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Abschiebungen von Roma und AfghanenAus dem Bett gerissen

Die Ausländerbehörde hat in der vergangenen Woche mehrere Dutzend Menschen abgeschoben, darunter einen Mann, der schon mehr als 20 Jahre hier lebte.

Von Abschiebung bedroht: Roma in Hamburg. Foto: dpa

HAMBURG taz | Mindestens 44 Menschen aus verschiedenen Balkanstaaten sind in der vergangenen Woche abgeschoben worden, wie die Ausländerbehörde bestätigte – darunter ein Rom, der schon seit mehr als 20 Jahren in Deutschland lebte. Eine afghanische Familie darf nach Angaben der Initiative „Willkommen-Kiwittsmoor“ vorerst bleiben, weil die Frau schwanger ist.

Unter den Abgeschobenen sind auch Mitglieder der Gruppe Romano Jekipe Ano (Vereinigte Roma) Hamburg, die auf sich aufmerksam machte, indem sie den Michel symbolisch besetzte und gegen die Abschiebung von Roma auf den Balkan protestierte. Die Minderheit wird dort häufig diskriminiert und die Menschen leben unter erbärmlichen Bedingungen. Noch heute wohnen nach Auskunft ihres Sprechers Isen Asanovski 51 Mitglieder der Gruppe in kirchlichen Räumen.

Mindestens zwei Roma-Familien aus anderen Stadtteilen seien aber abgeschoben worden, sagt Asanovski. „Wir hatten keine Kraft, sie zu retten“, bedauert er. Die Gruppe „2016 refugee support“ wirft der Polizei vor, bei Abschiebungen in Billstedt gewaltsam gegen die Menschen vorgegangen zu sein. Dabei sei ein Mädchen geschlagen worden. Die Familie habe ihre Habseligkeiten nicht packen dürfen und die Handys abgeben müssen. Der Ausländerbehörde war der Vorfall nicht bekannt.

Der Mann, der nach Serbien abgeschoben wurde, hat laut Asanovski vier erwachsene Kinder, die in Deutschland geblieben seien. Die Duldung des Mannes sei noch nicht abgelaufen. Er verstehe nicht, warum der Mann dann 540 Euro für seine Abschiebung bezahlen müsse.

Nach Darstellung der Ausländerbehörde hatte der Mann keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis. Das habe das Verwaltungsgericht festgestellt. Er sei nicht erwerbstätig gewesen. Seine Duldung sei mit einem Flugtermin erloschen. „Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Abschiebung rechtswidrig ist“, sagt Norbert Smekal, der Sprecher des Einwohnerzentralamtes.

Abschiebungen

Im Dezember 2015 versuchte die Ausländerbehörde 427 Menschen außer Landes zu bringen.

In 86 Fällen blieben die Menschen trotzdem, 18 Personen, weil sie nicht angetroffen wurden, weitere 13 aus medizinischen Gründen, zwölf waren untergetaucht, elf leisteten Widerstand.

Der größte Teil (262 Personen) der Ausgereisten ging „freiwillig“, 67 wurden in ihr Herkunftsland abgeschoben, zwölf in Drittländer.

Zum Fall der afghanischen Familie vom Kiwittsmoor konnte Smekal nichts sagen. Die Helferinitiative berichtet, dass rund 20 Polizisten die Unterkunft in Langenhorn umstellten. Einige seien in das Zimmer der schlafenden Familie mit einem zweijährigen Kind eingedrungen und hätten sie aufgefordert, ihre Sachen zu packen. Nur dem Umstand, dass die 19-jährige Mutter kurz vor einer weiteren Entbindung stehe, sei es zu verdanken, dass die Abschiebung ausgesetzt wurde.

Das junge Ehepaar und ihr kleiner Sohn hätten sich nichts zu Schulden kommen lassen. „Warum werden sie wie Schwerverbrecher behandelt?“, fragt Willkommen-Kiwittsmoor. Für die Ehrenamtlichen aus der Nachbarschaft, die sich für das Wohl der Bewohner einsetzten, sei das Verhalten der Innenbehörde inakzeptabel.

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6 Kommentare

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  • Was sich zu diesem Thema sagen lässt, und nicht nur an diesem schwierigen Thema. Das in erster Linie wie man auch hier an den Kommentaren ablesen ab lesen kann, dass vieles nur auf Grund von Vorurteilen begründet wird. Mit anderen Worten hier werden pauschalisierend Minderheiten mit "kriminellen" verglichen. Das grenzt schon aus meiner Sicht an Volksverhetzung. Und die Behörden nutzen die negative Stimmungen , konsequent abzuschieben.

     

    Was wünschte ich mir, dass man mit den vielen NS Tätern genauso umgegangen wären, aber hier genau das Gegenteil, hier wurde vertuscht, verharmlost etc. ja sogar mit Unterstützung von Politik unter Adenauer, dass die meisten davon kamen. Aber scheinbar ist ein "deutscher Nazi" bei vielen in Deutschland immer noch beliebter als ein Ausländer. Es war schon immer klar, Deutschland hat zwar den Krieg verloren, deshalb aber war und ist die menschenverachtende Ideologie von damals nicht weg. Im Gegenteil, was man an den über 1000 Angriffen auf Flüchtlingsheimen und Flüchtlingen alleine im Jahr 2015 zeigen. Alleine seit dem Mauerfall sind wieder in Deutschland mehr als 160 Menschen auf Grund dieser menschenverachtenden Ideologie ums leben gekommen. Wie Mehrheiten in Deutschland scheinbar noch immer denken zeigen die Vorfälle in Köln. Es gab deswegen alleine 11 Sondersendungen zu diesem Thema, und wie viele Sondersendungen gab es zu brennenden Flüchtlingsheimen? 0

    Wie viele Sondersendungen und Hetze gab es zu Griechenland? Unzählige, und wie viele über die wahren Ursachen der Eurokrise? Wie viele Sondersendungen gab es über Flüchtlinge? und wie viele Sondersendungen gab es über die Ursachen? USW. Wo wird in den Qualitäts Medien in Deutschland über die Völkerrechtswidrigen Kriege auf Grund von Lügen berichtet? Wer weiß in Deutschland dass alleine die USA und Europa ihre Waren mit ca. täglich eine Milliarde subventionieren, und damit vor Ort die Existenzen von Millionen von Menschen zerstört

  • Nein. Auf eine deutschnationale Argumentation lasse ich mich jetzt mal nicht ein. Unterstellungen gegenüber Flüchtlingen ("Identität verschleiern"), völkische Ideologie (jus sanguinis, oder wie sonst hat ein hier geborenes Kind sein "Heimatland" irgendwo anders?) ... dass habe ich mal alles außer acht gelassen, dann bleibt der Satz: "Es kann nun mal nicht jeder bleiben". Warum diesen Satz nicht auf den Verkünder anwenden? Winke, Winke nach Sibirien...

  • Die Vorwürfe gegen die Behörde hören sich unsubstantiiert an. Dass sich jemand 20 Jahre hier aufhält, heißt häufig, er hat seine Identität so lange verschleiern können, so dass das Heimatland und die Personalien für einen Ersatzpass erst jetzt zu ermitteln waren.

    Dass Behörden-Mitarbeiter Kinder schlagen, ist Unfug.

    Und Abschiebungen sind grundsätzlich zu bezahlen. Ist irgendwie klar, zumal immer die Chance besteht, selbst Tickets für einen Heimflug zu buchen. Weshalb sollte der Steuerzahler dafür haftbar sein?

    Wenn mensch eine Ausreiseaufforderung erhält und nicht ausreist, dann kann eine Abschiebung folgen - das wird jedem Betroffenen mitgeteilt. Es kann nun mal nicht jeder bleiben.

    • @Chris Mahns:

      Klar kann jeder bleiben.

    • @Chris Mahns:

      Okay, dann haben Sie sich nichts dagegen, für ihre eigene Abschiebung wegen dieses Leserkommentars zu zahlen? Wie wäre es mit Sibirien für 1.750 Euro Oneway-Ticket? Tschüß...

      • @Fiete Strandläufer:

        Mensch Fiete, setz dich doch mal mit dem Inhalt des Kommentars auseinander anstatt so daneben zu posten