung darüber lesen. Doppelstandards?

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Israel ist nicht annähernd so reich wie D. Selbe oder ähnliche Maßstäbe ansetzen ist somit hanebüchenen. Israel ähnelt in Teilen eher einem 3. Welt - Land. Die 40000 müssen wieder nach Hause. Oder nach D. Oder in ein anderes super reiches Land.

    • @97796 (Profil gelöscht):

      "Israel ähnelt in Teilen eher einem 3. Welt - Land." Äh nein, die die wie im Mittelalter leben machen das meistens freiwillig.

       

      Ansonsten ist Israel etwa auf dem Stand der meisten europäischen Staaten, das BIP pro Kopf beträgt Kaufkraftbereinigt 35.197,- $, das ist etwa der Stand von Italien und Spanien.

      • 9G
        97796 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Ach jetzt kommt wieder die Statistikkeule. Das BIP ist für das tägliche Leben und seine Probleme genau so unbedeutend, wie jede andere VW-Kennziffer (auch fern genommen: die Inflationsrate, uhhhhhh ganz wichtig). Israel ist infrastrukturell definitiv in Teilen nicht in der Lage 40000 Menschen komplett zu versorgen, und zwar so, dass die sich nicht ausgrenzen.

        • @97796 (Profil gelöscht):

          Dann eben ein Praxisbeispiel, Israel hat 1991 etwas mehr als 14.000 Beta Israel aus Äthiopien nach Israel geholt. Die hatten nichts, denn sie mussten alles zurücklassen, es wurde Platz für Menschen im Flugzeug gebraucht, sogar die Sitze waren ausgebaut.

          https://de.m.wikipedia.org/wiki/Operation_Salomon

           

          Und auch diesen Leuten wurde geholfen, aber es war eben der politische Wille dazu da.

  • Das Vorgehen Israels ist schon aus "Rücksicht" auf die Palästinenser richtig. Zu viele Menschen, zu wenig Arbeit, zu wenig Perspektive. Die Ursache dafür - zu großes Bevölkerungswachstum - muss jeder Staat für seine Bürger selbst lösen.

    • @A. Müllermilch:

      Richtig, selbst Israel hat schon eine zu große Bevölkerung. Wasser und ein bißchen Natur sind Mangelware.

      • @Energiefuchs:

        Ist denn der Negev keine Natur?

        • @Sven Günther:

          ne, da sind doch noch Beduinen...

  • Pro-aktive Fluchtprävention statt repressive Fluchtbehinderung und Zwangsausschaffung



     

    Der Kabinetts-Beschluß Israels hat seine Entsprechung in der Bereitschaft der EU-Kommission, die Flüchtlingsrücknahme mit einer Kopfprämie von 10.000 Euro zu sponsern. Dazu hatte sie im Juli 377 Millionen Euro für Staaten zurückgelegt, die Flüchtlinge aus Nordafrika aufnehmen, was etwa 37.700 Flüchtlingen entspräche. (Taz,. v. 29.8.2017)

     

    

Aus einem solchen Verfahren, wie es auch auf dem Pariser Flüchtlings-Gipfel letzten August favorisiert wurde, könnte sich für die Entsendeländer ein regelrechtes Exportmodell mit Drehtürmechanik entwickeln. Besser wäre es allerdings, sie würden mit der Hilfe der reichen Destinationsländer in die Lage versetzt, bei sozial-ökonomisch bedingten Fluchtgründen die Ursachen zu mildern, also pro-aktive Fluchtprävention statt Rücknahmeprämien und repressive Fluchtbehinderung. Im übrigen scheint die in Paris beschlossene und von Netanjahu aufgenommene Asyleindämmungsstrategie dem Credo der Genfer Flüchtlingskonvention zu widersprechen, woraus sich für Personen wegen der Verfolgung in ihren Heimatstaaten aus rassischen, religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Gründen das Recht ableitet, an einem vor Verfolgung sicheren Aufenthaltsort Zuflucht finden zu können. Man stelle sich vor, während der Judenverfolgung in Deutschland hätte man den Hakenkreuzlern „Rücknahmeprämien“ für die jüdischen Flüchtlinge angeboten. Angesichts der leidvollen Erfahrungen mit der präzedenzslosen Judenverfolgung durch die Hakenkreuzler sollte man sich das gerade in Israel mit aller gebotenen Sensibilität vor Augen führen. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt und Politiker wie Katrin Göring-Eckardt und Katja Kipping nannten ein solches Flüchtlingsrecycling zu Recht eine „Irreführung der Öffentlichkeit“ und einen „Verrat an europäischen Werten“, denen sich ja auch Israel verpflichtet fühlt.


    • @Reinhardt Gutsche:

      Die Abschiebung erfolgt in sichere Drittländer und nicht zurück ins Fluchtland. Mit 2900€ kann man sich in Ruanda oder Uganda durchaus eine neue Existenz aufbauen.

      • @Nase Weis:

        Uganda - sicheres Drittland?

         

        Zitat von @Nase Weis: „Die Abschiebung erfolgt in sichere Drittländer und nicht zurück ins Fluchtland. Mit 2900€ kann man sich in Ruanda oder Uganda durchaus eine neue Existenz aufbauen.“

         

        „Polizeilichen Angaben zufolge wurden am 28. November 2016 in der im Westen Ugandas gelegenen Stadt Kasese bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und der Königsgarde des Herrschers des Königreichs Rwenzururu mindestens 100 Menschen getötet und 139 weitere festgenommen. In einigen Fällen führten die Sicherheitskräfte summarische Erschießungen durch und entledigten sich danach der Leichname an Flussufern oder in Büschen.“ (Amnesty International)

         

        Soviel zu Uganda als „sicherem Drittland“. Im übrigen sollen die „Rückkehrprämien“ nicht den Flüchtlingen selbst, sondern den jeweiligen Regierungen zufließen, vulgo den Privatkonten der korrupten Oligarchien.

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @Reinhardt Gutsche:

      Israel fühlt sich europäischen Werten verbunden? Glauben Sie das im Ernst? In kaum einer europäischen Hauptstadt können sich Juden noch mit Kippa bewegen. Solche Werte können den Israelis furzegal sein. Israel muss bestehen, Israel muss wachsen, Israel muss stark sein. UN, EU, etc. spielt keine Rolle.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Das mit pro-aktive Fluchtprävention hört sich immer so gut an, aber wie würde das denn bei den Ländern Eritrea und dem Sudan aussehen?

       

      Beides knallharte Diktaturen seit mehr als 20 Jahren, Ahmad al-Baschir wird per Haftbefehl vom Internationaler Strafgerichtshof als Kriegsverbrecher gesucht. Denen ist völlig egal ob es ihrer Bevölkerung gut geht, die regieren mit Terror und Angst. Geld des Staates wird für die Armee etc. ausgegeben. Jeder Euro dahin ist rausgeschmissen, wenn der Staat mitmischt und ohne geht es nicht.

      • @Sven Günther:

        „Eindringlinge“

         

        Zitat von @Sven Günther: „..wie würde das denn bei den Ländern Eritrea und dem Sudan aussehen? Beides knallharte Diktaturen seit mehr als 20 Jahren, Ahmad al-Baschir wird per Haftbefehl vom Internationaler Strafgerichtshof als Kriegsverbrecher gesucht.“

         

        Also sind die 40 000 afrikanischen Flüchtlinge in Israel aus den „knallharten Diktaturen“ Eritrea und dem Sudan ebenso „Eindringlinge“ nach Israel wie weiland die vor der „knallharten Diktatur“ der Hakenkreuzler geflohenen Juden „Eindringlinge“ in Frankreich, der Tschechoslowakei, der Schweiz, Mexico, Großbritannien, den USA usw. waren, als was sie ja auch vielerorts behandelt wurden. Eine der Lehren daraus war die Internationale Flüchtlingskonvention von Genf mit dem Non-Refoulement-Prinzip und dem Pönalisierungsverbot als Kernbestimmung. Gegen beide völkerrechtlichen Prinzipien wird von der Netanjahu-Regierung verstoßen, sofern die 40 000 Flüchtlinge aus den beiden Staaten mit den beschriebenen diktatorischen Zuständen in toto als politische Flüchtlinge im Sinne der GFK zu betrachten sind. Insoweit das Refoulement-Verbot integraler Bestandteil der egalitär begründeten universellen, unveräußerlichen und unteilbaren Menschenrechte ist, stellt die Behandlung der Flüchtlinge durch die Netanjahu-Regierung nach ihrem jüngsten Kabinettsbeschluß eine flagrante Verletzung der Menschenrechte dar.

        .

        • @Reinhardt Gutsche:

          Erstens habe ich nicht geschrieben, dass die Leute abgeschoben werden sollten.

           

          Zweitens ist das GFK, so wie praktisch alle UN Agreements, das Papier nicht wert auf dem es steht, wenn es hart auf hart kommt, wird es nicht angewandt und es gibt niemanden der es durchsetzt.