Absturz der türkischen Lira: Hilfe gegen Inflation am Bosporus
Die Währungen mehrerer Schwellenländer werten rasant ab – allen voran die Lira. Die türkische Regierung sieht keine Gefahren, die EU ist alarmiert.
Der Währungsverfall der türkischen Lira geht weiter. Nachdem infolge einer Intervention der türkischen Zentralbank zwei Tage nach dem „schwarzen Freitag“ am 13. August die Lira zunächst gegenüber Dollar und Euro wieder zulegen konnte, nähert sich die türkische Währung jetzt erneut den Tiefstständen von Mitte August an.
Der Dollar kostete am Donnerstag 6,6 Lira, ein Euro 7,7 Lira. Finanzexperten gehen davon aus, dass für türkische Banken die Schmerzgrenze bei 7 Lira für einen Dollar erreicht ist – und sie ihre Devisenschulden dann möglicherweise nicht mehr begleichen können. Erst am Mittwoch hatte die US-Ratingagentur Moodys die Kreditwürdigkeit von 20 türkischen Banken erneut herabgestuft. Die Kreditinstitute, so die Begründung, müssen innerhalb des kommenden Jahres 77 Milliarden Dollar an Schulden begleichen. Fällt die Lira weiter, wird ihnen das kaum mehr möglich sein.
Während die türkische Regierung und allen voran Finanzminister Berat Albayrak immer wieder behaupten, es gäbe keine wirklichen Risiken für die türkische Ökonomie, sind die Regierungen Frankreichs und Deutschlands sowie die EU-Kommission längst alarmiert. Nach einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Albayrak am Montag in Paris sagte der französische Finanzminister Bruno Le Maire, es sei „ganz wichtig“, die Türkei zu unterstützen. Gegenüber der US-Tageszeitung Wall Street Journal hatte ein hoher deutscher Offizieller, der allerdings nicht namentlich genannt werden wollte, erst vor zwei Tagen gesagt: „Wir sind bereit, eine Menge zu tun, um die Türkei zu stabilisieren. Wir haben gar keine andere Wahl.“
Während die Bundesregierung offiziell noch dementiert, konkrete Hilfsmaßnahmen für die Türkei zu erwägen, ist der deutsche Finanzminister Olaf Scholz nach Informationen des Wall Street Journal bereits eifrig dabei, mit seinem türkischen Kollegen genau das zu diskutieren. Bevor Präsident Recep Tayyip Erdogan am 28. September nach Berlin kommt, will Scholz sich auch direkt mit Albayrak treffen. Allerdings vertritt Berlin die Auffassung, Ankara müsse sich auch an den Internationalen Währungsfonds wenden und könne nicht nur auf Europa hoffen.
USA könnten IWF-Kredit verhindern
Das allerdings lehnt der türkische Präsident strikt ab. Die Türkei hat bereits mehrfach, zuletzt 2001, Kredite des IWF in Anspruch nehmen und anschließend strikte Auflagen des Fonds befolgen müssen. Erdoğan war immer stolz darauf, den IWF nach einigen Jahren unter seiner Regierung ausbezahlt zu haben. Außerdem besteht das Risiko, dass die USA, solange der Konflikt zwischen Trump und Erdoğan nicht beigelegt ist, einen IWF-Kredit an die Türkei verhindern.
Auch angesichts dieser Fehde macht man sich in Brüssel Gedanken darüber, was die EU tun kann. Das Wall Street Journal zitiert den Offiziellen: „Wir können nicht einfach dasitzen und zuschauen, wie die Türkei den Bach runtergeht. Dazu ist die Türkei in der Flüchtlingsfrage zu wichtig. Außerdem zwingen uns die geostrategische Lage des Landes und nicht zuletzt die ökonomische Verflechtung zwischen der Türkei und Europa dazu, zu handeln.“
Doch was tun? Die Hoffnung der Bundesregierung, allein durch die öffentliche Feststellung, man sei an einer prosperierenden Türkei interessiert, werde die ausländischen Investoren in der Türkei beruhigen, hat sich zerschlagen. Jetzt wird in Brüssel darüber nachgedacht, ob die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung „projektgebunden“ einspringen könnten.
Kanzlerin Angela Merkel kündigte sogar an, die EU könne die nach dem Putschversuch 2016 auf Eis gelegten Gespräche über eine Ausweitung der Zollunion wieder aufnehmen. Doch ohne eine radikale Änderung der türkischen Politik wird das wenig nutzen. Investoren erwarten, dass die Türkei den Konflikt mit den USA beilegt und die Leitzinsen stark erhöht.
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