Ärger über EU in Indien und Afrika: Bürokratie gegen Indiens Geimpfte

Der neue digitale Impfpass der EU erkennt AstraZeneca-Vakzine, die unter Lizenz etwa in Indien hergestellt worden sind, nicht an.

Zwei Frauen mit Maske halten sich den Oberarm

Frisch geimpft mit Covishield im Impfzentrum in Mumbai Foto: Rafiq Maqbool/ap

BERLIN/MUMBAI taz | In die EU zu reisen ist seit dem 1. Juli für einen großen Teil der Weltbevölkerung noch schwerer geworden. Der neue digitale Impfpass der EU, der seit vergangenem Donnerstag gilt, erkennt den in Indien unter Lizenz hergestellten AstraZeneca-Impfstoff „Covishield“ nicht an. Es ist der wichtigste Impfstoff für zahlreiche Entwicklungsländer und für das globale Covax-Impfprogramm der Weltgesundheitsorganisation WHO, das die ärmsten Länder der Welt mit kostenlosen Impfstoffen versorgen soll.

Produziert wird er vom weltgrößten Impfstoffproduzenten, dem Serum Institute of India (SII). Covishield ist mit dem in der EU anerkannten AstraZeneca-Impfstoff Vaxzevria identisch, doch jedes Lizenzprodukt braucht eine separate Anerkennung seitens der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA. Die Beschränkung gilt auch für weitere AstraZeneca-Lizenznehmer, beispielsweise in Südkorea, Thailand, Japan und Mexiko. Die EMA erkennt AstraZeneca-Produktionsstätten außerhalb der EU lediglich in den USA, Großbritannien und China an.

Wer mit einem AstraZeneca-Impfstoff aus einem anderen Land geimpft ist, wird nun also bei der Einreise in die EU behandelt wie Ungeimpfte. Die führende afrikanische Wochenzeitung The East African spricht in ihrer neuesten Ausgabe diese Woche von „Impf-Apartheid der EU“ und zitiert die führenden Covid-19-Beauftragten der Afrikanischen Union (AU) mit Empörung darüber, dass Europa zwar die Belieferung afrikanischer Länder mit dem Impfstoff aus Indien finanziert habe, dessen Verwendung dann aber nicht als gültige Impfung anerkenne.

In Indien ist die Enttäuschung groß. „Für mich macht das keinen Sinn“, sagt der indische Student Yuvraj Jain, der aufgrund der Pandemie sein erstes Studienjahr vor dem Computer verbracht hat. „Ich habe Covishield genommen, damit ich später in Europa keine Probleme haben werde“, erläutert der 19-Jährige, der sich auf seine baldige Reise vorbereitet.

Weder Deutschland noch EU orientieren sich an WHO

Zwar ist Covishield von der WHO anerkannt, doch daran orientiert sich die EU nicht. Aktuell haben zehn europäische Staaten, darunter Deutschland, Covishield zwar auf nationaler Ebene anerkannt, ebenso die Schweiz und Großbritannien. Nicht anerkannt ist Covishield unter anderem aber in Frankreich, Italien oder Portugal. Briten indischer Abstammung, die sich im Heimatland impfen ließen, gelten nun zwar in Großbritannien als geimpft, nicht aber bei der Reise in ein EU-Land.

Die deutsche Anerkennung von Covishield nützt aktuell wenig. Bereits Ende Juni bestätigte zwar der deutsche Botschafter in Indien, Walter Lindner, „dass eine Doppelimpfung mit Covishield von Deutschland vollständig als gültiger Nachweis der Anti-Covid-Impfung anerkannt wird“. Doch wer aus Indien einreist, muss derzeit zwei Wochen in Quarantäne, da es sich um ein Virusvariantengebiet handelt.

Indien hat längst um eine Anerkennung von Covishield und dem indischen Covaxin durch die EU gebeten und gewarnt, dass sonst auch das Impfzertifikat der EU in Indien nicht gelten könne. Der Hersteller SII gibt sich indes versöhnlich. „Die EMA hat absolut recht, wenn sie uns auffordert, einen Antrag zu stellen, was wir durch unseren Partner AstraZeneca vor einem Monat getan haben“, sagte SII-Geschäftsführer Adar Poonawalla. Er ist zuversichtlich, dass Covishield in ­einem Monat freigegeben wird.


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