Affenpocken in Deutschland: Nichts dazugelernt
Die Affenpocken sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Und was tun die politisch Verantwortlichen? Sie wiederholen die Fehler ihrer Coronapolitik.
M an erinnert sich an viele Dinge im Zusammenhang mit Corona höchst ungern, aber die Affenpocken wühlen es einem wieder aus dem Gedächtnis: Wenn es um Impfungen geht, ist Deutschland einfach schlecht. Schlecht in der Organisation, schlecht in der Kommunikation, schlecht darin, Menschen zu schützen – und besonders schlecht darin, aus dem Scheitern zu lernen. Für Situationen nicht nur im Zusammenhang mit Corona. Sondern für den Kampf gegen Infektionen generell.
Nun steht Deutschland gerade an der Spitze eines neuen Ausbruchs. Außer in Spanien und UK gibt es weltweit in keinem Land so viele Fälle dieser Erkrankung wie in der Bundesrepublik. Insbesondere in Berlin haben sich die Affenpocken rasant ausgebreitet – und werden sich weiterhin rasant ausbreiten. Denn eine schützende Impfung gibt es zwar. Die Bundesregierung hat auch ganz viel davon bestellt. Aber erst wurde der Impfstoff wieder einmal später als angekündigt ausgeliefert, nämlich in der zweiten statt der ersten Junihälfte. Und jetzt, Anfang Juli, liegt er halt rum. Nicht zuletzt in Berlin. Und die Kommunikation? Beschränkt sich, auch das ist nicht neu, auf Ankündigungen.
Was immer die Ursache dafür sein mag, dass sich – von zwei ausgewählten Bundesländern abgesehen – noch niemand in Deutschland gegen Affenpocken impfen lassen kann, gerade in der Hauptstadt – Formulare, Abrechnungsfragen, Bürokratie. Vielleicht spielt auch Hemmnis eine Rolle, weil Impfungen in diesem Land ja oft so kritisch gesehen werden. Aber als Entschuldigung gereicht das alles nicht. Ausbrüche von Infektionserregern lassen sich, wenn man keine anderen Maßnahmen ergreifen oder einfach viele Menschen gefährden möchte, nicht ohne Impfungen eindämmen oder bewältigen. Corona hat das gezeigt, Corona zeigt es immer noch. Mit den Affenpocken ist es genauso.
In vielen Ländern, den USA etwa oder Großbritannien, weiß man das und setzt dieses Wissen um. Nur Deutschland hat infektionsmedizinisch nicht dazugelernt – wieder einmal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört