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Änderungen im MietrechtEin absenkbarer Klodeckel

Die Neueigentümer eines Hauses in Berlin ekeln mit absurden Modernisierungsmaßnahmen die Altmieter raus. Ein Erfahrungsbericht.

Mieterschutz? Wird gerade runtergespült... Bild: imago / MacPhoto

Der Staub kriecht überallhin. Über den Boden, zwischen Buchseiten, in die Schränke. Seit anderthalb Jahren wird in meinem Haus gebaut. Zuerst wurde ein Dachgeschoss draufgesetzt, dann ein Fahrstuhl installiert. Jetzt wird das Treppenhaus gestrichen und der Asphalt im Hof aufgerissen.

Wir schmieren uns frische Farbe an die Mäntel, unsere Türschlösser sind verklebt. Die Mülltonnen stehen im Hausflur, einmal regnete es in mein Schlafzimmer. Die Bauarbeiter kommen aus Polen, der Ukraine, Rumänien und sind nicht immer korrekt angemeldet. Bauaufsicht und Polizei winken nur noch ab.

Aber damit haben wir MieterInnen uns arrangiert. Irgendwann muss der Wahnsinn ja ein Ende haben. Aber danach wollen die beiden jungen Eigentümer – ein Start-up-Unternehmer mit viel Geld und ein Immobilienmakler mit viel Know-how – unsere Wohnungen sanieren. Den Wohnwert verbessern, wie sie sagen.

Das wollen wir nicht. Unser Wohnwert ist – wenn um uns herum nicht gerade gebaut wird – großartig. Wir haben nämlich alles selbst gemacht und bezahlt: Heizungen, Bäder, Fenster, Türen. Das ist den Eigentümern aber egal, sie stecken uns regelmäßig Modernisierungsankündigungen in den Briefkasten. Die weist unser Anwalt allerdings ebenso regelmäßig zurück. Die geplanten Maßnahmen sind nicht ausreichend begründet und haben häufig auch keine rechtliche Grundlage.

„Im Zuge der Badsanierung“

Bei mir zum Beispiel soll „im Zuge der Badsanierung“ ein WC-Sitz mit Absenkautomatik eingebaut werden, so ein Klodeckel, der sich von selbst runterklappt. Kann sein, dass so ein Ding der letzte Schrei ist. Aber ich brauche so was nicht.

Für meine 92-Quadratmeter-Wohnung am Hotspot Helmholtzplatz in Berlin-Prenzlauer Berg bezahle ich 570 Euro Bruttowarmmiete. Der Mietvertrag ist von 1991. Nach einer Sanierung wollen die Eigentümer das Doppelte haben. Das ist mein komplettes taz-Gehalt. Ein Immobilienmakler sagte mal zu mir: „Da hocken die Altmieter in den billigen Buchten wie die Maden im Speck.“

Mein Nachbar von obendrüber hatte irgendwann keine Lust mehr auf Mietermobbing und ist ausgezogen. Die Wohnung – 92 Quadratmeter, unsaniert – soll jetzt verkauft werden. Für 400.000 Euro. Auch so kann sich eine Modernisierung für den Investor lohnen.

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7 Kommentare

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  • I
    Irmi

    Danke dem Staat dafür, das er die Vermieter dazu berechtigt die Mieter noch mehr auszunehmen.

     

    Eine Freundin von mir wohnt in einer Siedlung mit sehr günstigen Mieten. Zum xten mal wurde die verkauft und nun hat man begonnen zu sanieren. Hauswand gedämmt, neue Plastikfenster, Klack-klack Laminat böden, Bad in eine Größe umgebaut das man sich sogar umdrehen kann.

     

    Hat die Miete vor der Sanierung 140 Euro gekosten, kostet sie jetzt über 700 € warm für 60 qm.

     

    Beim nächsten Block die genau so saniert werden kostet eine 45 qm wohnung 600 € KALT also pro qm 14 € Kaltmiete. Das ist Bayern und keiner unternimmt etwas gegen den Mietwucher. Waraum auch, der Staat nimmt damit mehr Steuern ein.

  • M
    Mietnomade

    Unter neoliberaler Deutungshoheit heißt es immer "der Markt regelt das". Den Wohnungsmarkt? Der Staat hat sich über Jahre hinweg aus dem sozialen Wohnungsbau zurück gezogen. Städtische u.ä. Wohnungen wurden privatisiert. Für diesen Judaslohn aus den Verkäufen wurden und werden tausende Mieter aus ihrem bisherigen Umfeld gedrängt bzw. entmietet. Dazu noch die Mietrechtsänderungen und schon können Heuschrecken und Leute, die sich dafür halten, Kasse machen. Wer keinen Mindestlohn möchte und keine Altersarmut sieht, regiert quasi ohne Probleme. Und als Sahnehäubchen "Deutschland geht es gut". Ich kann gar nicht soviel essen wie ich ...... möchte.

  • C
    currywurst

    "Bauaufsicht und Polizei winken nur noch ab." ????

    ich habe nicht die gleichen, aber ähnliche probleme in meiner wohnung, seit jahren. früher bin ich bei problemen nach einiger aktion ausgezogen, immer wieder, immer weiter.

     

    und irgendwann habe ich mir gesagt: nein, ich will nicht mehr nachgeben. ich will nicht mehr den weg für die rücksichtslosen und korrupten freimachen. seither kämpfe ich und es ist wirklich mühsam. und immer wieder kommen neue probleme. aber nichtsdestotrotz haben meine aktionen auch schon bewirkt, dass manche von den rücksichtslosen gegangen sind, gehen mussten.

     

    im moment ist das problem mit unserer Hausverwaltung so heftig, dass ich bald vor gericht gehen werde.

     

    es ist mühsam und zeitaufwendig, sich zu wehren. aber auch wenn unsere republik nicht perfekt ist: wir haben einen rechtsstaat. und der ist auf meiner seite.

     

    ich finde, dass wir alle unsere gesellschaft mit bilden, jede und jeder einzelne. auch deshalb arbeite ich auf meine weise mit, fairness und recht aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. denn wenn diejenigen immer nachgeben, die unrechtmäßig drangsaliert werden, bekommen die anderen immer mehr einfluss, macht und geld.

     

    noch einmal: es ist für mich auch nicht einfach und die meisten anderen menschen lassen sich alles gefallen. nur sehr wenige aus meinem haus wehren sich (3 von 55). aber ich finde es wichtig. und es war auch schon zum teil erfolgreich. und ich habe hoffnung, dass mit dem gang vor gericht die HV per gerichtsbeschluss rausfliegt. und dann eine ordnungsgemäße kommt. das sagt zumindest auch die anwältin. und wenn nicht, geht es eben weiter ...

     

    ja, das leben ist kein ponyhof, aber ich kann trotzdem mitgestalten. und das tue ich. und andere auch. auch wenn es die minderheit ist. ich möchte dich, simone schmollack, deshalb ermutigen, dich nicht unterkriegen zu lassen: geh zum mieterverein, lass dich beraten und notfalls vor gericht vertreten. lass sie nicht gewinnen.

  • D
    DerDemokrator

    Mir kommt da ein böser Verdacht. Vielleicht brennt es deshalb in Moabit ständig irgendwo. Schließlich gehört dieser Stadtteil zum Regierungsbezirk Mitte, nur eben zur Zeit noch zu dem Teil wo man noch nicht überall Wuchermieten zahlt. Die Vertreibung(Modernisierung) läuft jedoch im großen Stil.

  • G
    Gentrifidingsbums

    Frau Schmollak, machen Sie ne Kolumne draus. Ich bin bestimmt nicht der Einzige, der wissen möchte, wie's weiter geht.

  • B
    ber

    Ich finde es legitim in diesem Zusammenhang die Namen der Immofirma oder besagtes Startup zu nennen. Warum diese Zurückhaltung?

  • H
    hagbard

    scheinheilige republik, wohin das auge auch schauet; aber wenn wundert noch das fazinierende timing? die heuschrecken sind überall - passend dazu: zertretet sie, wo ihr könnt!