Kritik an Mietrechtsänderung: „Die Giftzähne des Gesetzes“
Die Mieten dürfen künftig nicht mehr so stark steigen, hat der Bundestag beschlossen. Aber das eigentliche Problem hat die Politik ignoriert, kritisiert der Mieterbund.
BERLIN/AUGSBURG dpa/dapd | Der Deutsche Mieterbund hat die vom Bundestag beschlossenen Mietrechtsänderungen scharf kritisiert. „Mit diesem Gesetz werden Mieterrechte geschliffen, entweder eingeschränkt oder gleich abgeschafft“, sagte Präsident Lukas Siebenkotten der Passauer Neuen Presse. Für die SPD ist die Verschärfung des Mietrechts verfassungsrechtlich bedenklich.
Hauptproblem sei, dass sich die Begrenzung von Mieterhöhungen auf bestehende Mietverhältnisse beschränke: „Das eigentliche Problem sind die Mieterhöhungen bei Neuvermietungen. Die Neuvertragsmieten schießen durch die Decke.“ Hier sei eine gesetzliche Begrenzung nach oben notwendig. „Aber davor scheut die Politik zurück“, kritisierte Siebenkotten.
Problematisch sei auch, dass der Bundestag das dreimonatige Mietminderungsrecht während der Sanierungszeit gestrichen und Räumungen per einstweiliger Verfügung ermöglicht habe: Dies seien „die Giftzähne dieses Gesetzes, die im Interesse der Mieter eigentlich noch hätten gezogen werden müssen“.
Der Bundestag hatte am Donnerstag mit den Stimmen von Union und FDP beschlossen, dass bestimmte Mieten ab dem kommenden Jahr nicht mehr so stark erhöht werden wie bisher. Demnach dürfen die Bundesländer Mieterhöhungen in besonders begehrten Städten oder Stadtvierteln stärker deckeln. Statt um 20 Prozent dürfen Mieten dort binnen drei Jahren nur noch um bis zu 15 Prozent steigen.
Mieterrechte beschnitten
Besonders umstritten ist, dass zugleich auch Mieterrechte gekappt werden. Um das Energiesparen im Zuge der Energiewende voranzubringen, dürfen Mieter über drei Monate bei energetischen Sanierungsmaßnahmen die Miete trotz Lärm- und Schmutzbelästigungen nicht mehr mindern. Ein Punkt ist auch ein schärferes Vorgehen gegen sogenannte „Mietnomaden“. Zahlen sie keine Miete oder lassen Wohnungen verwahrlosen, kann künftig schneller eine Zwangsräumung veranlasst werden.
DieVerschärfung des Mietrechts verstößt nach Auffassung der SPD gegen das Grundgesetz. Ein ursprünglich gegen Mietnomaden gedachter Passus könne Millionen von unbescholtenen Mietern schwere Nachteile bringen, sagte die SPD-Rechtsexpertin Christine Lambrecht in der Augsburger Allgemeinen. Mieter könnten ihre Wohnung verlieren, „ohne dass überhaupt gerichtlich entschieden ist, ob die Kündigung und die Räumung gerechtfertigt waren“, sagte Lambrecht. Das sei verfassungsrechtlich höchst bedenklich.
Leser*innenkommentare
Herna Sodinga
Gast
Wie immer unterscheidet das Gesetz leider nicht nach der Gegend. Was in Düsseldorf und Münster, Frankfurt und München, den Profit der Großvermieter steigert und daher als asoziale, kapitalistische Gesetzesänderung zu werten ist, bewahrt in Sanierungsgebieten wie Herne-Sodingen, Essen-Borbeck oder Duisburg Marxloh hunderte normale Mietshäuser in privater Hand vor dem Abriss, erhält dadurch bezahlbaren Wohnraum und wirkt somit als soziale Wohltat.
Die Gleichheitspflicht der Gesetzesmacher steht in diesem Fall sehr krass der Schaffung von Gerechtigkeit entgegen. Wir brauchen daher für schlimme Stadtteile Notstandsgebiets-Regelungen, damit Gesetze wie dieses örtlich beschränkt erlassen werden können.
quer-ulantin
Gast
Bei Modernisierung durften Vermieter bisher schon 11% Prozent der Modernisierungskosten dauerhaft auf die Miete umlegen – auch wenn der Vermieter seine Kosten längst hereingeholt hat.
Voraussetzung war bisher, dass die Arbeiten auch dem Mieter eine Kosteneinsparung bringen.
Dies fällt jetzt weg!
Ausgaben können künftig auch dann umgelegt werden, wenn sie dem Mieter keine Ersparnis bringen!
Toll - danke!
Kaboom
Gast
Räumung per einstweiliger Vefügung? Scheint da wurden die wildesten Träume von Haus & Grund zum Gesetz gemacht. LOL.
Jörn
Gast
Die Reduzierung der maximalen Mieterhöhungen sind der niedrigen Preissteigerung geschuldet und daran gemessen viel zu gering.
Die übrigen Änderungen des Mietrechts begünstigen eindeutig die Vermieter - ein geschickter Schachzug dies in ein Paket zu fassen - so lassen sich die Proteste gut verringern.
Die Kaufpreise der Immobilien in den Städten steigen. Da müssen Wege gefunden werden, die Mieten zu erhöhen. Die Mieterhöhungsklausel orientiert sich an den Vergleichsmieten und ist daher nur ein Weg. Daneben werden Sanierungen (verbunden mit Mietsteigerungen) und Kündigungen (mit deutlich teurerer Neuvermietung) erleichtert.
In der nicht gerade als sozialistisch verschrieen Schweiz, sind die Mieterhöhungen bei Neuvermietungen begrenzt. Allerdings hat dies den dramatischen Anstieg der Mietpreise nicht bremsen können. Wohnungsspekulation und zu geringes Angebot sind die Preistreiber der Mieten.