Ärztin zu Legalisierung von Abtreibungen: „Was gibt es da zu prüfen?“
Am Freitag berät eine Expert:innenkommission die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Was erwartet die Ärztin Jana Maeffert davon?
taz: Frau Maeffert, Sie sind eine von gerade mal knapp über 1.000 Ärzt*innen in Deutschland, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Was bedeutet das im Praxisalltag?
Jana Maeffert: Die meisten Patientinnen, die ungewollt schwanger vor mir sitzen, sind gar nicht meine eigenen. Sie wurden von ihren Gynäkolog*innen zu mir geschickt, weil die selbst keine Schwangerschaftsabbrüche machen. Viele haben schon mehrere Ärzt*innen durchtelefoniert. Sie waren, wie gesetzlich vorgeschrieben, schon in einer Beratungsstelle, haben die Frist von drei Tagen abgewartet – kurz: Sie haben schon mehrere Hürden hinter sich, bis sie letztlich bei mir landen.
Warum machen so viele Gynäkolog*innen keine Abbrüche?
Natürlich spielt die Stigmatisierung eine Rolle, die sich auch in der Rechtslage widerspiegelt: verboten, aber unter Umständen straffrei. Aber auch auf bürokratischer Ebene gibt es Hürden, und viele davon haben direkt oder indirekt mit der Rechtslage zu tun.
Was meinen Sie konkret?
47 Jahre, ist Gynäkologin mit eigener Praxis in Berlin. Sie führt seit über 20 Jahren Schwangerschaftsabbrüche durch
Abbrüche sind keine Kassenleistung, denn eine rechtswidrige Handlung kann nicht von der gesetzlichen Kasse bezahlt werden. Entsprechend weicht die Abrechnung von der Standardprozedur ab. Jeder Abbruch muss ans Statistische Bundesamt gemeldet werden, inklusive Angaben wie das Alter der Frau, ob sie verheiratet ist, wie viele Kinder sie hat, aus welchem Bundesland sie kommt. Das muss alles erfasst werden. Die Medikamente für den medikamentöse Abbruch unterliegen einem Sondervertriebsweg. Ich muss sie selbst bestellen, in Vorkasse gehen, sie in der Praxis gesondert lagern. In manchen Bundesländern braucht man besondere Genehmigungen, um Abbrüche durchzuführen. Eine Kollegin hat mir erzählt, sie musste ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen – so etwas gibt es bei keiner einzigen anderen medizinischen Leistung.
Das klingt jetzt aber alles nicht besonders dramatisch.
Nein, aber es bedeutet Extraaufwand im ohnehin stressigen Praxisalltag. Nehmen wir an: Von zehn Ärzt*innen machen ein bis zwei Abbrüche, weil es in ihrer Überzeugung zu ihrem Beruf dazugehört. Zwei lehnen es aus ethischen Gründen strikt ab. Die anderen sechs sind indifferent, weder total dafür noch dagegen. Aber die werden von den Hürden extrem abgeschreckt und denken sich: Warum soll ich mir all diese Extraarbeit aufbürden, wenn ich nicht muss?
Für Sie gehört es dazu. Warum?
Als Gynäkologin möchte ich für meine Patientinnen, in allen Fragen die Fruchtbarkeit betreffend, da sein: bei gewollten wie ungewollten Schwangerschaften oder bei unerfülltem Kinderwunsch. Wir sollten nicht einteilen in Menschen, die eine Schwangerschaft austragen, und solche, die sie abbrechen – in vielen Biografien gehört beides dazu. Genauso gehört es für mich zu meinem Beruf dazu, sie in beiden Situationen bestmöglich zu begleiten.
Am Freitag tritt erstmals die Kommission zusammen, die im Auftrag der Ampelkoalition die bestehende Rechtslage prüfen soll. Was erwarten Sie sich?
Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was es da zu prüfen gibt. Die WHO benennt ganz klar, dass Hürden die medizinische Versorgung verschlechtern und zu unterlassen sind. Auch aus menschenrechtlicher Sicht ist die Sache klar. Aber Deutschland hält sich einfach nicht daran. Das ist aus meiner Sicht ein Skandal.
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