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Affenforscherin Jane GoodallSie kritisierte sanft und gab nie auf

Aus der empathischen Schimpansenforscherin Jane Goodall wurde eine nimmermüde Kämpferin für den Erhalt des Planeten. Nun ist sie gestorben.

Jane Goodall und Schimpansin Tess in einem Schutzgebiet nördlich von Nairobi Foto: Jean-Marc Bouju/ap/dpa

Jetzt, wo Jane Goodall tot ist, läuft es über alle Kanäle: Da war eine Primatenforscherin, die hat tolle Arbeit gemacht. Wörter wie „Kämpferin“, „Popstar“, „Ikone“ fallen. Wörter, die sie herausheben. Sie sagt es sogar selbst. „I am an icon.“ Was aber, wenn eine Ikone stirbt?

Die 1934 in Großbritannien geborene Jane Goodall hat viele Jahrzehnte Schimpansen beobachtet – auf Augenhöhe. Dabei hat sie mehr erfahren über die Menschenaffen als alle anderen zuvor. Vor allem hat sie herausgefunden, dass die Grenze zwischen Mensch und Tier durchlässig ist. Soll heißen, der Mensch ist viel mehr Tier, als er wahrhaben will. Und das Tier mehr Mensch, als der Mensch ihm zugesteht.

Goodalls Forschungen zeigen: Tiere können geplant handeln. Sie teilen sich mit und zeigen Mitgefühl. Es sind Erkenntnisse, die weit über das hinausgehen, was in der westlichen Welt gern gehört wird.

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Goodall war schon als Kind Tierflüstererin. Es war das Gegen­programm zum Vater, der Autorennfahrer war. Schon als Vierjährige habe sie angefangen, Tiere zu studieren. Hühner etwa. Sie fragte sich, wo das Ei herauskommt, da sie kein so großes Loch sah. Sie blieb Stunden im Hühnerstall hocken, bis eine Henne ein Ei legte.

Und Jane Goodall träumte von Afrika; Tarzan wies den Weg. Mit 23 Jahren reiste sie, die eine Ausbildung zur Sekretärin gemacht hatte, auf Einladung eines Freundes nach Kenia und jobbte im Nairobi National Museum. Sie kam in Kontakt mit dem Direktor des Museums, Louis Leakey, einem Paläoanthropologen, dessen Forschungen maßgeblich die These untermauerten, dass der Homo sapiens auf dem afrikanischen Kontinent entstand.

Einfühlsam und kämpferisch

Goodall wurde Leakeys Assistentin, er ermutigte sie, das Verhalten frei lebender Schimpansen zu erforschen. Wie er übrigens auch die zwei anderen Primatenforscherinnen Dian Fossey und Birute Galdikas ermutigte, sich mit Gorillas respektive Orang-Utans zu beschäftigen. Dass Goodall nicht studiert hatte, ihr Blick unverstellt war, sah Leakey als Vorteil.

Einfühlend beobachtete Goodall die Schimpansen. Sie folgte ihnen mit großer Geduld, ließ sich auf die Menschenaffen ein und lernte zu verstehen, warum und wie sie etwas tun. Sie gab den Tieren Namen, nicht Nummern, wie bis dahin üblich. Kollegen fanden das unwissenschaftlich, da es die Dis­tanz zwischen Wissenschaftlerin und Forschungsgegenstand verwische. Heute dagegen ist Goodalls teilnehmende Beobachtung State of the Art.

Dass Goodalls intuitive Herangehensweise in der Breite ankam, lag auch an ihrem ersten Mann, einem Kameramann, der schon früh begann, Filme über Goodalls Arbeit zu drehen.

1962 wurde ihr aufgrund ihrer außergewöhnlichen Verhaltensbeobachtungen erlaubt, mit einer Ausnahmegenehmigung an der University of Cambridge in Ethnologie zu promovieren.

Es seien die Schimpansen gewesen, die gezeigt hätten, dass die Grenze zwischen Tier und Mensch löchrig ist, sagte Goodall. Das wollen manche nicht wahrhaben, stellt es den Leitspruch aus der Bibel, man solle sich die Natur, die Vögel, die Tiere untertan machen, der von christlichen Umweltzerstörern als Blankoscheck genutzt wird, doch sehr in Frage.

Kritik auf sanfte Art und Weise

Im Laufe der Jahrzehnte, die Goodall mit Schimpansen arbeitete, bemerkte sie, wie der Lebensraum der Tiere zunehmend durch Landnutzung, Besiedlung, Agroindustrie eingeschränkt wurde und frei lebende Primaten es immer schwerer hatten zu überleben. Konsequenterweise verschob sich ihr Fokus, Goodall setzte sich für Schutzgebiete für Menschenaffen ein, klärte auf, wo sie konnte, gründete eine Jugendorganisation mit Namen Roots and Shoots, die weltweit lokale Umweltarbeit macht.

Nimmermüde Mahnerin blieb die Vielgeehrte, die in den Adelsstand erhoben wurde, die UN-Friedensbotschafterin war. Auf ihre sanfte Weise übte sie Kritik. Ihre Art zu sprechen, stand im krassen Kontrast zu den massiven Vorwürfen an Industrie und Politik. Diese trieben die Zerstörung des Planeten voran; aus Profit-, aus Machtinteressen. Der Mensch halte sich für klug, aber er zerstört seine Heimat, sagte Goodall einmal.

Auch kürzlich, als über Neunzigjährige, hielt sie noch an etwa 300 Tagen im Jahr Vorträge. Es war ihr wichtig, gegen die Zerstörung des Planeten zu kämpfen. „Mir hört man zu“, sagte sie. Auf einer der Reisen starb sie am 1. Oktober in Los Angeles. Wer fortan den Menschen so ikonenhaft ins Gewissen redet, ist offen.

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