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Affäre um von der Leyens MinisteriumSchlecht beraten

Angesichts der sogenannten Berateraffäre steht das Verteidigungsministerium in der Kritik. Von der Leyen droht ein Untersuchungsauschuss.

Versehen statt Vetternwirtschaft – Klüngelei sei dem Verteidigungsministerium fremd Foto: dpa

Berlin taz | Die Berateraffäre des Verteidigungsministeriums ist am Mittwochvormittag erneut Thema im Verteidigungsausschuss des Bundestags. Die Oppositionsfraktionen verlangen von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) Antworten auf offene Fragen; im Zweifel könnten FDP, Grüne und Linksfraktion hinterher gemeinsam einen Untersuchungsausschuss einsetzen.

Ausgelöst hatten die Affäre Untersuchungen des Bundesrechnungshofs im August: Das Ministerium hatte allein in den Jahren 2015 und 2016 mehr als 200 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben. Ob diese Ausgaben tatsächlich nötig waren oder ob die Aufgaben der Berater auch intern hätten erledigt werden können, ist umstritten. Zudem soll das Ministerium in mehreren Fällen die Vergaberichtlinien umgangen haben, um die Aufträge nicht öffentlich ausschreiben zu müssen.

Während das Ministerium bislang von Versehen und Fehlern spricht, hegt die Opposition den Verdacht der Vetternwirtschaft. „Die Frage ist letztendlich, ob Verträge an Kumpel oder gute Bekannte vergeben wurden, mit denen das Ministerium besonders gerne zusammenarbeitet“, sagt der Linken-Abgeordnete Matthias Höhn.

Vor der Sitzung des Verteidigungsausschusses hat das Ministerium den Abgeordneten einen neuen Bericht über die Affäre vorgelegt. Darin geht es unter anderem um einen Rahmenvertrag, der eigentlich nur für Beratungen zu IBM-Software vorgesehen war – über den das Ministerium dann aber auch Leistungen zu ganz anderen IT-Fragen abgewickelt hat. Diese Leistungen mussten dadurch nicht öffentlich ausgeschrieben werden. Ob dahinter Absicht oder ein Versehen steckte, wird eine der Fragen sein, mit denen sich der Ausschuss beschäftigt.

Mindestens 3.804 Beraterverträge

Die Abgeordneten wollten dazu auch Katrin Suder befragen, die einst Mitarbeiterin der Unternehmensberatung McKinsey und von 2014 bis 2018 Staatssekretärin im Ministerium war. Wie die Welt am Dienstag berichtete, will Suder aber nicht im Ausschuss erscheinen. Verpflichtet ist sie dazu, anders als in einem Untersuchungsausschuss, nicht.

Nicht nur das Verteidigungsministerium setzt auf externe Berater. In einer Anfrage an das Finanzministerium wollte der Linken-Abgeordnete Höhn wissen, wie oft die Regierung seit 2014 für die Expertise von Dritten bezahlt hat. Die Antwort: Die Bundesministerien und ihre nachgeordneten Behörden haben in den vergangenen vier Jahren mindestens 3.804 Beraterverträge mit einem Volumen von 716 Millionen Euro abgeschlossen. Höhn nennt diese Praxis „teuer und undemokratisch“. Die Berater würden immer öfter zu Entscheidern – „ohne jede Legitimation und Transparenz“.

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9 Kommentare

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  • „Die Bundesministerien und ihre nachgeordneten Behörden haben in den vergangenen vier Jahren mindestens 3.804 Beraterverträge mit einem Volumen von 716 Millionen Euro abgeschlossen.“

    Beraterfirmen beraten also für sehr viel Geld unsere Politiker, damit die Politiker weiterhin ihre Ministergehälter und Diäten beziehen können. Seit Jahren diktieren Lobbyisten unseren Politikern was in den Gesetzen stehen soll, und für die Reichen wurde sogar der Spitzensteuersatz von 53% auf 42% gesenkt, und die Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften wurden auch noch steuerfrei gestellt. Wofür bezahlen wir eigentlich unsere Volksvertreter? - Nun ja, damit der kleine Bürger über solche Dinge nicht nachdenkt, hat man ihm 50 TV Programme gegeben, wo solche sinnfreien Sendungen laufen wie Dschungelcamp, amerikanische "Blöd-Serien" und natürlich das wöchentliche Bashing gegen Hartz IV Empfänger.

  • Daß Klienten gelegentlich Mitarbeiter von Unternehmensberatungen abwerben ist nicht ungewöhlich. Wenn es ein/e Hochkaräter/in ist, gibt es eben eine kleine Ablöseprämie in Form eines Auftrags und die Zusicherung auch zukünftig auf der Shortlist für Beraterleistungen zu bleiben. Nicht schön aber isso.



    Familienmitglieder bei beauftragten Beratungsunternehmen unterzubringen, gilt allerdings als unfein. Insofern hoffe ich, daß die Anstellung von Uschis Sohn bei McKinsey (die taz berichtete ?) im Ausschuß zur Sprache kommt.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Das sich die Verteidigungsministerin für ihre Aufgabe externe Unterstützung sucht ist grundsätzlich völlig in Ordnung. Und der grundlegende Modernisierungsansatz der Armee doch auch. Das dann aber beides im Sumpf der bestehenden und nach wie vor sehr traditionierten Großorganisation stecken bleibt und sich ein „wir machens wie immer“ durchsetzt muss man vdL anrechnen. Offenbar hat sie den Landen eben nicht im Griff. Daher: Ungeeignet für´s Amt.

  • Frau von der Leyen versuchte die Bundeswehr wie ein Wirtschaftsunternehmen zu führen. Loyalität, Kameradschaft, Korpsgeist und Hingabe waren und sind ihr fremd. Sie will Performance, setzt hippe Berater ein und sichert ihre Zukunft nach der Politik ab. Spätestens nachdem sie sich von der eigenen Truppe distanzierte, nimmt sie dort sowieso keiner mehr ernst.

  • Was ist das bloß für ein Parlament, das sich dieses Schmierentheater bieten lässt? Immerhin geht es um fragwürdige Beraterverträge, die munter in Richtung einer Milliarde Euro oft in Form von Selbstbedienung ausgestellt werden. Da entwickelt sich der Politikbereich zum Selbstbedienungsladen. Millionen für parteinahe Stiftungen, NGOs, die staatlich alimentiert werden und auch sogen. ThinkTanks. Wenn die Kontrolleure selbst die Kontrolle verlieren im Sumpf lukrativer Beraterverträge und Steuergelder für teils fragwürdige Aufträge, dann geht die Demokratie vor die Hunde.



    Man könnte den Eindruck gewinnen, dass das "Abschöpfen von Staatsknete" neben Steuerbetrug in bestimmten Kreisen der Hit ist.

  • Eigentlich sollte es reichen, dass alle rechtswidrig entstandenen Verträge nicht bzw nicht weiter bezahlt werden; zumindest in Folge sollte so eine Maßnahme zukünftige Schäden abwenden.



    Sollen sich die 'Vettern' ihre Kohle doch bei den Anstiftern holen...

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Im Textbuch heißt es die zivile Verwaltung ist dafür da die Armee demokratisch zu halten, ich glaube inzwischen die ist dazu da die Armee schwach und damit harmlos für die Demokratie zu halten.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      .... und eine starke Armee ist dann nicht mehr harmlos für eine Demokratie? Vllt. haben Sie recht ... schaffen wir die Bundeswehr ab! Rente statt Rüstung

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @Arthur Dent:

        Bei der Lücke die in der Rente klafft ist auch der Verteidigungsetat nur ein Tropfen auf den heißen Stein.