Afghanistan nach dem Bundeswehr-Abzug: Kein Anschluss unter dieser Nummer
Die Bundesregierung hatte angekündigt, sich um ihre Ortskräfte zu kümmern. Zuständige Stellen sind jedoch unerreichbar oder reagieren nicht.
Am 23. April hatte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärt, sie „empfinde es als eine tiefe Verpflichtung der Bundesrepublik, diese Menschen jetzt, wo wir das Land verlassen, nicht schutzlos zurück zu lassen“. Immerhin hätten sie „zum Teil über Jahre hinweg auch unter Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit an unserer Seite gearbeitet, auch mitgekämpft“. Jetzt gehe es „um die Verfahren“ und das „müssen wir schnell klären“.
Das Verfahren bestand dann darin, dass die Ortskräfte über ihre jeweiligen Vorgesetzten eine sogenannte Gefährdungsanzeige stellen konnten, auf deren Grundlage ein Visum erteilt werden konnte. Die Bundesregierung besteht aber darauf, dass sie ihre Ausreise dann selbst organisieren und vor allem auch die Flugtickets selbst bezahlen. Schon das ist ein Unding, besonders für weniger qualifizierte Angestellte. Selbst ein Dolmetscher der Bundeswehr bekam ein monatliches Anfangsgehalt von nur 450 Euro. Zudem sollen sie ihre Anreise 14 Tage vorher ankündigen und nicht den PCR-Test vergessen.
Am 23. Juni mahnte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im Bundestag noch einmal, die „Schutzverpflichtung“ gegenüber den Ortskräften „ernst zu nehmen“. Kramp-Karrenbauer darauf: „Wir werden dafür sorgen, dass wir das logistisch bewerkstelligen können.“ Das hieß aber auch, logistisch war zwei Monate lang überhaupt nichts passiert.
Keine Büros
Dann mussten Ende Juni Hals über Kopf die 264 in Afghanistan verbliebenen deutschen Soldat:innen ausgeflogen werden. Offenbar war Berlin klar geworden, dass die Amerikaner bereits zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli abrücken würden und man dann nicht einmal mehr die Logistik für die eigenen Leute haben würde. Nicht umsonst weigerte sich die Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf der Bundespressekonferenz am 30. Juni zuzugeben, dass auch US-Flugzeuge an dieser Aktion beteiligt waren.
Zwei „Büros“, die laut früherer Aussagen der Bundesregierung im bisherigen Bundeswehrhauptstandort Masar-e Scharif und in Kabul eingerichtet werden sollten, kamen nie zustande.
Die ganze deutsche Logistik für die afghanischen Kolleg:innen (es gibt einige wenige Frauen) bestand schließlich in der Verteilung von Handzetteln mit E-Mail-Kontaktadressen bei der zum UN-System gehörigen Internationalen Organisation für Migration (IOM), an die man sich wenden könne. Selbst Beteiligte waren sich nicht sicher, ob das überhaupt genehmigt war.
Angehörige von Ortskräften in Deutschland teilten der taz auf Anfrage mit, dass von einer Stelle am Donnerstag die automatische Antwort kam, die Bearbeitung solcher Anfragen werde „sehr bald“ beginnen. Man werde kontaktiert – „wenn nötig“. Von einer zweiten Stelle hieß es, die Bearbeiterin sei allerdings bis November in Elternzeit. Bei IOM war für die taz am Freitag (dem afghanischen Sonntag) niemand zu sprechen. Auch das ist kein Zeichen von Dringlichkeit.
Landweg versperrt
Nun, da in Masar-e Sharif keine Deutschen mehr sind, könne man sich laut einer Auskunft des Auswärtigen Amtes noch „persönlich“ an die Botschaft in Kabul wenden. Aber durch die bereits in Masars Vororten befindlichen Taliban ist der Landweg dahin versperrt. Zudem war in Kabul zu hören, dass auch IOM seine nicht-afghanischen Mitarbeiter schon vorsichtshalber aus Masar ausgeflogen habe.
AKK hatte ja auch nicht von „deutscher“ Logistik gesprochen oder gesagt: „Wir“ bringen diese Menschen nach Deutschland. Praktischer Schutzfaktor: knapp über Null.
Übrigens: Für den nächsten Abschiebeflug aus Deutschland, der am 7. Juli in Kabul erwartet wird, reicht die Logistik.
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