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Änderung der MehrwegquoteDosenpfand ist abgebrannt

Der Bundestag debattiert ein neues Verpackungsgesetz. Umweltverbände kritisieren das Streichen einer Zielvorgabe für Mehrwegflaschen.

Hat immer mehr zu tun – die Müllabfuhr Foto: ap

Berlin taz | Große Ziele hatte das Bundesumweltministerium 1991: Man wolle die „Abkehr von der Wegwerfgesellschaft“ einleiten, hieß es, als die Verpackungsverordnung verabschiedet wurde. Sie verpflichtete Unternehmen erstmals, ihren Müll zurückzunehmen.

Im Jahr 2017 sind die jährlichen Verpackungsabfälle auf knapp 18 Millionen Tonnen gewachsen. Heute debattiert der Bundestag über den Entwurf für ein neues Verpackungsgesetz. Vorgesehen sind unter anderem erhöhte Recyclingquoten für Verpackungen aus Kunststoff, Papier, Pappe und Karton.

Doch etwas fehlt: eine Zielvorgabe für Mehrwegflaschen. Ein Bündnis unter anderem aus Deutscher Umwelthilfe und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten ist entsetzt: „Damit wird das erklärte Ziel des Gesetzentwurfs, Verpackungsabfälle zu vermeiden, in einem zentralen Punkt verfehlt und zugunsten des Recyclings von Einweg-Plastikflaschen und Dosen aufgegeben“, erklärt das Bündnis.

Für die Herstellung von jährlich mehr als 17 Milliarden verbrauchten Einweg-Plastikflaschen in Deutschland werden 650.000 Tonnen Rohöl benötigt. Eine Mehrwegflasche, die bis zu 50-mal befüllt werden kann, ist hingegen deutlich ressourcenschonender. Entgegen der politischen Absicht sinkt seit der Einführung des Dosenpfands im Jahr 2003 der Anteil von Mehrweg-Getränkeverpackungen kontinuierlich. 2014 lag er noch bei 46 Prozent.

500.000 Tonnen Plastikabfall

Dabei strebt die derzeit geltende Verpackungsverordnung einen Mehrweganteil von mindestens 80 Prozent an. Behördliche Sanktionsmöglichkeiten waren nie vorgesehen, die Zielvorgabe wurde nie erreicht. Nun soll sie gänzlich gestrichen werden. Michael Schoeren, Sprecher von Umweltministerin Barbara Hendricks, versteht die Aufregung nicht. „Es gibt in der jetzt geltenden Verpackungsverordnung keine verbindliche Mehrwegquote, deren Unterschreitung an politische Maßnahmen geknüpft wäre“, sagt er.

So schildert das auch Sascha Roth vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Statt das unverbindliche Ziel zu streichen, wünscht er sich jedoch eine mit politischen Maßnahmen flankierte und verbindliche Quote. „Die Bundestagsabgeordneten sollen in sich gehen und eine starke Mehrwegquote in das Verpackungsgesetz schrei­ben. Wird diese in den nächsten drei Jahren nicht erreicht, dann muss sich das Parlament für eine Getränkeverpackungsteuer entscheiden“, so Roth.

Die Deutsche Umwelthilfe rechnet vor, dass man mit der für die Produktion der Einwegflaschen benötigten Energie ganz Berlin ein Jahr mit Strom versorgen könnte. Die Plastikflaschen ergeben jährlich 500.000 Tonnen Abfall.

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7 Kommentare

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  • Immerhin haben damals, nach der Einführung des Dosenpfands einige große Handelsketten lauthals verkündet, fortan aus Umweltschutzgründen auf Getränkedosen im Angebot zu verzichten und das teilweise auch konsequent umgesetzt, allerdings nur um nach einigen Jahren die Dosen ganz stiekum doch wieder ins Sortiment einzuführen.

     

    Door-Opener waren dabei weniger Coca-Cola & Co., sondern die stimulierenden Gummibärchenbrausen à la Monster Energy oder Red Bull, die vorzugsweise jugendliche Kundschaft ansprechen. Bei dieser Generation hat die Bewusstseinsbildung diesbezüglich offensichtlich komplett versagt. Schon seit Beginn des Dosenpfands in D sieht man z.B. in den niederländischen Supermärkten jenseits der Grenze deutsche Party-Jugendliche, die sich palettenweise Coladosen in den Kofferraum hieven, obwohl diese dort nicht wirklich preisgünstig angeboten werden.

     

    Was die PET-Einwegflaschen angeht, so zeigten die jüngsten Berichte über den Einfuhrstopp Chinas das Dilemma auf, dass es offensichtlich billiger ist, die Einwegflaschen aus den Pfandautomaten über den halben Globus zu verschiffen, als sie vor Ort halbwegs angemessen zu recyceln, wie es den Verbrauchern suggeriert wird. Auch bei den Mehrwegflaschen hat man sich durch die, dem Lifestyle geschuldete Diversifizierung der Flaschen- und Kastentypen ins eigene Fleisch geschnitten, indem man unzählige neue Varianten, leider auch im Bereich der Bio-Brausen und Craft-Biere eingeführt hat, wodurch die Logistik unnötig erschwert und verteuert wird und viele Läden "Fremd"-Flaschen mit Hinweis aufs eigene Sortiment nicht zurücknehmen.

     

    Immerhin lässt sich flächendeckend beobachten, dass zumindest auf dem Land der Trend bei Mineralwasser wieder zum etwas schwereren Pfandkasten mit Glasflaschen geht und auch Bier nach wie vor am liebsten in dieser Variante gekauft wird.

     

    Folgen Handel und Industrie nun dubiosen Einflüsterern oder gehen sie einfach nur den billigsten Weg?

  • Das Mehrwergflaschen die öklogisch bessere Alternative ist,

    ist zweifelos richtig.

    Allerdings ist es aus Verbrauchersicht schon manchmal nervig,

    wenn Vollsortimenter mit einem Separten Gertänkemarkt den Kunden zwingen,

    sich 3 mal an anzustellen, nämlich einmal für Lebensmittel, einmal für Getränke und einmal wegen

    Rückgabe des Leergutes.

    Dann nervt es noch gewaltig wenn im Gegensatz zu Einwegflachen trotz identischer Flaschenartbestimmte Mehrwegflaschen

    mit dem Argument abgelehnt werden,das die Flaschen nicht aus diesem Geschäft stammen können, weil

    die Marke nicht geführt wird.

    Diese Problem hat zusätzlich zu den öknomischen Vorteilen bei Einwegflaschen nicht.

    Warum kommt der Gesetztgeber nicht auf die Idee die vorgeschriebene Akzeptanz der

    Mehrwegflaschen and die der Einwegflaschen anzupassen?

  • Die einzige Lösung ist das Verbot von Einwegflaschen. Recycling ist immer noch energieintensiver als das Wiederverwenden oder das Vermeiden. Da die Einwohner Deutschlands das nicht begreifen, muss man es ihnen verbieten.

    • @Energiefuchs:

      Es sind ja nicht die Einwohner, die keinen Mehrweg wollen. Ob Mehrwegflasche oder Einwegflasche mit Pfand - das macht vom Aufwand her keinen Unterschied. Es sind die Geschäfte, die Mehrwegflaschen gar nicht mehr oder deutlich teurer anbieten. Zuletzt haben die Automatenanbieter in den Bahnhöfen ihr Sortiment auf Einweg umgestellt. Gleichzeitig stieg der Preis deutlich.

      Wäre Mehrweg überall verfügbar und billiger als Einweg so hätten wir Mehrwegquoten von 80%.

      • @Velofisch:

        Das Angebot der Automaten und Verkaufskioske in Bahnhöfen wurde auf Betreiben der Firma DB Services (früher: Deutsche Bahn Reinigungs-Gesellschaft) auf Einweg umgestellt um die auf hundsmiserable Weise unterbezahlten Reinigungskräfte mit dem Pfand der Flaschen und Dosen aus den Abfallbehältern der Züge und Bahnhöfe auf ein Existenzminimum im Einkommen zu hieven.

         

        Deswegen sieht man die Leute von DB Services Züge und Bahnhöfe auch nur gezielt nach Pfandflaschen durchkämmen und die Pfandautomaten der Supermärkte in Bahnhofsnähe sind quasi ganztägig von DB-Services-Mitarbeitern belegt, die dort ihre Beute zu Geld machen.

         

        Ja, auch das ist Deutschland, genau wie Bettelkids aus armen EU-Ländern, die PET-Flaschen vom Grünstreifen der Fernstraßen aufsammeln und den darin befindlichen Fernfahrerurin trinken um sich mit den darin noch enthaltenen Resten an Koffein, Amphetaminen usw. aufzuputschen um den harten Alltag in den deutschen Städten besser durchstehen zu können.

      • @Velofisch:

        Über einen günstigeren Verkaufspreis kann man dem Mehrwegsystem gegenüber dem (bepfandeten) Einweg leider nicht helfen: Mehrweg hat einen logistischen Aufwand und einen entsprechenden Preis, den man mit dem Kauf sofort entrichtet. Der (bepfandete) Einweg hingegen benötigt keine Kreislauflogistik sondern bedient sich des vermeintlich ökologischen Recyclings, letztlich also der Abfallwirtschaft. Der Preis für dieses 'Ex-und-Hop' und den damit verbundenen Recourcenverbrauch wird erst in der Zukunft fällig, wirkt sich also beim Verkauf erstmal für den Verbraucher preissenkend und vor allem für die Produzenten ertragssteigernd aus. Die Industrie (vor allem die überregionale) bevorzugt daher immer das DPG-(Einweg-)System. Hier ist und bleibt eine ökologisch verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Lenkungswirkung der Politik gefragt, die ich im Augenblick einfach vermisse.

        • @Sarfatti:

          Genauso sehe ich das auch, konnte es aber nicht so gut ausdrücken. Der Aufwand für den Verbraucher ist ja auch bei den Einwegverpackungen enorm, sie bringen diesen ganzen Mist zurück und stellen das einzeln in Automaten. Danach ist es Abfall. Und das kotzt mich so dermaßen an.