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Änderung an StaatsangehörigkeitsgesetzKeine Einbürgerung für Antisemiten

Die Große Koalition will bestimmten Straftätern die deutsche Staatsangehörigkeit zeitweise verwehren – eine Reaktion auf Hetze vor Synagogen.

Viele Ber­li­ne­r*in­nen lehnen sich auf Demos gegen Hetze und Antisemitismus auf Foto: Imago

Freiburg taz | Antisemitische und rassistische Straf­tä­te­r:in­nen dürfen auch nach leichteren Taten zeitweise nicht eingebürgert werden. Das wird der Bundestag noch in dieser Woche beschließen. Zudem soll Antisemitismus im Einbürgerungstest zum Thema werden.

Die Idee für die Verschärfung des Einbürgerungsrechts stammt von Mathias Middelberg, dem innenpolitischen Sprecher der Union. Er wollte auf antisemitische Kundgebungen vor Synagogen reagieren. Ursprünglich schlug Middelberg als Formulierung vor: „Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn der Ausländer eine antisemitisch motivierte Handlung vorgenommen hat.“ Ute Vogt, innenpolitische Sprecherin der SPD, fand jedoch den Begriff „Handlung“ zu unbestimmt. Daher wird nun auf strafrechtliche Verurteilungen abgestellt.

Zwar ist eine Einbürgerung schon bisher ausgeschlossen, wenn Aus­län­de­r:in­nen bereits strafrechtlich verurteilt wurden. Laut Staatsangehörigkeitsgesetz gilt dies aber ausnahmsweise nicht bei Haftstrafen bis zu drei Monaten und Geldstrafen bis 90 Tagessätzen. Diese Ausnahmen sollen nun entfallen, wenn jemand wegen einer antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstig menschenverachtenden Straftat verurteilt wurde. „Antisemitisch motivierte Straftaten sind nie eine Bagatelle“, betont CDU-Mann Middelberg.

Die Einbürgerungsbehörde muss künftig also prüfen, ob eine Beleidigung oder eine Körperverletzung antisemitisch, rassistisch oder sonst menschenverachtend motiviert war und ob sich im Strafurteil ein entsprechender strafverschärfender Hinweis findet. Eine antisemitische Motivation ist im Strafgesetzbuch erst seit diesem Jahr ausdrücklich als strafverschärfend erwähnt, zuvor galt Antisemitismus als Unterfall der Menschenverachtung.

Neue Fragen im Einbürgerungstest

Die Verurteilung verhindert die Einbürgerung aber nicht dauerhaft, sondern nur, solange das Urteil im Bundeszentralregister aufgeführt ist. Verurteilungen bis zu 3 Jahren Haft oder 90 Tagessätzen Geldstrafe werden nach fünf Jahren im Register getilgt.

Als weitere Maßnahme fordert die Große Koalition, dass Fragen zum Antisemitismus und zum Existenzrecht Israels in den Einbürgerungstest aufgenommen werden. Der Test besteht aus 33 wechselnden Multiple-Choice-Wissensfragen, wovon 17 richtig beantwortet werden müssen. Beispiel: „Welches Recht gehört zu den Grundrechten in Deutschland? Waffenbesitz, Faustrecht, Meinungsfreiheit oder Selbstjustiz?“

Tatsächlich enthält der Gesamtkatalog aus 300 Testfragen bisher keine Fragen zum Antisemitismus. Doch selbst wenn hier zwei Fragen aufgenommen würden, würde das den Charakter als Wissenstest nicht verändern.

Viel relevanter bleibt die bereits bestehende Regelung, dass je­de:r Einbürgerungswillige ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgeben muss. Bei Personen, die nach der Einbürgerung antisemitisch auffallen, kann das Bekenntnis eventuell als vorgetäuscht gewertet und die Einbürgerung zehn Jahre lang zurückgenommen werden.

Das Gesetz soll in der Nacht zu Freitag um 5.50 Uhr gemeinsam mit anderen Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts beschlossen werden.

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25 Kommentare

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  • Antisemitismus eignet sich hierzulande immer noch wunderbar als Integrationsschmiermittel. Natürlich nicht offiziell, da feiert man lieber imagewirksam "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland". Es ist klar, wer bei derartigen Maßnahmen, den Antisemitismus explizit bei den Eingewanderten unter die Lupe zu nehmen, sich ganz besonders im Recht fühlt: diejenigen, die das Problem des antisemitischen Wahns gerne aus der deutschen Gesellschaft ausgelagert sehen. Funktioniert aber nicht! Bei den "Querdenker"-Demos sieht man keine türkischen, syrischen, palästinensischen Flaggen. Und, was ist mit der "blutsverwandten" Community der sog. "Spätaussiedler" (oder soll ich lieber sagen "Volksdeutschen")? Das gerne gezeichnete Bild des angeblich eingewanderten Antisemitismus aus den arabischen Ländern ist leider kein Pfund, mit dem sich aus deutscher Sicht wuchern lässt. Blickt man auf die Geschichte des Antisemitismus im arabischen Raum wird ganz schnell klar, dass es da direkte Bezüge zur antisemitischen Propaganda deutscher Provenienz gibt, nachzulesen bei Matthias Küntzel. Wenn schon Gesinnungstests in puncto Antisemitismus eingeführt werden sollen, prinzipiell spricht ja nichts dagegen, man braucht hier nicht noch mehr Antisemitismus als ohnehin schon vorhanden, dann sollten doch bitte die ganzen Goethe-Institute (oder ähnlich geartete Einrichtungen), diese "Oasen des Scheiterns", beispielsweise im arabischen Raum, im südost- und osteuropäischen Raum dazu verpflichtet werden, den ganzen antisemitischen Propaganda-Sondermüll, der von Nazideutschland in diese Gebiete geblasen wurde und bis heute in diesen Gesellschaften nachwirkt, kritisch reflektierend und aufklärend zu entsorgen.

    • @Hanife Biserka Bastalić:

      So ein Quatsch! Wollen sie die Aussage " ich fühle mich wie Sophie Scholl" etwa gleichsetzen mit " fi... die Juden und vergew.. ihre Töchter " ? Den islamischen Antisemitismus immer ausschließlich auf die nazis zurückzuführen ist auch schlichtweg falsch. Auf den Demos wurden alte Sätze wie " nimm dich in acht Jude. Die Armee Mohammeds kommt" skandiert. Als der Prophet auf der arabischen Halbinsel seine Macht ausweitete , tat er dies gegen die jüdischen Stämme. Zum Beispiel bei der Schlacht von Badr.



      Ich empfehle die Schriften von ibn ishāq aus dem 7-8 Jahrhundert. Sorry, aber zu glauben es läge wieder alles nur an den deutschen ist, gelinde gesagt, naiv.

      • @Janek Janeksen:

        Muss mich korrigieren. Die Schlacht von Badr ging gegen die Quraish.



        Trotzdem wurde gegen viele Jüdische Stämme gekämpft und diese ( wie es wohl immer und überall läuft) diffamiert.

  • Wenn das für alle, die schon länger hier leben, genau so gelten würde, könnten etwa 50% aller in Deutschland lebenden Menschen ihre Staatsbürgerschaft zurück geben. Schade dass das aus juristischen Gründen nicht geht... und welches Land würde 40 Millionen Antisemiten aufnehmen wollen? Wo würden sie auch besser hinpassen als nach Deutschland? Antisemitismus hat hier eine lange, ungebrochene Tradition und ist essentieller Teil des hiesigen Heimatgefühls.

    • @Anna Christl:

      Große Klasse! Weil es in Deutschland auch Antisemiten gibt, müssen wir zu ausländischem Antisemitismus bloß nix sagen. Schauen Sie mal Presse aus dem Iran oder den palästinensa Gebieten. Könnte mich nicht erinnern, wann in den letzten Jahrzehnten deutsche Politiker oder Christliche geistige offen zu " metzeln " an Juden aufrufen. Sie?



      Mit ihrer Taktik der selbstzerfleischulg werden wir sicher nicht weiterkommen. Es gibt ja genug Befragungen unter deutschen Juden. Gerade die körperlichen Angriffe gehen eben nicht von deutschen aus.



      Sie verlagern das Problem.

    • @Anna Christl:

      Woher haben Sie ein dermaßen verzerrtes Bild von den in Deutschland lebenden Menschen her? Für mich steckt da viel Abwertung dahinter.

    • @Anna Christl:

      An Ländern, in denen Antisemiten nicht nur heimlich, sondern auch "offiziell" beliebt und Deutsche wegen des Holocaust gern gesehen sind, besteht auf dieser Welt wahrlich kein Mangel.

    • @Anna Christl:

      Also wenn mensch sich in Detschland heimisch fühlt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich bei der Person um eine_n Antisemit_in handelt ?



      Gehts auch eine Nummer kleiner? solche Übertreibungen helfen absolut gar nichts.

    • @Anna Christl:

      Kann mich nicht erinnern in den letzten 20 Jahren einem über den Weg gelaufen zu sein.

      Zähle allerdings weder Nazis noch Islamisten zu meinem Freundeskreis.

    • @Anna Christl:

      Ich hoffe das war nicht ernst gemeint! Sie unterstellen doch nicht ernsthaft 40 mio Bundesbürgern, dass sie Antisemiten sind.

  • " die Einbürgerung zehn Jahre lang zurückgenommen werden."

    Wie oft passiert denn das, dass die Einbürgerung zurückgenommen wird, weil die Person das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung "vorgetäuscht hat"?

    Hört sich nach einer Regelung an, die so gut wie nie Anwendung findet.

    • @gyakusou:

      Die Rücknahme der Einbürgerung an sich kommt schon sehr selten vor. Seitdem dies 2009 möglich ist, ich hab nur Zahlen bis 2019 gefunden, da gibt das Bundesinnenministerium 300 Fälle insgesamt für die 10 Jahre an.

      rsw.beck.de/aktuel...f-10-jahre-anheben

  • 5.50 in der frühe? det nenn ich ne nacht+nebelaktion!

    • @christine rölke-sommer:

      Sonnenaufgang in Berlin heute: 04:43. Wenn's bei Ihnen trotzdem dunkel bleibt, so ist's definitiv nicht die Nacht.

      • @Chutriella:

        wenn ich mir www.bundestag.de/d...keitsgesetz-846950 so bekieke dann... gute nacht!

        • @christine rölke-sommer:

          Was genau ist Ihr Problem mit der "Einbürgerung früherer NS-Verfolgter und deren Nachkommen"?

          Die Leute haben eine oder mehrere Staatsbürgerschaften, es geht hier vor allem um eine symbolische Wiedergutmachung verdammte Scheiße!

          Selbst in Spanien oder Portugal ist es teilweise einfacher, wieder die Staatsbürgerschaft aufgrund der Gesetze für verfolgte Juden zu erhalten und die sephardischen Juden wurden 1492 aus Spanien und 1496 aus Portugal vertrieben.

          • @Sven Günther:

            lesenSe den artikel - und dann wissenSe, worums mir geht.

            • @christine rölke-sommer:

              Habe ich, da steht genau das drin, was ich schrieb.

              "Durch die Novellierung sollen „gesetzliche Ansprüche zur staatsangehörigkeitsrechtlichen Wiedergutmachung“ geschaffen werden, schreibt die Bundesregierung zu ihrem Gesetzentwurf."

              Anträge der Linken, Grünen und vom Gesindel, kann man getrost ignorieren, kommt eh nichts bei rum.

              Also nochmal die Frage, wo liegt das Problem bei der Einbürgerung früherer NS-Verfolgter und deren Nachkommen?

              • @Sven Günther:

                was soll/will Ihre gekünstelte aufregung?



                erklären Siie mir besser mal, was fragen zum existenzrecht israel in 'schlands einbürgerungstests verloren haben!

                • @christine rölke-sommer:

                  Vielleicht kenne auch ich Menschen, denen Briefe deuscher Behörden zugingen, wo ganz nonchalant erklärt wurde, Antrag auf Wiedereinbürgerung abgelehnt. Ihre Eltern sind doch vor '41 ausgewandert, das war doch ein freiwilliger Verzicht, erst dann hat doch das Reich Juden die Staatsbürgerschaft entzogen. Gut, zum Zeitpunkt der Ausreise waren die Nazis schon an der Macht und G'tt sei gepriesen, haben ihre Eltern nicht gewartet, bis sie nach Theresienstadt oder sonstwo deportiert wurden, aber bei der Konstellation wird das mit ihrem Antrag nichts.

                  Gehört schon neh ganze Menge Chuzpe dazu, sowas zu schreiben.

                  Zum anderen Punkt, ich bin da sehr gespannt, wie man diese "Staatsräson," auf die die Israelis soviel geben sollten, wie weit ich ein Auto werfen kann und die in keinem Gesetz steht, da rechtssicher umgesetzt werden soll.

                  Ich halte das für reine Symbolpolitik, die nichts bringt und kann mir kein Szenario vorstellen, wo so eine Frage einer rechtlichen Überprüfung standhält.

                  • @Sven Günther:

                    zum ersten punkt: überfällig



                    zum zweiten: mann hat schon pferde kotzen sehen...



                    ich werde mir die debatte anhören. bin auf anti-antisemitismus zu nachtschlafender zei gespannt.

                • @christine rölke-sommer:

                  Die Sicherheit und der Bestand Israels sind in diesem Land Staatsräson. Wer die besondere geschichtliche Dimension dabei nicht versteht, kann wohl kaum in Anspruch nehmen Deutscher werden zu wollen. Wer das anders sieht, möge sich deshalb einfach ein anderes Land aussuchen bevorzugt möglichst weit weg. Der Rat gilt natürlich auch für aktuelle Staatsbürger.

                  • @Šarru-kīnu:

                    was schwebt Ihnen vor? ausbürgerung nicht mehr weil jude, sondern weil nicht-staatsräson-gläubig?

                    • 8G
                      83379 (Profil gelöscht)
                      @christine rölke-sommer:

                      Im globalen Vergleich eine sehr humane Lösung. Die wenigsten Staaten tolerieren Menschen die die Staatsräson ablehnen. Wer hier lebt dem kann man nichts aber wer einwandert dem sollte klar sein was Sache ist.