Abtreibungsgegner_innen vor Kliniken: Gehsteigbelästiger auf Abstand halten
Radikale Abtreibungsgegner_innen verhindern überall in Deutschland den reibungslosen Ablauf von Abbrüchen. Das will die Bundesregierung künftig ahnden.
Dazu gehört, dass Schwangere nicht vom Eintritt einer Einrichtung und Mitarbeiter_innen nicht von ihrer Arbeit abgehalten werden dürfen. Zudem dürfen Schwangeren keine Falschinformationen vermittelt werden und sie mit Inhalten konfrontiert werden, die auf emotionale Reaktionen wie Furcht, Ekel, Scham oder Schuld abzielen.
„Wir stärken die Rechte von Schwangeren und gehen einen wichtigen Schritt für die Selbstbestimmung der Frau“, sagte dazu Familienministerin Lisa Paus (Grüne) am Mittwochmittag. „Hier hat Meinungsfreiheit ihre Grenzen – auch im Sinne des Schutzes des werdenden Lebens, der durch die ergebnisoffene Schwangerschaftskonfliktberatung gewährleistet wird.“
Dazu dürfen sich Abtreibungsgegner_innen diesen Einrichtungen nur noch bis zu 100 Meter um den Eingangsbereich nähern. Paus betonte am Mittwochmittag, dass dadurch das prinzipielle Recht von Abtreibungsgegner_innen, ihre Meinung kundzutun, nicht beschnitten werde: „Wir mussten das Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten ratsuchender Frauen einerseits und das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Dritter genau gegeneinander abwägen“, so Paus. „Ich bin überzeugt, diese Abwägung ist uns mit dem heute verabschiedeten Entwurf gelungen.“
Die Versammlungsfreiheit bleibt bestehen
Im Gesetz selbst ist auch festgelegt, dass die Schwangere nicht dazu aufgefordert werden darf, zu einem anderen Zeitpunkt oder bei einer anderen Beratungsstelle einen Termin zu vereinbaren. Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland immer noch illegal und gelten nur unter bestimmten Bedingungen als straffrei. Dazu gehört eine Pflichtberatung der schwangeren Person und die Frist, die Abbrüche nur bis zur 12. Schwangerschaftswoche erlaubt, sowie ein Abstand von Beratung und Abbruch von drei Tagen. Über die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen berät bis April eine Expert_innen-Kommission.
Bislang hat nur Bremen ein Gesetz beschlossen, das die Belästigung von Schwangeren und Mitarbeitenden von Arztpraxen, Krankenhäusern und Beratungsstellen ahndet. Mit dem aktuellen Gesetz will die Ampelkoalition für eine bundeseinheitliche Regelung sorgen.
Céline Feldmann, Vorsitzende der interkommissionellen Arbeitsgruppe Schwangerschaftsabbruch des Deutschen Juristinnenbundes (djb) begrüßte das Gesetz gegenüber der taz: „Der Referentenentwurf ist längst hinfällig. Denn Gehsteigbelästigungen sind keine Bagatelle, sondern verletzen die Rechte schwangerer Personen erheblich“, so Feldmann. „Der Referentenentwurf ist zwar begrüßenswert, allerdings nur ein erster Schritt. Denn erst wenn Beratungen freiwillig und Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert sind, finden die Rechte schwangerer Personen, insbesondere Frauen, hinreichend Berücksichtigung.“
Heidi Reichinnek, Bundestagsabgeordnete für die Gruppe der Linken, sagte der taz: „Es wird ja wirklich langsam Zeit, dass die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Gehsteigbelästigung beschließt. Dass diese relativ simple Gesetzänderung so unfassbar lange gedauert hat, zeigt sehr gut, dass Frauenpolitik und vor allem sexuelle Selbstbestimmung in der Regierung keine Priorität haben.“
Die Ahndung der Gehsteigbelästigung soll mit einer Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes in Kraft treten, das auch eine Verbesserung der Bundesstatistik von Schwangerschaftsabbrüchen vorsieht sowie einen Überblick über die regionale Versorgungslage. Im Sommer soll der Bundestag das Gesetz verabschieden.
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