Afghanistan unter den Taliban: Frauen kämpfen in der ersten Reihe
Protest gegen Zwangsverschleierungen in Kabul und Berichte aus drei Städten über Festnahmen, Verschwindenlassen und Morde.
Ein Video von der Aktion macht seit Donnerstag die Runde in den sozialen Medien. Auch drei Schwestern der Frau seien abgeführt worden, sagte ein Augenzeuge zur Nachrichtenagentur AP. „Immer, wenn wir Tamana anrufen, antwortet ein Taleb“, sagte eine Teilnehmerin der Proteste in Kabul der von Frauen geleiteten Nachrichtenagentur Ruchschana. Laut BBC wurde auch die frühere Journalistin Parwana Ibrahimchel in eine Falle gelockt und festgenommen.
Am Sonntag hatte eine Gruppe von 25 Frauen protestiert, nachdem in den Tagen zuvor in Kabuls Straßen offizielle Poster auftauchten, auf denen die neuen Machthaber Frauen „auffordern“, die islamischen Regeln einzuhalten, darunter auch die Verschleierung.
Die Frauen forderten auch Aufklärung über den Verbleib der Polizistin und früheren Gefängnismanagerin von Herat, Alia Asisi, die seit Oktober verschwunden ist. Sie hielten handgeschriebene Schilder hoch, auf denen unter anderem auf Englisch „Frauenrechte sind Menschenrechte“ stand, und riefen Slogans über Megaphone.
Protest mit weißer Burka, roter Farbe und Fußtritten
Die Demonstrantinnen warfen eine weiße Burka auf den Boden, die mit roter Farbe befleckt war, und traten sie mit Füßen. Die Burka symbolisiert für sie die von den Taliban zunehmend institutionalisierte Entrechtung der Frauen. Taliban-Polizei stoppte den Protest und setzte Pfefferspray gegen die Frauen ein.
Die Taliban betrachteten die Form des Protests offenbar als Provokation, denn Weiß ist auch die Farbe ihrer Flagge. Sie hatten deshalb bereits die afghanischen Männer aufgefordert, keine weißen Socken zu tragen.
Ein Sprecher des Geheimdienstes, Chalid Hamras, erklärte per Twitter, dass so eine „Beleidigung der religiösen und nationalen Werte des afghanischen Volkes nicht mehr geduldet wird“. Ein anderer Talibankommandant nannte die protestierenden Frauen „schamlos und ungläubig“.
Doch welche Art von Verschleierung genau die islamische Lehre vorschreibt, ist unter Islamgelehrten umstritten. Am Donnerstag demonstrierten Frauen in Kabul für die Verschleierung. Dabei trugen sie einheitlich aussehende Poster mit Taliban-Insignien.
Sensibles Thema Pakistan
Zuvor nahmen die Taliban den Aktivisten Asam Asemi fest, der in Kabul Proteste gegen einen geplanten, dann abgesagten Besuch von Pakistans nationalem Sicherheitsberater Moeed Yusuf organisiert hatte. In Kandahar wurde Hakim Ulfat verhaftet, der online den Gebrauch der Taliban von Fahrzeugen mit pakistanischem Kennzeichen kritisiert hatte.
In der letzten Woche hatten afghanische Frauen in einem geschlossenen Raum dagegen protestiert, dass die Taliban Pakistan um die Entsendung von Verwaltungsexperten gebeten haben, während sie trotz Hochschulabschlüssen nicht mehr arbeiten dürfen, und stellte ein Video des Protests online.
Am Dienstag berichteten afghanische Medien, „unbekannte Schützen“ hätten im nordafghanischen Masar-e Scharif von einem vorbeifahrenden Motorrad aus Hanifa Nasari, eine örtliche Friedensaktivistin, erschossen. Verwandte machten die Taliban für den Mord verantwortlich.
Berichte von tödlicher Gewalt
In Masar waren bereits im November die Universitätsdozentin und Frauenrechtlerin Forusan Safi sowie drei weitere Frauen ermordet aufgefunden worden. Sie sollen durch fingierte Telefonanrufe wegen ihrer angeblichen Evakuierung in die Nähe des dortigen Flughafens gelockt worden seien.
Im südöstlichen Khost sollen ebenfalls am Dienstag zwei Menschen erschossen – nach anderen Meldungen verwundet – worden sein, als Taliban versuchten, einen Protest von Händlern zu zerstreuen. Angeblich sollten deren illegal errichtete Verkaufsstände geräumt werden.
Am Montag warfen in Genf zahlreiche für die UNO tätige Menschenrechtsexpertinnen den Taliban in einer Erklärung „fortgesetzte und systematische Versuche“ vor, Frauen und Mädchen „aus dem sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben auszuschließen“ und sie damit „in die Armut zu stoßen“. Zu den Unterzeichner:innen der Erklärung gehören 20 UN-Sonderberichterstatter:innen, darunter die zu Gewalt an Frauen, Reem Alsalem.
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