AfD-Diskussion zu Öffentlich-Rechtlichen: Freundlich kaschierte Animositäten
Zum ersten Mal diskutierten am Donnerstag die Chefredakteure von ARD und ZDF öffentlich mit der AfD – und blieben meilenweit auseinander.
![Peter Frey und Kai Gniffke Peter Frey und Kai Gniffke](https://taz.de/picture/3037857/14/afd2.jpeg)
Umarmungen am Schluss blieben aus. Aber es gab für alle Podiumsteilnehmer sächsischen Wein, und CDU-Überläufer Maximilian Krah konstatierte für den AfD-Kreisverband Dresden eine „einmalige Diskussion mit einem breiten Meinungsspektrum“. Die beiden Chefredakteure von ARD aktuell und ZDF hätten mit ihrem Erscheinen Mut bewiesen, und der Abend habe „der Freiheit eine Gasse geschlagen“, zitierte Krah ein patriotisch-nekromanisches Lied von Georg Herwegh. Alle hatten ein bisschen Kreide gefressen, wie der ehemalige Focus-Journalist und gegenwärtige Gauland-Mitarbeiter Michael Klonovsky bekannte.
Denn es galt bei einer so viel beachteten Mediendiskussion eine zivilisierte Form zu wahren – was auch gelang und von der AfD als Erfolg gefeiert wurde. „Nicht mal eine Gegendemo“, schien man im Dresdner Kreisverband unter Entzugserscheinungen zu leiden. Unter rund 300 Besuchern in einem Saal der Messe Dresden wurden allein 70 Journalisten gezählt, darunter sogar ein Korrespondent der Washington Post.
Außer diesen waren nicht nur AfD-Anhänger im Saal. Die zwei Drittel, die applaudierten oder in Hohngelächter ausbrachen, aber nicht schmähten, waren einmal mehr überwiegend Männer jenseits der Midlife-Crisis. U30-Teilnehmer konnte man nur vereinzelt entdecken.
„Medien und Meinung“ war dieser Diskussionsabend über die Rolle der Öffentlich-Rechtlichen Medien überschrieben. Die ersten Statements von AfD-Seite, darunter vom ehemaligen Bild am Sonntag-Vizechef Nicolaus Fest, unterstellten, dass statt strikter Neutralität Meinungen transportiert, gar volkspädagogische Absichten verfolgt würden. Und die gingen zu Lasten der AfD. „Verkantet“ nannte Fest das Verhältnis. Moderator Andreas Lombard sah den Journalismus „tendenziell links“ und damit im Widerspruch zu den Mehrheitsverhältnissen in der Bevölkerung.
Der bekannte Opfergestus
Doch dieser Opfergestus medialer Diskriminierung ließ sich nicht halten. ZDF-Chefredakteur Peter Frey wartete mit einer eigenen Statistik aus der Bundestagsberichterstattung auf, nach der die AfD in Nachrichtensendungen wie „heute“ unter allen Oppositionsparteien am zweit häufigsten nach den Grünen genannt werden.
Tagesschau- und Tagesthemen-Chefredakteur Kain Gniffke geriet beim Versuch, sich konzilianter zu zeigen, auf eine Ölspur. Die junge AfD müsse sich erst finden und in der Medienarbeit professioneller werden, und außerdem fänden sich wegen partieller Redeverbote nicht immer AfD-Ansprechpartner. Doch statt Beifall erntete Gniffke Gelächter.
Ein Eigentor schoss allerdings auch die AfD. Kritiker Klonovsky konnte bei seiner Klage über die angeblich einseitige Zitierung linker Gegendemonstranten in Chemnitz eigentlich nur froh sein, dass die Hassreden und Umsturzaufrufe der Redner von „Pro Chemnitz“ nicht ausreichend filmisch dokumentiert wurden. Aufforderungen, zwischen rechts und rechtsextrem zu unterscheiden, konterte Peter Frey für das ZDF mit dem lapidaren Satz: „Sie müssen entscheiden, mit wem Sie marschieren“.
Wieder war sein Kollege Gniffke um mehr Entgegenkommen gegenüber den Gastgebern bemüht. „Nicht jeder, der zu Pegida geht, ist ein Nazi“, verkündete er, offensichtlich ohne zu wissen, wie Pegida sich in den vergangenen beiden Jahren radikalisiert hat.
„Armleuchter“ überall
Deutlich traten beide jedoch Unterstellungen entgegen, das gebührenfinanzierte Fernsehen spiele Morde wie der an der Freiburger Studentin herunter, weil sie von Flüchtlingen begangen wurden. Man könne nur nicht täglich Verbrechen aus den Regionen in der Tagesschau erwähnen, sagte Gniffke. In allen hier lebenden Bevölkerungsgruppen gäbe es auch „Armleuchter“ und eben Verbrecher, man bevorzuge keine Tätergruppen. Überhaupt wandte er sich gegen Pauschalisierungen. Das wollte das Publikum offensichtlich anders hören, für das die kriminelle Hauptgefahr von Ausländern ausgeht.
Umgegekehrt outeten sich viele anwesende AfD-Anhänger als Fans von Donald Trump. Der Vorwurf, der arme und schüchterne US-Präsident werde von deutschen Medien so schlecht behandelt, zauberte nun wieder ein verhaltenes Lächeln auf die Gesichter der sonst schwer unter Druck stehenden Chefredakteure.
Die verwiesen nochmals auf ihr Handwerk, beispielsweise auf die Trennung von Bericht und Kommentar und die Pflicht zur Anhörung aller Seiten. Bei dessen Ausübung könnten allerdings wie überall Fehler passieren könnten. Gniffke nahm sogar den Wunsch nach Vorab-Berichterstattung über den „Global Compact on Refugees“ der UNO auf, dessen geplante Verabschiedung am 11.Dezember die AfD verängstigt.
Auf offene Ohren stieß auch Kritik an Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die Zwischentöne etwa zwischen „Gender“ und „Homophobie“ vermissen ließen. Gniffke und Frey verlangten allerdings auch Respekt vor den Berichterstattern, während das Publikum Hinweise auf die Übergriffe gegen Journalisten auslachte.
Das Misstrauen blieb
Der faire Verlauf der reichlich zweistündigen Diskussion änderte an spürbaren Ressentiments gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen Medien und gegenüber Flüchtlingen nichts. Wenn ARD und ZDF denn nicht gleich zu liquidieren seien, sollten sie zumindest mehr AfD bringen, war gewissermaßen mit dem dritten Ohr herauszuhören. Sachsens Landesvorsitzender Jörg Urban kaschierte diesen Wunsch nicht einmal, als er eine “rechte Talk-Show“ mit Antaios-Verleger Götz Kubitschek als Moderator forderte.
Das Misstrauen blieb. „Die sind nicht frei, die beiden“, tauschten auf dem Heimweg zwei ältere Damen ihre Verschwörungstheorien über die geheime Steuerung unserer Medien aus.
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